Bilder: Michael Kleinjung --- Es hätte ein schöner Tag werden können für Elena (Natalie Rausch li.), Cem (David Heidemann), Sinan (Marlo Potthoff) und Anna (Sophie Schmid).
ARCHIV
Jugend-Drama um die Ehrensache
Bergneustadt Mit dem Stück Ehrensache von Lutz Hübner bringt das Losemund-Theater ein psychologisches Spiel mit vier Jugendlichen und einem Gerichtsgutachter auf die Bühne, bei dem es vordergründig um einen Mord geht.
Regisseur Manfred Krajewski hat sich ein Stück ausgesucht, das vom Stoff und den Texten her schon seine Wirkung hat. Vier Jugendliche, die zu einem Ausflug nach Köln aufbrechen, der in einer Tragödie endet. Dabei geht es in dem Stück nun vordergründig um die Aufklärung der Tat. Dies findet in verschiedenen Erzählebenen statt und so ist auch die Bühne aufgeteilt. Einerseits die Gespräche der beiden Jungen mit dem Gutachter Kobert, dann die Ausführungen von dem Mädchen Anna und die Rückblenden zu dem verhängnisvollen Tag.Gutachter Kobert (Frederick Mehlan) soll klären, wie es zu diesem tragischen Ereignis gekommen ist. Anna (sehr authentisch gespielt von Sophie Schmid), die das Ganze soeben überlebt hat, denkt über die Ursachen nach und geht den schicksalhaften Tag noch einmal in Gedanken durch. Sie erinnert sich an Erlebnisse mit Elena (Natalie Rausch), die sich ungern von anderen etwas sagen ließ, aber eigentlich ganz anders war, als viele sie sahen. Ist sie wirklich das leicht zu habende Mädchen gewesen? Auch wenn sie sich sexy anzieht und heftig flirtet, ist sie verletzt durch die Sicht anderer auf sie. Ihre Ehre ist angegriffen.
[Anna (Sophie Schmid) ist die eher zurückhaltende Freundin von Elena, die über den verheerenden Ausflug und dessen Folgen nachdenkt.]
Und auch Cem (David Heidemann) ist in seiner Ehre angegriffen. Das Stück entführt das Publikum in die Psyche des in seiner Würde gekränkten Jugendlichen. Die Tat wird aus dieser Perspektive zum unausweichlichen Ende eines aggressionsgeladenen Tages. Sie wollte mich kaputt machen! Meine Familie, meine Ehre!, bricht es vor dem Gutachter aus Cem heraus. Sinan (Marlo Potthoff) überspielt mit seinen Späßen und HipHop-Songs seine Unsicherheit. Für ihn ist die Türkei das gelobte Land. In Deutschland macht er nur einen Hauptschulabschluss, aber in der Türkei glaubt er später sein Glück zu finden - auch wenn sein Vater das anders sieht. So sind Sinan und Cem zwischen zwei Kulturkreisen hin und her gerissen. Einerseits verachten sie das Leben in Deutschland, sind aber doch nicht anders als deutsche Jugendliche. Der große Unterschied: die Ehre. Sie wollen soziale und familiäre Gesetze achten und befolgen. Und so sind Frauen, mit denen Cem etwas hatte wie auch mit Elena nur Schlampen. Solche Mädchen sind nur für Spaß gut, aber eine feste Partnerschaft oder Ehe ist da vollkommen unvorstellbar. Genau in diese Kerbe schlägt Elena und drängt Cem sozusagen vor die Wand.
[Gutachter Kobert (Frederick Mehlan li.) sucht nach Gründen für die Tat: Gier nach Leben, übersteigerter Ehrbegriff, Freundschaft?]
Lutz Hübner, der Autor, schrieb das Stück Ehrensache in Anlehnung an eine wahre Begebenheit - den Hagener Parkplatzmord am Pfingstwochenende 2004. Auch bei Hübner stehen sich zwei Jungen und zwei Mädchen gegenüber, die allerdings frei erfunden sind und unabhängig von den realen Personen zu betrachten sind. Er fügte als ordnende Instanz den Gutachter hinzu. Das Jugendstück von Hübner wurde zunächst verboten. Der Grund: eine Klage der Mutter des toten Mädchens. Sie sah die Persönlichkeitsrechte ihrer Tochter verletzt. 2008 wies das Bundesverfassungsgericht die Klage ab, da es sich im Jugendstück um einen fiktiven Kunstcharakter handele. Ein sehr kontroverses Jugendstück, das eine Herausforderung für Darsteller und Zuschauer ist. Textsicher und mit viel Ausdrucksstärke spielten die fünf jugendlichen Darsteller (zwischen 17 und 20 Jahren) auf der Kleinen Bühne im Losemund-Theater das Stück zur Premiere. Weitere Aufführungstermine sind am 23.11.2013 um 20 Uhr, am 24.11.2013 um 18 Uhr und am 29.11.2013 um 20 Uhr sowie zu vier weiteren Terminen im Januar 2014.

