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Seit 25 Jahren: Erinnern und Denkanstöße geben

vma; 31. Oct 2013, 07:47 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Wilfried Hahn, Vorsitzender der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, begrüßte am Mittwochabend die Gäste im Burghaus Bielstein zum 25jährigen Jubiläum.
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Seit 25 Jahren: Erinnern und Denkanstöße geben

vma; 31. Oct 2013, 07:47 Uhr
Wiehl – Die Oberbergische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) feierte am Mittwochabend ihr 25jähriges Bestehen und hatte viele Gäste eingeladen.
„Wir in Deutschland schleppen einen Rucksack mit uns“, so CJZ-Vorsitzender Wilfried Hahn. Dies sei auch beim jüngsten Besuch einer großen Gruppe vor etwa einer Woche in Auschwitz wieder deutlich geworden. „Unsere Sprache kann die Betroffenheit kaum ausdrücken“, so Hahn. In den letzten 25 Jahren hat die CJZ Vorträge und Reisen zu Gedenkstätten durchgeführt, denn das wichtigste Arbeitsfeld der Gesellschaft ist die Erinnerungsarbeit und die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und der daraus resultierenden Shoah (Holocaust). Jährlich werden Studienfahrten und Tagesexkursionen angeboten. Außerdem Vorträge mit Themen zu aktuellen Zeitgeschehen im Verhältnis der Staaten Deutschland und Israel sowie Israel und Palästina, und vieles mehr.



30 Gründungsmitglieder fanden sich am 22. August 1988 zusammen um die „Oberbergische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ zu gründen. Im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Gummersbach wurde sie ins Leben gerufen und ist derzeit eine von 80 Gesellschaften in Deutschland, die sich zu einem Deutschen Koordinierungsrat zusammengeschlossen haben. Heute leben im Oberbergischen kaum noch Juden, aber in Nümbrecht hatte bis 1938 die einzige jüdische Gemeinde im Kreisgebiet ihren Sitz. Die Zerstörung ihrer Synagoge im August 1938 beendete eine 200jährige jüdische Gemeindeexistenz. Die CJZ will nicht anklagen sondern die Erinnerung wach halten.

[Über den Antisemitismus in der Familie Richard Wagners sprach Dr. Eva Weissweiler aus Köln.]

Zur Feierstunde sprach Dr. Eva Weissweiler aus Köln über „Judenhass als Vermächtnis – die Tradierung des Antisemitismus bei den Wagners“. War der Komponist Richard Wagner ein Antisemit? Schlägt sich das in seinen Werken nieder? Fakt ist, dass er selbst einen Aufsatz verfasste mit dem Titel „Das Judentum in der Musik“. Er kritisierte nicht nur das musikalische Schaffen jüdischer Komponisten seiner Zeit. 1850 publiziert unter dem Pseudonym K. [Karl] Freigedank. 1869 veröffentlichte Wagner den Aufsatz stark erweitert als eigenständige Broschüre unter seinem Namen. Dr. Eva Weissmüller betrachtete insbesondere die Familiengeschichte der Wagners. Seine Frau Cosima, Tochter des Komponisten Franz Liszt, aber auch Sohn Siegfried bis hin zu den heutigen Bayreuther Festspielen. Erstaunlich ist, dass die Uraufführung von Wagners „Parsifal“ von Hermann Levi dirigiert wurde – einem Juden. Weissweiler dokumentierte ausführlich, wie sich bei Wagners der Antisemitismus durch das Familienleben zog.


[Der aktuelle Vorstand der Oberbergischen Gesellschaft CJZ: v.l.
Pfarrer Christoph Bersch (Beratender Beisitzer), Inge Kühn, Frank Norbeteit, Karin Erasmus, Wulff-Joachim Heil, Vorsitzender Wilfried Hahn, Erika Palm (es fehlten: Pastor Peter Muskolus, Dr. Tim Lindfeld und als beratender Beisitzer Pfarrer Matthias Weichert).]
  

Musikalisches zur Feierstunde gab es vom „Chor Cantabile“ mit „Adon olom“ und „Adonai, Adonai“, dem 3. Satz aus „Chichster Psalms“ von Leonhard Bernstein. Zudem setzte Irina Unruh mit einem Klaviersolo - „Lieder ohne Worte“ – die die Leichtigkeit der Musik des jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy verdeutlichten, brillant um. Anschließend sprachen einige Gäste Grußworte. So Wilfried Bast, Stellvertretender Wiehler Bürgermeister, der vor 30 Jahren selbst erstmals in Israel war und dort damals das Denkmal für die sechs Millionen Juden, die im Zweiten Weltkrieg den Tod gefunden haben, besuchte – das Yad Vashem. Er forderte, immer und immer wieder auf die Gräuel aufmerksam zu machen, die passiert sind. Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier-Heite hatte selbst eine jüdische Großmutter, die diese Gräuel erlebt hat. „Erinnerung wachhalten ist gerade in der heutigen Zeit wichtig!“, forderte sie. Rechtsradikales Gedankengut gebe es immer noch und wieder. Es dürfe keine Vergessenskultur entstehen, deshalb müsse weiter Aufklärung betrieben werden – hier stehe der CJZ seit 25 Jahren im Dienst der Sache. Die Erinnerung an die Auswüchse des Nationalsozialismus bleibe eine Pflicht, betonte Superintendent Jürgen Knabe. Er sprach ein Grußwort für die Evangelische Kirche im Oberbergischen sowie für die katholischen und Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden der Region. Prof Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, befand, dass die CJZ auch als moralische Instanz eine Rolle in der Gesellschaft spiele.

Die nächste Veranstaltung der Oberbergischen CJZ wird am 9. November um 18 Uhr in Nümbrecht stattfinden. Zur Jahresveranstaltung anlässlich des Jahrestages der Pogromnacht 1938 gestalten diesmal Schüler des Dietrich Bonhoeffer Gymnasiums Wiehl die Gedenkstunde an der Gedenkstätte am Jüdischen Friedhof in Nümbrecht.
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