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Politik trifft Pflege

Red; 23. Aug 2013, 11:51 Uhr
Bild: privat --- Als 'Merkzettel' auf dem Weg in den Wahlkampf überreichte Sebastian Wirth (vorne re.) dem Bundestags- abgeordneten Klaus-Peter Flosbach (li.) das Positionspapier 'An die Pflege denken'.
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Politik trifft Pflege

Red; 23. Aug 2013, 11:51 Uhr
Waldbröl - Die Arbeitsgemeinschaft der Diakoniestationen im Oberbergischen Kreis informierte den Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Flosbach über Arbeitsweise und Herausforderungen in der ambulanten Pflege.
„Ich möchte sehen, wie die Gesetze, die wir machen, in der Praxis funktionieren“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus- Peter Flosbach. Die Arbeitsgemeinschaft der Diakoniestationen im Oberbergischen, die der größte Anbieter von ambulanter Pflege im Oberbergischen Kreis ist, hatte ihn ins neue Haus der Diakonie nach Waldbröl eingeladen. In den acht Diakoniestationen betreuen rund 320 Voll- und Teilzeitpflegekräfte rund 900 Patienten pro Jahr in ihrem häuslichen Umfeld. Hinzu kommen rund 1.800 Beratungsbesuche bei Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.

Die Gesetzgebung sei auf die stationäre Altenpflege zugeschnitten und berücksichtige die Besonderheiten der ambulanten Pflege nur unzureichend, erklärten Sebastian Wirth, Geschäftsführer der Diakonie vor Ort. So müssen die Diakoniestationen ihre Leistungen nach zwei unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern abrechnen: Zum einen mit den gesetzlichen Krankenkassen und zum anderen mit der Pflegekasse. Dabei haben die verschiedenen Kassen jeweils unterschiedliche Abrechnungsverfahren. „Das ist das Grauen. Gerade bei den Abrechnungen für die Krankenkassen steigt der Verwaltungsaufwand immer mehr. Die Kassen bezahlen unsere Leistungen zudem nicht mehr kostendeckend “, bemängelte Wirth. Flosbach zeigte sich betroffen: „Ich dachte, zumindest in Bürokratie seien wir gut“, kommentierte er spontan.


Der Aufwand für die Begründung einer Leistung erweise sich in der Praxis allzu oft als unwirtschaftlich. So zieht Beate Lütgebüter, Pflegedienstleiterin der Gemeinde-Diakoniestation Nümbrecht, gelegentlich die Notbremse: Eingeklemmt zwischen dem Zwang zur Wirtschaftlichkeit und Patientenwohl verzichte sie manchmal sogar darauf, der Krankenkasse eine Leistung überhaupt in Rechnung zu stellen oder sich gegen eine von der Kasse gekürzte Rechnung zur Wehr zu setzen. „Der Verwaltungsaufwand ist einfach zu hoch. Und wir sind doch Diakonie“, so Lütgebüter. Selbst wenn die Diakonie anders als private Pflegeanbieter nicht gewinnorientiert arbeitet, müsse sie zumindest kostendeckend wirtschaften, um die Mitarbeitenden nach Tarif bezahlen zu können.

Im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten kam auch die zunehmende Arbeitsverdichtung angesichts gekürzter Leistungszeiten zur Sprache. „Eine Blutzuckermessung soll in vier Minuten vonstattengehen. Zeit für ein persönliches Wort ist da kaum“, bedauerte Anke Weiler, stellvertretende Pflegedienstleitung der Diakoniestation Hückeswagen. Zehn evangelische Trägergemeinden der Diakoniestationen im Kirchenkreis An der Agger bezuschussen deshalb die Zuwendung und seelsorgliche Begleitung in besonders belastenden Situationen.


Auch das Pflegeneuausrichtungsgesetz von 2013 wurde zum Thema. Nach Ansicht der Mitarbeiter der Diakonie, macht dieses Gesetz die Arbeit in der ambulanten Pflege keineswegs leichter. Denn eine pflegerische Leistung wie etwa eine Ganzkörperwaschung kann wahlweise nach Zeitaufwand oder nach Leistung eines seit 1995 kaum geänderten Leistungskomplexsystems abgerechnet werden. Zudem soll ein Patient täglich den Abrechnungsmodus neu wählen können. „In der Praxis führt das Nebeneinander von Zeit- und Leistungspauschale zu einer Entsolidarisierung“, machte Wirth deutlich. Zu befürchten sei, dass Anbieter von ambulanter Pflege künftig nur noch „pflegeleichte Fälle“ behandelten, die in das von der Kasse vorgegebene enge Zeitraster passen. Oder dass Menschen in weiter entfernten Orten nicht mehr versorgt würden, weil es sich einfach wirtschaftlich nicht rechnet, da die Anfahrt nicht kostendeckend bezahlt wird.

Zum Abschluss des knapp vierstündigen Gespräches bedankte sich Klaus-Peter Flosbach für das „Intensivseminar“ in Sachen ambulanter Pflege bei der Diakonie. „ Sie haben mich sensibilisiert für ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Wir werden uns umstellen und andere Schwerpunkte setzen müssen“, so der CDU Kandidat. Die Vertreter der Diakoniestationen gaben ihm das Positionspapier der Diakonie und des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege mit: „An die Pflege denken". Dort sind die Forderungen nach besseren Bedingungen für die ambulante Pflege zusammengefasst.

  
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