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Nach fast fünf Jahrzehnten macht Willi Schluss

uh; 23. Dec 2012, 17:55 Uhr
Bilder: Martin Hütt.
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Nach fast fünf Jahrzehnten macht Willi Schluss

uh; 23. Dec 2012, 17:55 Uhr
Marienheide – Den rollenden Supermarkt von Willi Ommerborn aus Dürhölzen wird es künftig nicht mehr geben – Gestern absolvierte der 66-Jährige seine letzte Fahrt – Speziell die älteren Kunden werden den Service vermissen.
Von Ursula Hütt

Es ist Samstag, 9 Uhr. Pünktlich, wie jeden Samstag, startet Willi Ommerborn seine Tour, zunächst nach Himmerkusen, dann Kotthauserhöhe und Kalsbach. Zuvor hatte er mit seiner Frau Dorothea und einer Angestellten den rollenden Supermarkt mit frischen Lebensmitteln und allem, was man so am Wochenende braucht, ausgestattet. Dass ihm diese letzte Fahrt schwer fällt, sieht man sofort. Willi trägt Trauerkleidung, schwarzer Schlips, schwarzer Pullover und Hut.  

In Himmerkusen wird Willi Ommerborn schon erwartet. Frau Nil bekommt Sprudel, und die Zeitschrift, wie immer. Willi gibt auch Tipps für Kochrezepte: „Nehmen sie nicht die langen dünnen, sondern kurze dicke Mettwürste,  die sind anders gewürzt, dann schmeckt der Spitzkohl besser“,  sagte er. Der Rat wird dankend angenommen. Frau Nil ist 82 Jahre alt. Demnächst, so hofft sie, wird ihre Tochter einmal wöchentlich mit ihr einkaufen.


[Willi Ommerborn begleitet die treue Kundin Inge Müller.]

Inge Müller (78) war kürzlich acht Wochen lang krank, sie konnte das Haus nicht verlassen. Aber die Versorgung mit Lebensmitteln war kein Problem, denn Willi hatte den Haustürschlüssel. Der Einkaufszettel lag stets auf dem Wohnzimmertisch, und die Lebensmittel wurden von Willi bis in die Küche geliefert. Frau Müller wird nicht nur den Service vermissen, sondern auch das „Strungsen“, denn Willi kannte alle Neuigkeiten.



In Kotthauserhöhe wartet schon Frau Marx. Sie ist 84 Jahre und sehbehindert. Den Einkauf schafft sie, mit Willis Hilfe, noch allein. Zum Bezahlen gibt sie ihm die Geldbörse mit den Worten: Hier, nehmen sie sich, was sie brauchen“. Willi macht´s. In Kalsbach steht schon Erna Lusebrink mit einigen Nachbarinnen bereit. Die Stammkundinnen bekommen zum Abschied einen Schnaps ausgeschenkt. Sobald eine Kundin die beiden Stufen in den Verkaufswagen hochsteigt, liegt mit einem Griff die passende Wochenendzeitschrift auf dem kleinen Verkaufstresen. Willi weiß, was Frauen wünschen. Er kennt deren Geschmack und weiß, was am Wochenende gelesen wird. Ottomar Lusebrink hat keine große Lust, demnächst zum Lebensmitteldiscounter zu fahren.  „Schätze, wir werden verhungern“, sagt er mit einem schelmischen Lächeln.

Willi Ommerborn hat von 1960 bis 1963 seine Ausbildung in einem Delikatessengeschäft in Gummersbach absolviert. Damals, im Alter von 16 Jahren, hat er ohne Führerschein,  Lebensmittel bis Marienheide ausgeliefert. Sein Ausbilder saß oft neben ihm, auf dem Beifahrersitz. Aber dieses Vergehen ist heute wohl verjährt. Als er sich dann in einer Gummersbacher Fahrschule zum Führerschein anmelden wollte war der Fahrlehrer allerdings sprachlos. „Wie, du hast keinen Führerschein? Das kann doch nicht wahr sein, du fährst doch schon die ganze Zeit“, sagte dieser ziemlich verblüfft.


[Ein letztes Mal war Ommerborn für die Kunden da.]

Die Eltern von Willi Ommerborn hatten 1941 das Lebensmittelgeschäft in Dürhölzen aufgebaut.  48 Jahre lang hat er Marienheide und die umliegenden kleinen Orte mit Lebensmitteln versorgt. Sein rollender Verkaufswagen ist inzwischen 20 Jahre alt und bekommt keine neue TÜV-Plakette. Eine Reparatur ist zu teuer und eine Neuanschaffung lohnt sich nicht mehr, denn Willi ist 66 Jahre alt und eigentlich schon im Rentenalter. Einen Nachfolger gibt es nicht.  Heidi Lemmer aus Kalsbach hat das Problem erkannt. „Für den, der kein Auto hat und dessen Kinder nicht in der Nähe wohnen, wird es schwierig, hier ist Nachbarschaftshilfe notwendig. Vielleicht bilden sich ja Fahrgemeinschaften“, sagte sie.

Besonders die älteren Kundinnen werden ihn vermissen, den Willi und seinem rollenden Supermarkt mit der Aufschrift: Obst – Gemüse – Backwaren – Molkereiprodukte.
  
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