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Kramen in der Fundgrube

Red; 9. Jul 2012, 00:22 Uhr
Bilder: privat.
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Kramen in der Fundgrube

Red; 9. Jul 2012, 00:22 Uhr
Engelskirchen – Die „AWO-Fundgrube“ bietet alles, was man zum Leben braucht zum kleinen Preis – Seit 28 Jahren ist das Team mit Herz dabei.
Kleidung für Männer, Frauen, Kinder, Haushaltswaren, Spiele, Bücher, in der Adventszeit Weihnachtsschmuck, kurz vor Karneval Kostüme – in der „Fundgrube“ der AWO Engelskirchen finden Kunden alles, was man so im Leben braucht. Außer Lebensmittel und Möbel. Und alles zum Schnäppchenpreis. Weil das ja Sinn des Kleinstkaufhauses an der Bergischen Straße ist: Menschen, die nicht viel haben, die Möglichkeit zum Second-Hand-Kauf zu ganz kleinen Preisen zu ermöglichen. Dieses Konzept geht nun schon seit 28 Jahren blendend auf, die Kunden stehen vor Ladenöffnung mitunter Schlange.


Das ist dienstags und donnerstags um 14:30 Uhr. Wenn dann das jeweilige Verkaufsteam aufschließt, „sieht es teilweise vor der Tür aus wie an einer Bushaltestelle im Hochbetrieb“, beschreibt es Ursula Küssner: Eine Menschentraube steht vorm Geschäft und wartet auf Einlass. Die Gründe dafür hängen fein säuberlich auf Bügeln an den Kleiderständern und locken als Stapel- und Zugreifware in Regalen. Und zwar fast alles durchaus modisch und gepflegt. Dass es sich hier um Röcke, Blusen, Kleider, Hosen oder Hemden aus zweiter Hand handelt, ist – wenn überhaupt – erst auf den dritten Blick zu erkennen. Was dem an Arbeit vorangeht, zeigt ein einziger langer Blick hinter die Kulissen. Das fängt mit dem eigenen Lieferwagen an. Ein weißer VW Caddy mit dem AWO-Herz. Auf den sind die „Fundgrübler“ stolz. Das ist ihr Auto, das sie aus eigener Kasse unterhalten. Damit holen sie säckeweise Textilien und kistenweise Hausrat ab. Alles gespendete Sachen. Da komme pro Monat Erkleckliches zusammen, erzählen sie.

Im Hinterzimmer macht sich ein Frauenteam daran, die Kleidung zu sichten. Was unmodern, beschädigt oder gar schmutzig ist, wandert gleich in den blauen Beutel fürs Untragbare. Versiert gehen die Damen zu Werke, da wird nicht lamentiert oder gezögert – was nichts ist, kommt weg. Die guten Sachen werden etikettiert, noch mal kurz aufgebügelt und nach Größen geordnet in die entsprechenden „Abteilungen“ des Verkaufs gegeben. Aber Vorsicht mit der eigenen Jacke oder dem eigenen Pullover, der da im Sortierkämmerchen über dem Stuhl hängt. „Vor kurzem war eine Jacke von mir schon fast verkauft“, sagt Annemarie Dick und lacht.


Gelacht wird überhaupt viel im Lädchen. Da ist eine muntere Truppe beisammen, die Spaß an dieser Arbeit und am Helfen hat. „Jeder macht hier gern alles“, bringt es Halina Kaiser auf einen Nenner. „Es bereitet Freude, etwas für andere zu tun, etwas zurückgeben zu können im Leben.“ Dann macht sie sich daran, Brötchen für die Belegschaft zu schmieren und Kaffee zu kochen. Auch das gehört dazu. Draußen im Laden hat sich vorm Kassentisch eine kleine Schlange gebildet. Einige Kundinnen sind fündig geworden, ein junger Mann stöbert noch im Ständer mit den Herrenhosen. Einen weißen Blazer und ein hellblaues Top hat eine junge Frau für sich entdeckt. Acht Euro soll sie dafür zahlen, gibt gern zehn.



Ursula Küssner strahlt, streicht den Schein ein und steckt ihn ins Geldkistchen. Auch das sei schön, gesteht sie. „Wenn man abends sieht, dass es sich wieder gelohnt hat.“ Wobei sie persönlich und die anderen Ehrenamtler natürlich nichts vom Umsatz haben. Denn die Ladenmiete und der Unterhalt des Autos werden aus der Kasse bezahlt, eventuelle Überschüsse in AWO-Einrichtungen wie Kindergärten gesteckt. Und in die AWO-Seniorenfeier, die traditionell im November stattfindet. Wie aufs Stichwort tönt aus dem Seniorentreff gleich nebenan Lachen herüber.

Im Rentenalter sind einige aus dem Fundgrubenteam. Die älteste Aktive sei wohl die Hilde, erzählt die Donnerstagsbelegschaft. Hilde Oberbüscher, jahrzehntelang Galionsfigur des legendären Engelskirchener Mütterkaffees in der Karnevalszeit und 1984 Mitgründerin der Fundgrube, ist inzwischen 89. „Die kommt jetzt immer mit dem Bus, hat ja ihren Führerschein abgegeben“, berichtet Hermann-Josef Froitzheim, einer der wenigen Männer im Team. Mit in der Truppe ist auch die AWO-Kreis- und Bezirksvorsitzende Beate Ruland. Wie alle anderen ist sie stolz auf „ihre“ Fundgrube. Kann sie auch. Frei nach der Binsenweisheit: Wenn es diese Einrichtung nicht gäbe, müsste sie erfunden werden. Außer dienstags und donnerstags von 14:30 Uhr bis 18:00 ist der Laden jeden ersten Samstag im Monat von 10 bis 13 Uhr geöffnet.
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