Bilder: Björn Loos --- Dieter Jacobs und sein Wohnzimmer, das er bald nicht mehr ganz so häufig zu sehen bekommt.
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'Mein Lebensrhythmus wird sich verändern'
Nümbrecht - Am Sonntag tritt Dieter Jacobs nach 16 Jahren beim TuS Homburg-Bröltal in den Trainer-Ruhestand - OA begab sich mit dem Coach auf eine Rundreise zu den wichtigsten Stationen seiner Laufbahn.
Als Dieter Jacobs sein Traineramt beim damaligen B-Ligisten TuS Homburg-Bröltal antrat, war die deutsche Nationalmannschaft wenige Tage zuvor Europameister geworden. Im oberbergischen Fußball spielte der Verbandsligist SSV Marienheide die erste Geige. Und genau dieser SSV Marienheide war an einem der frühen Highlights der Ära Jacobs beteiligt. Der Underdog forderte den turmhohen Favoriten im Kreispokal-Halbfinale heraus und gewann nach Elfmeterschießen. Auf dem Grötzenberg war die Hölle los. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat man gemerkt, welche Euphorie in diesem Verein herrscht, blickt Jacobs zurück.Am kommenden Sonntag wird er zum letzten Mal an der Seitenlinie stehen und vielleicht zieht in diesen 90 Minuten auch die Episode mit der Pokal-Überraschung von 1999 an seinem geistigen Auge vorbei. Gegen 16:45 Uhr erfolgt nach 16 Jahren der ultimative Abpfiff zumindest für den Trainer Dieter Jacobs. Bisher habe ich das unterbewusst vor mir hergeschoben, aber ich habe schon beim letzten Heimspiel gemerkt, dass es nicht einfach ist. Ich bin gespannt, was am Sonntag passiert. Dass es kein vollständiger Abschied wird, war frühzeitig klar. Dafür ist die Verbindung zwischen Klub und Coach viel zu eng. Nicht umsonst war auf einem Banner, das am vergangenen Wochenende enthüllt wurde, zu lesen: Er kam als Trainer und bleibt als Freund.
[Erst Rasen, dann Asche, jetzt Kunstgrün --- in Brüchermühle verbrachte Jacobs viele Jahre.]
Jacobs wird dem TuS also weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen - hauptsächlich im Bereich der 1. Mannschaft, die er an Thorsten Nehrbauer übergibt. Mit ihm haben wir den absolut richtigen Mann gefunden, ist Jacobs von seinem Nachfolger, der seit der Winterpause mit dabei ist, überzeugt. Der Fußball spielte früh eine große Rolle in Jacobs Leben. Als Steppke kickte er mit den Nachbarjungs auf den Wiesen in seinem Heimatort Heienbach. Mit sechs Jahren meldete er sich beim TuS Brüchermühle an. Anfangs gab es dort einen Rasenplatz. Den haben wir Jugendliche immer gemäht, damit wir spielen können. Später erfolgte der Sprung zu den Senioren. Die Kameradschaft war groß und ich hatte auch immer gute Trainer, gab es keinen Grund, über einen Wechsel nachzudenken.
Selbst als es mit dem TuS sportlich bergab ging, hielt ihm Jacobs die Treue. Erst wurde er Spielertrainer der Reserve, dann übernahm er die 1. Mannschaft. Und weckte das Interesse des TuS Homburg-Bröltal. Ich bin damals von Bernd Hasenbach angesprochen worden. Wir kamen schnell auf einen Nenner. Wie sich später herausstellte, war es genau der richtige Schritt. Nach dem Einstieg von Jacobs war die sportliche Entwicklung rasant: In der zweiten Spielzeit glückte der Aufstieg in die Kreisliga A. Damals haben wir Spiele gewonnen, die man eigentlich nicht mehr gewinnen kann, erinnert sich der 50-Jährige an die Aufbruchsstimmung in der Anfangszeit zurück. Der Kader war mit ausgezeichneten Kickern besetzt, was auch der eigenen Jugendarbeit zu verdanken war. Die U19 spielte zwischenzeitlich sogar in der Verbandsliga.
[Auf dem Aschenplatz von Baris Spor Hackenberg wurden im wahrsten Sinne des Wortes viele Schlachten geschlagen - eine entscheidende verloren die Bröltaler.]
Der THB entwickelte sich zu einer ernstzunehmenden Größe, die sich der Unterstützung der Fans sicher sein konnte. Wir sind mit allen Zuschauern in die Vereinskneipe gefahren und haben dann die Ergebnisse von den anderen Plätzen abgewartet. Das Resultat des größten Konkurrenten haben wir uns immer bis zum Schluss aufgehoben und wenn er verloren hatte, war natürlich richtig was los. Zwar musste man nach dem ersten Sprung auf Verbandsebene für eine Saison zurück in die A-Klasse, doch seit 2003 gehört der Verein zum Inventar der Bezirksliga und sorgte parallel dazu in Kreis- und FVM-Pokal für Furore. Dreimal gewann man den bergischen Wettbewerb, dazu kamen die Höhepunkte im Verbandscup gegen Bayer Leverkusen II, Fortuna Köln und Viktoria Köln. Den Anhängern der Höhenberger gefiel es auf dem Grötzenberg so gut, dass sich eine Fanfreundschaft entwickelte. Wenn die Kölner wie beim Derschlager Budenzauber in der Region vorbeischauen und die Lager sich verbrüdern, wird es feucht, fröhlich und laut.
Die winterliche Hallenrunde war Jacobs immer wichtig. Wir hatten die richtige Mannschaft dafür, mit der passenden Mischung aus Temperament und Technik. In der Liga ging es zunächst bergauf und -ab, ehe die Bemühungen um den Aufstieg in der jüngeren Vergangenheit intensiviert wurden - ohne Erfolg. 2011 stand man kurz vor dem großen Coup, gab aber eine ausgezeichnete Ausgangsposition noch aus der Hand. Wenn wir beim vorletzten Spiel gegen Deutz als Sieger gegangen wären, hätten wir es tausendprozentig geschafft. In der 90. Minute hat der gegnerische Keeper einen Unhaltbaren von Fitim Dauti aus dem Winkel gefischt, erinnert er sich.
[Die Hallenkicks wie der Budenzauber in Derschlag bereiteten Jacobs immer besonders viel Freunde.]
Zum Abschluss pilgerten mehr als 1.000 Zuschauer auf den Stentenberg, um das Treffen zwischen Hackenberg und Bröltal zu verfolgen. Baris Spor gewann mit 3:0, sicherte damit den Klassenerhalt und schickte den Kontrahenten endgültig ins Tal der Tränen. Unsere Ausgangsposition war schlecht, zumal wir die Ergebnisse von den anderen Plätzen kannten. So war es schwer, die Motivation zu behalten. Die bittere Erfahrung aus dem Vorjahr habe ihm die ein oder andere unruhige Nacht beschert. Mittlerweile kann ich aber sehr gut damit umgehen. Die Derbys werden Jacobs fehlen. Diese Spiele machen den Fußball doch aus. Da brennt der Baum, da sind Emotionen drin. Ich finde es beispielsweise schade, dass Vereine wie Hermesdorf und Waldbröl sich nicht in der Bezirksliga halten konnten.
Nur einmal in der langen Zeit beschäftigte er sich mit einem Weggang vom Grötzenberg, als Anfang 2006 der SSV Bergneustadt anklopfte. Nach 14 Tagen Bedenkzeit war klar, dass er bleibt. Kurz darauf wurde die Vision 2010, so der Titel des Sportplatz-Modernisierungskonzepts, in Angriff genommen. Das war eine enorme Energieleistung von Verein, Vorstand und den vielen Leuten, die mitgeholfen haben. Die Infrastruktur stimmt, das Sportliche auch. Offenbar der richtige Zeitpunkt, um sich zurückzuziehen. Was sicherlich auch Ehefrau Petra freut, die jedoch nie den Zeigefinger gehoben hat. Die Entscheidung, ob ich weitermache, war immer mir überlassen. Meine Frau ist selbst im Verein aktiv und hätte es auch als positiv empfunden, wenn es weitergegangen wäre.
[Dieter Jacobs vor dem Dorfhaus in Heienbach - hier wird er künftig häufiger zu finden sein.]
Ab kommender Woche wird das bislang gewohnte Programm heruntergefahren. Mein Lebensrhythmus wird sich verändern, weiß Jacobs, der die frei werdende Zeit der Familie und der Dorfgemeinschaft Heienbach, bei der im 21. Jahr als Vorsitzender fungiert, widmen will. Was er mit dem Fußballklub erreicht und erlebt hat, wird ihm vielleicht erst am Sonntag richtig bewusst. Es gibt so viele Momente, die ich niemals vergessen werde, sagt der Coach, der selbst kurz vor seinem (Teil-)Abschied die Zukunft seines TuS Homburg-Bröltal nicht aus den Augen verliert: Das Wichtigste ist, dass wir uns als Verein weiterentwickeln.
