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Zu Unrecht unbeliebt durch Horrormärchen: die Hornissen

om; 29. Aug 2001, 23:38 Uhr
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Zu Unrecht unbeliebt durch Horrormärchen: die Hornissen

om; 29. Aug 2001, 23:38 Uhr
(om/29.8.2001-22:10) Oberberg - Völlig zu Unrecht lösen Hornissen, unsere größte heimische Wespenart, bei vielen Menschen regelrechte Panik aus – drei Fachleute gaben nun Auskunft über den richtigen Umgang mit diesen Insekten.
[Bilder (2): Oliver Mengedoht --- Christine Wosnitza präsentierte ein altes Hornissennest und wies zum Dach, wo die Insekten hinter einer Ritze ein neues "Zuhause" haben.]



In den Bereich der Fabeln und Märchen gehörten die meisten der weit verbreiteten Behauptungen über die Hornisse, so Imker Jürgen Behrends, Volker Scheffels-von Scheidt – Artenschutzbeauftragter der Kreisverwaltung – und der Leiter der Biologischen Station Oberberg, Frank Herhaus. In einem Pressegespräch im "Roten Haus" bei Schloss Homburg – wo sich auch ein bewohntes Hornissennest befindet – erläuterten die drei Experten, was es mit der Hornisse nun wirklich auf sich hat.



Sie zählen zur Gruppe der Hautflügler, zu der auch die anderen uns bekannten Wespenarten gehören, wie die Gemeine oder die Deutsche Wespe. Oft werden die Hornissen als überaus gefährlich für Mensch und Tier bezeichnet. Tatsächlich sind Hornissen-Stiche aber nicht gefährlicher als die von Bienen oder anderen Wespen. Auch ist nur wenigen bekannt, dass Hornissen eine beträchtliche Menge anderer Insekten an ihre Brut verfüttern. In Streuobstwiesen und Gärten, wo sie ihre Nester vorwiegend in hohlen Bäumen oder anderen Hohlräumen bauen, tragen sie auf diese Weise zum Erhalt des ökologischen Gleichgewichts bei.



Vor allem gegen Ausgang des Sommers sieht man sie oft an blutenden Baumstämmen oder an Fallobst. Niemals aber verirren sich Hornissen an die Kaffeetafel, so dass sie im Gegensatz zu den häufigen Wespenarten nicht lästig in Erscheinung treten. "Die Hornisse zeichnet sich gerade durch ihre Ruhe und Duldsamkeit aus", betonte Herhaus.

[So sieht ein Hornissennest aus.]



"Schauermärchen wie 'Sieben Hornissen töten ein Pferd, drei einen Erwachsenen und zwei ein Kind' haben dazu geführt, dass die Hornisse regelrecht verfolgt wird", so der Artenschutzbeauftragte Scheffels-von Scheidt. Ein drastischer Rückgang der Hornissenvorkommen sei die bedauerliche Folge solcher Märchen. 1987 wurde deshalb die Hornisse im Bundesartenschutzgesetz als "besonders geschützte Art" aufgenommen.



Nach den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes dürfen besonders geschützte Arten nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. Auch die Beschädigung oder Zerstörung der Nist- und Brutstätten ist verboten. In absoluten Ausnahmefällen können Genehmigungen zur Umsiedlung eines Nestes erteilt werden, wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben eines Menschen besteht oder wenn ein Nest einer Baumaßnahme im Wege steht, die nicht im Win-terhalbjahr durchgeführt werden kann.



Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Umsiedlung sehr aufwendig und teuer ist, da sie nur von einem erfahrenen Fachmann ausgeführt werden kann. Solch eine Umsiedlung sei in den letzten zehn Jahren im Oberbergischen Kreis nur zwei Mal vorgekommen, erklärte Scheffels-von Scheidt. In der Regel müsse der Antragsteller die Kosten selbst tragen.



Erst 150 bis 180 Stiche pro Kilogramm Körpergewicht tödlich



Oft reichen aber einfache Maßnahmen aus, die Hornissen aus dem unmittelbaren Wohnbereich herauszuhalten. Das Anbringen von preisgünstigen Fliegengittern an Fenstern wäre eine solche Maßnahme, die eine Durchlüftung der Wohnräume gewährleistet, ohne dass Insekten (z. B. Stechmücken, Fliegen, Wespen) in das Gebäude eindringen können. So sei eine problemlose Nachbarschaft zwischen Mensch und Hornisse auch auf engem Raum möglich.

[Bilder: Vera Marzinski --- Trotz ihrer fast beängstigenden Größe sind sie keine Horrorwesen.]



Die als schwarz-gelbe Horrorwesen verschrieenen Hornissen nehmen bei den meisten Menschen einen der rangniedrigsten Plätze auf der Beliebtheitsskala der Insekten ein. "Die negative Einstellung gegenüber diesen Insekten beruht hauptsächlich auf falschen Überlieferungen bezüglich des Verhaltens der Tiere und der Giftwirkung des Hornissen-Stiches", betonte auch Frank Herhaus, Leiter der BSO. Hornissen seien entgegen der weitläufigen Meinung keineswegs aggressiv, versicherte Herhaus. "Außerhalb des Nestbereiches sind sie vielmehr vorsichtig und fluchtbereit. Hier greifen sie den Menschen niemals an." Nur in unmittelbarer Nähe des Nestes, etwa vier Meter um dieses herum, reagierten sie mit Angriffen auf Störungen. Besonders immer wieder gestörte Hornissen-Völker entwickelten ein gesteigertes Verteidigungsverhalten, wogegen Völker, die in Ruhe gelassen werden, nur sehr wenig zu Angriffen neigen.



Ein weiterer großer Irrtum bestehe bezüglich der Giftwirkung des Hornissen-Stiches. Etwa 0,16 bis 0,19 Milligramm Gift injiziere eine Hornisse mit einem Stich. Etwa 150 bis 180 Stiche pro Kilogramm Körpergewicht würden tödlich wirken und somit könne die Fabel, dass drei Hornissenstiche einen Menschen töte, widerlegt werden, so Herhaus.

[Beim Pressetermin gaben Imker Jürgen Behrends (links), Volker Scheffels-von Scheidt und Frank Herhaus Informationen zum Umgang mit Hornissen.]



Eine Gefahr könne dagegen bei Allergikern bestehen. Hier könne, ähnlich wie auch bei Bienen oder Wepsen, schon ein Stich zum Auslösen von ernsten Störungen genügen. Hinweise auf allergische Reaktionen sind über die Norm hinaus gehende Schwellungen, Rötungen an der Einstichstelle, Hautreaktionen fernab der Stichstelle sowie Atem- und Kreislaufbeschwerden – hier sei sofort ein Arzt aufzusuchen.



Jürgen Behrens, der seit 35 Jahren im Oberbergischen lebt und über 30 Jahre als Imker tätig ist, erzählte von seinen Erfahrungen mit Überreaktionen mancher Leute beim Anblick von Hornissennestern. Das Nest baue die Hornisse aus zermalmtem Holz, welches sie mit Speichel vermische. Architektonisch ausgetüftelte Gebilde mit Kanälen für die Luftzirkulation seien das Ergebnis. Jedes Nest: das Werk einer Jungkönigin.



Im Gegensatz zu den als ganze Volkseinheiten überwinternden Honigbienen bilden die in unseren Breiten geselligen Wespen, zu denen auch die Hornisse gehört, nur einjährige Sommerstaaten. Die Königinnen überwintern dagegen in Baumlöchern und Dachstühlen, wobei ihnen Kälte nicht viel ausmacht, da sie einen speziellen Stoff gegen Frost produzieren.



Aus ihrer Winterstarre erwacht, besucht die Jungkönigin zunächst Blüten, um Nektar zu sau-gen. Nach einigen Tagen der Stärkung wählt sie einen geeigneten, wind- und wettergeschützten Nistplatz aus und beginnt mit dem Bau der ersten Zellen, an einem kurzen, etwa nageldicken Zapfen.



Bis zum Herbst kann das bald deutlich langgestreckte Nest, sofern es frei hängt, eine Höhe von etwa 60 Zentimeter bei 30 Zentimetern Durchmesser erreichen. In Hohlräumen müssen sich die Tiere natürlich am verfügbaren Raum orientieren. Die Volksstärke liegt auch bei großen Nestern stets unter 1.000 Tieren, erreicht also bei weitem nicht die Größenordnung der Wespe. Im September oder spätestens im Oktober gehen die Staaten zugrunde und nur die jungen, begatteten Weibchen überleben, um im Frühjahr einen neuen Hornissenstaat zu gründen.

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