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Partisanen in Müllenbach - Berüchtigte Schmückfeiern beim Schützenfest

adi; 26. Jul 2001, 11:29 Uhr
Oberberg Aktuell
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Partisanen in Müllenbach - Berüchtigte Schmückfeiern beim Schützenfest

adi; 26. Jul 2001, 11:29 Uhr
(adi/25.7.2001-14:50) Von Dirk Adolphs
Marienheide-
Müllenbach - Am Wochenende feierten die Müllenbacher Schützen im 444. Jahr ihres Bestehens ein berauschendes Schützenfest zu dessen Höhepunkten gewiss das Königsvogelschießen am Sonntagnachmittag zählte.

[Bilder: Adi --- Der neue König Veit Gaudich wird von seinen Mitbewerbern der berüchtigten T-Shirt Kommission auf Schultern zur Festhalle getragen.]



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Zum Bericht über den Festkommers geht es hier!



Weitere Bilder vom Schützenfest in Müllenbach!



Ältere Berichte:

-"Bussard zum Brecher" wartet auf Bezwinger und "Dicke Berta" begrüßte neuen Turm

-Veit Gaudich erlegte "Bussard vom Brecher" - Neuer König in Müllenbach)



Diesen Wettstreit konnte der 25-jährige Veit Gaudich für sich entscheiden. Britta Berges steht ihm in seinem Regentenjahr als Königin zur Seite. Der Kinderkönig heißt Julian Schenk und kommt aus einer alt-eingessenen Müllenbacher Schützenfamilie, ebenso wie seine Erwählte, die Kinderkönigin Sina Hevendehl. Die Familien gehören schon seit Generationen dem Schützenvolk an.

[Die Partisanen-Veteranen schwelgen in Erinnerungen...]



Im Verlauf des Festkommers am Samstagabend wurden für die 50-jährige Vereinszugehörigkeit folgende Mitglieder zu Ehrenmitgliedern ernannt: Karl-Friederich Bahs, Marienheide - Manfred Berges, Rodt - Gerhard Hell, Müllenbach - Willi Schäfer, Müllenbach - Günter Schenk, Müllenbach und Wilhelm Viebahn, Müllenbach. Auch für 25- und 40-jährige Treue zu den Schützen wurden zahlreiche Mitglieder ausgezeichnet, für besondere Verdienste bekamen Walter Niehaus, Stefan Viebahn und Klaus Zapper einen Orden, Oberstleutnant Matthias Pack erhielt für sein Engagement im Verein den großen Verdienstorden.

[...während die Jüngeren erstmal ihr diesjähriges T-Shirt-Motiv hoch leben lassen.]



Horrido - Moment mal! War das alles, was zu berichten ist über dieses Wochenende? Nein, gewiss nicht. Da gab es noch so einige Dinge mehr, welche der Erwähnung wert sind - setzen Sie sich zurück, entspannen Sie sich und geleiten Sie uns zurück zum vergangenen Freitag.

[Der Fahnenträger der Partisanen Carsten Sachs präsentiert den von seiner Majestät Axel erbrachten Wegezoll: einen Tragegurt für die Fahne.]



Nachdem die letzte Arbeitssitzung des Vereins am Vortage (wir berichteten) keine nennenswerten Mängel für den reibungslosen Ablauf des diesjährigen Schützenfestes aufgetan hatte, wurden die schon im Laufe der Woche aufgestellten Fahnenstangen mit grün-weißen Wimpeln bestückt. Diese Arbeit ist gewiss wichtig, doch allein bestimmt nicht der Erwähnung würdig, gäbe, ja gäbe es da nicht die vielen im Anschluss an vollbrachte Taten berüchtigten Schmückfeiern.

[Auf den Schultern der Älteren wächst stützt sich schon die nächste Generation, so ist eine Fortsetzung der Tradition gewährleistet.]



Überall in dem kleinen Dorf Müllenbach sowie auch in seinen Nachbardörfern Dannenberg, Rodt, Börlinghausen und Dahl sowie Obernhagen kündete Tanz- oder Unterhaltungsmusik von geselligem Beisammensein. Der Grund: Es treffen sich die Einheimischen an traditionellen Stellen, um das Schützenfestwochenende einzuleiten. Insgesamt 15 solcher kleinen Kolonien fuhr seine Majestät „Axel der Große“ mit seinem Oberhofmarschall Matthias Pack standesgemäß in einem schwarzen 220-er Mercedes Baujahr 1961 an diesem Abend ab.

["Ja, das ist sie die Mülltonne die eine Musikbox sein wollte!".]



Überall gab es einen freudigen, ja schon fast familiären Empfang, was nicht erst an diesem Abend die Beliebtheit "seiner Majestät" bei seinem Volke unter Beweis stellte. „Es war nach einem solchen Hofjahr gewiss einer der ganz großen Höhepunkte für mich, aber es fiel mir auch auch sehr, sehr schwer, an diesem Abend den Zeitplan einzuhalten, da ich gerne überall hätte verweilen wollen. Unser Verein ist wirklich wie eine große Familie! Diese als Majestät zu erleben, diese Gefühl kann man gar nicht beschreiben!“

[Die Fahne wird stets gut bewacht.]



Wenn dieser gestandene junge Mann dieses äußert, man in seinen Augen das Feuer erblickt und sein Gesicht ein unvergleichliches Strahlen abgibt, überkommt einen eine gewisse Ahnung, was es heißt, einmal in „Möllenbicke Könich to sin!“



Später des Abends versammelten sich über 300 der "Untertanen" in der Residenz von König Axel und Königin Miranda, dem Landhaus Wirth auf dem Rodt. Eine Live Band sorgte für ausgelassene Vorfeststimmung bis in den frühen Morgen hinein.



Tja, ja der frühe Morgen. Es ist die Rede vom frühen Samstagmorgen. Eingeweihte wissen, wovon nun die Rede ist. In keinem Programmheft , in keiner Zeitung, noch nicht einmal auf den Plakaten wird auf diesen Termin hingewiesen: der Partisanenfrühschoppen.

[Ein jeder Schütze hat eine Mütze und diese immer mindestens eine Taufe hinter sich.]



“Moment mal! Partisan? In Müllenbach? Haste Fieber?“ - so fällt die Antwort aus, falls man seinem desinformierten Gegenüber etwas von den Gebräuchen der Müllenbacher Schützen bezüglich Partisanen erzählt.



Partisan, Partisan...?! Was ist das nochmal? Wo gibt es die nochmal? In Südamerika doch, aber hier im Rheinischen, im Oberbergischen, gar in Müllenbach? Manch ungläubiger Blick wurde schon aufgeschnappt beim Gespräch über diese Gruppierung, aber was sagt denn der Brockhaus über dieses Wort? "Partisan: Anhänger; Parteigänger; Freischärler; Wiederstandskämpfer. Partisanen sind Gruppen oder Verbände von Freiwilligen, die sich aus den Bewohnern eines besetzten Gebietes bilden, um außerhalb des Verbandes der Streitkräfte den Kampf gegen den eingedrungenen Kriegsgener zu führen."



Nun wollen wir hier natürlich nicht über irgendeine Kriegsverherrlichung berichten, eher entspricht das Erlebte der Verweigerung oder Missachtung von „altbackenen Grünrock-Schützenbräuchen“ sowie der Tatsache, dass einige ganz eigene Programmpunkte im Verlaufe des Schützenfestes gestaltet werden.

[Das Tagewerk der jüngeren besteht hauptsächlich aus der "Wegelagerei".]



Entstanden sind die Müllenbacher Partisanen aus der Schmückfeier im Jahre 1982. „Eigentlich war es halt nur so eine lustige Idee zum Ansporn, wie jeder unserer Gemeinschaft am morgen nach der Schmückfeier schnell wieder auf die Beine zu kriegen sei. Es galt die Absprache das wir uns morgens beim Ernst (Zapfer und Besitzer vom Haus Müllenbach) treffen, und wer als letztes kommt, bezahlt", erinnert sich ein 'Partisan'.

[Opfer gefunden, dann im Gleichklang. "Wir woll'n dich tanzen sehn, wir woll'n dich tanzen sehn..."]



"Der Frühschoppen bestand pro Person aus einer Portion Bratkartoffeln, Rührei mit Speck, einem halben Liter Bier und - nicht zu vergessen - einem Wacholder!“ So weiß einer der Mitbegründer dieser mitlerweile 19-jährigen Tradition zu berichten. Seinen Namen wollte er jedoch gemäß dem Brauch nicht kundtun.

[Auch die beste Wirtin benötigt mal einen "Pit-Stop".]



„Da gab es früher den Leutnant Hennies“ so der Partisanen-Veteran weiter, „welcher uns sehr wohl gesonnen, und dessen Fürsprache uns sehr gewiss war, den hätte man bald seiner Ehren- und Ordensabzeichen beraubt als Sympathisant der Partisanen. Aber wir haben uns wacker für ihn und unsere Sache eingesetzt. So bekamen wir bald eine eigene Fahne mit richtiger Stange - die erste war eine alte, 'aus einem Garten besorgte' Bohnenstange -, eigene Schärpen und das Zugeständnis, sonntags beim großen Festumzug mitmarschieren zu dürfen. Natürlich mit unserer eigenen Kapelle!"



"Es glich damals einer kleinen Revolution, aber wenn man sieht, wie es heute gehandhabt wird, kann man nur sagen, dass wir es richtig gemacht haben, damals, im Untergrund." Mit einem verschmitzten Lächeln kommen noch Geschichten über die Lippen des Erzählers, dass man sich kaum verwehren kann, zuzuhören und ihn zu begleiten in die fast vergessenen Zeiten. Heute wäre ein Schützenfest ohne Partisanen, ihren eigenen Abkürzungen während des Marsches, den damit verbundenen Späßen und ihrer eigenen Texte zu den Schützenmärschen langweilig, vielleicht schon gar nicht mehr vorstellbar.

[Schon in jungen Jahren entwickeln sich Wettbewerbe um die Gunst einer eventuellen Königin.]





[Papas Marsch! Papas Mütze! Papas Schuhe?]



An die 120 Partisanen nahmen an dem sagenumwobenen Frühschoppen am Samstagmorgen teil. Spätestens zehn Minuten nach Beginn um 9:40 Uhr, mit dem Einmarsch der widerspenstigen Edelhoff-Mülltonne die lieber eine Musikbox sein wollte, und den aus ihr dröhnenden Rhythmen wusste jeder der Anwesenden diesen Moment zu schätzen. Kommt doch ein Zugehörigkeitsgefühl der

Kameradschaft zustande, welche seines gleichen sucht. Dieses geschieht mitunter nicht nur durch Alkohol, denn so mancher Partisan weiß diese

Feierlichkeit auch nüchtern zu genießen.

[Zur Kranzniederlegung am Ehrenfriedhof angetreten.]



Manch einer gehört im "zivilen Vereinsleben" auch als Offizier den Uniformierten an, aber seine Kindheit im Schoße der Partisanen leugnet niemand. So ist auch die T-Shirt-Kommission ein Kind dieser Bewegung und feiert dieses Jahr ihren zehnten Geburtstag. Was lag da näher, als in solch einem Jubiläumsjahr den König zu stellen? Aber dazu später mehr.



Dieses Jahr hatte die Kommission gleich zwei ihrer legendären Shirt's kreiert: Ein offizielles

mit dem Konterfei eines fast unbekannten Müllenbacher Schankwirts nebst Anspielung auf seine selbst erfundene und allerorts gefürchtete Biersorte "Kö-Da-Wa" und eins für den öffentlichen Verkauf, das in grünen Farben und mit dem Schriftzug des Vereins versehen war. Der Verkaufserlös der 300 Exemplare soll dem Neuaufbau des Schießstandes zugute kommen.



Während die "Veteranen" innerhalb ihrer Partisanenburg ein munteres Pläuschchen führten und so mancher Gesell nach langer Abwesenheit und

weiter Reise dem Treffen beiwohnte, gingen die Jüngeren dem Tagesgeschäft nach: Bewaffnet mit einer Verbotstafel und dem Hinweis auf den "Paragraphen 0.9: KEINE FRAUEN IM VEREIN" blockierten sie die Ortsdurchfahrt Müllenbachs für jedes weibliche Wesen. Erst nach Folgeleistung zur Auforderung eines Tanzes

wurde die Fahrstrecke freigegeben.



Manch ein Partisan wurde durch den zum Schützenzug auffordernden Böllerschuss der Kanone gegen Abend an sein Heim erinnert. Dem Ruf folgend traten über 200 Schützen, standesgemäß im dunklen Zwirn gekleidet, vor dem Haus Müllenbach an, um nach dem Marsch zum Friedhof und der dortigen Kranzniederlegung am Grabe des unbekannten Soldaten den verstorbenen Kameraden zu gedenken. Dies wurde unter der musikalischen Darbietung des Hünsborner Musikvereins "Hoffnung" erbracht.

Beim darauffolgenden Kirchgang in der Müllenbacher Wehrkirche fand man kaum noch Platz auf den Bänken. Im Anschluss stand der Marsch zur Festhalle, wo sodann der diesjährige Kommers mit

seinen Ehrungen abgehalten wurde. Aber das steht in einem anderen Bericht.Weiter geht's auf Seite 2.

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