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„Fünf nach zwölf“: Bilder einer verbotenen Stadt

kg; 3. Sep 2010, 10:02 Uhr
Bilder: Katharina Glowicki (1,2,4,5), Dirk Adolphs (3) --- Dirk Adolphs erzählt die Geschichte vom angeschweißten Hammer und dem 25. Jubiläum eines Steinmüller-Mitarbeiters.
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„Fünf nach zwölf“: Bilder einer verbotenen Stadt

kg; 3. Sep 2010, 10:02 Uhr
Gummersbach – Erheiternde Anekdoten und ernüchternde, aber faszinierende Bilder - Dirk Adolphs veröffentlicht ein Buch über die Geschichte des Traditionsunternehmens L. & C. Steinmüller.
Von Katharina Glowicki

Eine riesige Uhr hängt in Dirk Adolphs Fotostudio „Tor eins“ auf dem Otto Kind-Gelände in Kotthausen. Sie zeigt immer die gleiche Zeit an: „fünf nach zwölf“. Die Uhr stammt ursprünglich aus der großen Rohrhalle der Firma Steinmüller. „Früher fanden die Betriebsversammlungen in dieser Halle statt. Als Babcock dann auf einen Schlag 176 Mitarbeiter entließ, konnte man die Versammlung in der Kantine abhalten“, erzählt Adolphs. Sein Fotostudio befand sich damals auf dem Gelände. Auf dem Weg dorthin kam er an der Rohrhalle vorbei und sah, dass die Stühle noch nicht weggeräumt waren. „Die Entlassung war ein großer Schock für die Mitarbeiter. Es war quasi fünf nach zwölf“, führt der Fotograf weiter aus. Er wartete bis 0:05 Uhr und schoss dann ein Foto von der Uhr. Dirk Adolphs stellt morgen bei den ersten Gummersbacher Fototagen im Bruno Goller-Haus sein neues Buch „fünf nach zwölf“ vor. Für OA blickt er schon im Vorfeld auf die Entstehungsphase seines Bildbandes zurück.


[Dirk Adolphs nannte sein Buch "fünf nach zwölf".]
  
„Als ich den Untergang von Babcock als Journalist miterlebt habe, kam mir die Idee, die Ecken und Kanten - die ich als Lehrling bei der Firma Steinmüller kennen gelernt habe - auf Bildern festzuhalten“, schildert Adolphs die Anfänge seines Buches. Der Fotograf verschaffte sich mithilfe eines Tricks Zutritt zu der von Pförtnern und Nachtwächtern bewachten „verbotenen Stadt Steinmüller“, in die eigentlich nur Mitarbeiter eintreten durften. „Ich wollte damals eine historische Aufnahme von allen Löschzügen der Gummersbacher Feuerwehr machen, dafür war die Südhalle geeignet“, berichtet Adolphs. So bekam er die Genehmigung sich auf dem Gelände frei zu bewegen und auch seine Ecken aufzusuchen. „Ich machte einige Fotos und zeigte sie dem Babcock-Geschäftsführer. Er war Hobbyfotograf und fasziniert von den Aufnahmen, so durfte ich fortfahren“.
 
Dirk Adolphs nahm die Bilder analog und in schwarz-weiß auf. „Das ist eine effizientere Darstellungsweise“, meint er. Doch bei seinem Werk handelt es sich nicht nur um ein Bildband. Hinter jedem Foto verbirgt sich eine Geschichte, die beim Betrachten lebendig zu werden scheint. Am 17. Juli 1962 verewigte sich ein Mitarbeiter auf einer Werkbank. 25 Jahre später schweißte er am Tag seines 25. Betriebsjubiläums einen Hammer dadrunter. „Am 17. Juli 2002 habe ich nur ein Bild gemacht – das Bild mit dem Hammer und so habe ich sein 40. Jubiläum gefeiert“, so Dirk Adolphs. Er stellt in seinem Buch den ernüchternden Bildern und Porträts von Mitarbeitern erheiternde Anekdoten aus dem Steinmüller-Mitarbeiteralltag gegenüber. „Bei der Geschichte über ‚Bauchi’ – das war sein Spitzname – muss ich jedes Mal schmunzeln“, verrät Adolphs und kann sich das Grinsen nicht verkneifen, aber wieso lässt er sich nicht entlocken. „Das muss jeder selber lesen“.

 
[Bild: Dirk Adolphs --- Zwei Brüder, die sich nie berühren.] 


Eigentlich war das Buch schon vor Jahren fertig gestellt, doch die Veröffentlichung geriet ins Stocken. Im Jahr 2003 erhielt er für seine Bilder sogar den Kulturförderpreis des Oberbergischen Kreises. „Ich war zeitweise sehr blauäugig. Zusätzlich kam eine Krankheit dazwischen, wodurch ich handlungsunfähig und Spielball anderer Kräfte geworden bin, aber ich habe nie aufgegeben“, erklärt Adolphs die Verzögerung. Seine Lebensgefährtin Bianca Ender hätte ihm damals immer wieder vor das Schienbein getreten, weiterzumachen. „Sie schenkte mir an Weihnachten ein selbstgestaltetes Album mit meinen Steinmüller-Aufnahmen. Da wurde mir bewusst, welche Kraft diese Bilder haben“, so der Fotograf weiter.

Als sein Vetter Stefan Winhauer und dessen Lebensgefährtin Carola Müller auf die Fotos aufmerksam wurden, hatte Adolphs endlich auch den nötigen Finanzgeber für den Druck. Die beiden Herausgeber gründeten die 5nach12 Media Gesellschaft und gaben den Bildband in den Druck. „Fünf nach zwölf“ (ISBN 978-3-9813915-1-0) ist morgen bei den Gummersbacher Fototagen für 49,80 € (Subskriptionspreis) erhältlich oder kann ab Montag für 56,80 € im Internet unter www.5nach12-media.de bestellt oder auf Anfrage in Buchhandlungen erworben werden.


  
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