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„Uns geht es gut, wir schreiben schwarze Zahlen“

bv; 16. Jun 2010, 13:47 Uhr
Oberberg Aktuell
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„Uns geht es gut, wir schreiben schwarze Zahlen“

bv; 16. Jun 2010, 13:47 Uhr
Gummersbach – Joachim Finklenburg, Hauptgeschäftsführer des Klinikums Oberberg, äußert sich im Interview mit Oberberg-Aktuell zum 25 Jahre bestehenden Krankenhaus Gummersbach, zu den künftigen Aufgaben, der Vernetzung mit Facharztpraxen und der Gesundheitspolitik.

Von Bernd Vorländer

OA: Was hat sich im Verlauf der vergangenen 25 Jahre im Krankenhaus Gummersbach geändert?
Finklenburg: Sehr viel. Wir haben wesentlich mehr Patienten, nämlich fast doppelt so viel wie die 12.000 im Jahr 1989 und dementsprechend auch mehr Personal, wir haben uns weiter spezialisiert und geöffnet für ambulante Leistungen und Kooperationen.

OA: Der Start 1989 war geprägt von vielen Zweifeln im Umfeld. Das hat sich ja wohl geändert?
Finklenburg: Wir mussten damals zwei kleine Krankenhäuser schließen und haben hier ein Klinikum der regionalen Spitzenversorgung etabliert. Der Start verlief holprig, weil auch eine andere Kostenstruktur geschaffen wurde, und als ich hier in Gummersbach begonnen habe, wies der Jahresabschluss einen Verlust von drei Millionen Mark aus. Wir haben dann über die Jahre alles, was nicht nah am Patienten war, ausgegliedert, haben versucht effektiver zu arbeiten, und heute ist das Klinikum Oberberg ein Großkonzern mit vier Krankenhäusern, zehn Gesellschaften und 2.800 Mitarbeitern. Diesem Unternehmen in kommunaler Trägerschaft geht es gut, wir schreiben schwarze Zahlen, können mit den privaten Anbietern konkurrieren und sind einer der größten Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe..


[Bilder: Bernd Vorländer --- Das Klinikum Oberberg steht nach Auffassung von Joachim Finklenburg auf gesunden Beinen.]

OA: Das Krankenhaus Waldbröl stand bis vor einiger Zeit mit dem Rücken an der Wand . . .
Finklenburg: . . . und die Arbeit ist noch nicht zu Ende gebracht. Wir haben dort leider viele Jahre schwerwiegende Fehler gemacht, und der Prozess des Aufräumens ist in der Tat unangenehm – aber auch alternativlos. Wir haben es jetzt zumindest geschafft, dass das operative Ergebnis wieder stimmt. Es werden keine neuen Schulden gemacht, die Liquidität ist wieder da, und jetzt geht es darum, neue Strukturen aufzubauen.

OA: Wie bekommen Sie die Balance hin zwischen einem auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Großbetrieb Krankenhaus, und dem berechtigten Anspruch der Patienten, im Krankenhaus-Alltag nicht nur eine Nummer zu sein?
Finklenburg: Im Bereich der Gesundheits-Dienstleistungen sollte gerade die Arbeit für die Patienten ein Thema sein, dass zwischen der Geschäftsführung und Ärzten wie Pflegekräften ständig erörtert wird, mit dem Ziel, das Wohl der Patienten immer an die erste Stelle zu setzen. Bei einem solch großen Krankenhaus wie in Gummersbach ist es wichtig, kleine Einheiten und Verantwortlichkeiten zu haben, um dem Image eines kalten Klinikums entgegenzuwirken, das die Patienten nur durchschleust.

OA: Sie werden von Menschen, die sie in der Verhandlungskommission der kommunalen Arbeitgeber erleben, gerne als harter Gesprächspartner und „Cleverle“ beschrieben. Ärgert Sie das oder ist es zutreffend?
Finklenburg: Ich sehe mich als lösungsorientiert an – sowohl, was die Verhandlungen über regionale Budgets mit den Krankenkassen angeht, aber auch bei den bundesweiten Tarifverhandlungen. Das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir müssen sehen, dass wir unsere kommunalen Unternehmen wettbewerbsfähig halten. Manches war sehr schwierig – etwa auch eine leistungsgerechte Bezahlung und die Abschaffung des BAT auch in unserem Unternehmen. Ich persönlich gönne jeder Krankenschwester und jedem Arzt mehr Geld, aber wir müssen sehen, dass wir das gesamte Krankenhaussystem gangbar halten. Nur eine Zahl: 0,1 Prozent bei Tarifverhandlungen entspricht 70 Millionen Euro. Da lohnt es sich, schon einmal Sitzfleisch zu haben und lange zu verhandeln.


[Die demografische Entwicklung wird nach Ansicht von Joachim Finklenburg auch in  den Krankenhäusern Oberbergs zu Umstrukturierungen führen.]

OA: Vor Ort ist von dem einen oder anderen Facharzt auch Kritik am Krankenhauskonsortium zu hören, dass man sich immer mehr zum Konkurrenten aufschwingt – auch indem man Arztpraxen aufkauft?
Finklenburg: Ja, wenn für einen Facharzt kein Nachfolger gefunden wird, werden und müssen wir handeln, weil wir überzeugt sind, dass wir die Versorgung für die Bürger sichern müssen. Aber wir gehen nicht in die Konkurrenz mit den niedergelassenen Ärzten, sondern suchen die Kooperation. Wir sehen uns als Libero, wir fangen auf, wenn es vorne nicht mehr geht. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden wir weniger Ärzte ins Oberbergische bekommen, und wir müssen sehen, dass wir gemeinsam Versorgung sicherstellen. Hausärztepraxen gehören allerdings nicht zu unserem Aufgabengebiet.

OA: Welche Aufgaben und Erwartungen sehen Sie für das Krankenhaus Gummersbach?
Finklenburg: Es wird zu Umstrukturierungen aufgrund der demografischen Entwicklung kommen. Das bedeutet, dass die Zahl der Kinderbetten und der für die Geburtshilfe zurückgehen werden. Gleichzeitig wird der Teil der altersbedingten Erkrankungen deutlich zunehmen. Darauf müssen wir uns einstellen. Und wir werden uns sehr darum kümmern müssen, auch in Zukunft adäquate Stellen und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, damit wir die Beschäftigten bekommen, die wir uns wünschen. Schließlich brauchen wir Pflegekräfte, die sich um die vielen älteren Patienten künftig kümmern.

OA: Hätten Sie die Macht, einen Tag lang als Gesundheitsminister agieren zu können, was würden Sie ändern?
Finklenburg: Ich würde den Menschen die Wahrheit sagen, und die lautet: Wir können nicht mit immer weniger Geld immer mehr Leistungen erbringen. Auch in den Krankenhäusern, denn dort gehen die Beschäftigten auf dem Zahnfleisch. Prävention dürfte künftig im deutschen Gesundheitswesen eine elementare Rolle spielen.   
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