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Wissenschaftler warnten vor Computerspielen

mho; 26. Oct 2009, 13:24 Uhr
Bilder: Hoffmann, 2.UniRegensburg ----Prof. Dr. phil. Reinhard Maß - Leitender Psychologe, Dr. med. Bodo K. Unkelbach - Chefarzt Suchtmedizin, Priv.-Doz. Dr. med. Karsten Wolf - Chefarzt Allgemeinpsychiatrie und Rainer Drevermann - Pflegedirektion am ZSG Marienheide freuen sich über ein hochkarätig besetzten und sehr gut Besuchten Herbstkongress.
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Wissenschaftler warnten vor Computerspielen

mho; 26. Oct 2009, 13:24 Uhr
Marienheide - Der 5. Marienheider Herbstkongress widmete sich den Bindungstheorien.
Von Martina Hoffmann

John Bowlby gilt als der Schöpfer der Bindungstheorie, die eine der bedeutendsten Bereicherungen psychologischen Denkens darstellt.  50 Jahre Bindungsforschung nahm der Marienheider Herbstkongress  zum Anlass, dieses als Schwerpunktthema zu behandeln. Referenten aus dem ganzen Bundesgebiet konnten für das gut besuchte Symposium gewonnen werden. „Mit Professor Dr. Klaus Grossmann haben wir einen international renommierten Bindungsforscher zu Gast“, freut sich Dr. Karsten Wolf, Chefarzt der Allgemeinpsychatrie.

[Prof. Dr. Klaus Grossmann, Prof. für Psychologie an der Universität Regensburg beeindruckte die Mediziner in Marienheide mit seinem eindeutigen Votum zur Frühkindlichen Erziehung.]

„Grossmann referierte über die Bindungserfahrungen im Säuglings- und Kleinkindalter und deren Auswirkungen auf die Entwicklung und kam zu sehr eindeutigen Aussagen. So plädiert er für eine enge Mutter Kind Bindung gerade in den ersten drei  Jahren“, so Wolf. Der finanziellen Ausgleich für erziehende Mütter sei deshalb sehr zu begrüßen. Unstrittig die wichtige Vaterrolle, aber die Mutter sei, auch rein wissenschaftlich,  nicht zu ersetzen , betonen die Mediziner.  „Grundlagen von Bindungskompetenzen, Urvertrauen, Konfliktbewältigung und Sozialbeziehungen werden in den ersten Jahren gelegt“, so Professor Dr. Rheinhard Maß, Leitender Psychologe der Klinik. Auch für die Erzieherinnen und Lehrer sei `echte Empathie ` wichtig. Auf das Erlernen,  wie man echte Empathie herstelle, müsse ein deutlich größerer Schwerpunkt in der Ausbildung Erzieherisch tätiger gelegt werden.



In weiteren Vorträgen setzten sich die Mediziner aus dem Oberbergischen, Rheinisch-Bergischen aber auch zahlreiche Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet und den europäischen Nachbarländern sowie das Personal der Marienheider Klinik mit den Themen Computerspiele und sexuelle Präferenzstörungen/Bindungsprobleme auseinander.

„Der hohe Suchtfaktor bei Computerspielen wie etwa World of Warcraft liegt in der vermeintlich idealen Beziehungsform die hier hergestellt wird“, so Dr. Bodo Unkelbach, Chefarzt der Suchtmedizin im Klinikum. „Der Spieler erhält kontinuierlich positive Rückkoppelung und wird nicht in Frage gestellt. Der soziale Druck der eigenen `Gilde`- der Mitspieler- wird durch schnelle Belohnung vergessen gemacht und jeder kann aufsteigen. Lediglich der Faktor Zeit steht zwischen Erfolg und weniger Erfolg“, so Unkelbach. Durch diese unrealistischen Bedingungen verlören die Spieler jeglichen Bezug zur Wirklichkeit und verlernten mit Frustration umzugehen. „Kinder brauchen negative Erfahrungen. Sie müssen Emotionen erkennen, sie bewältigen, Frustsituationen meistern. Nur so lernen sie emotionale Kompetenz, “ so Unkelbach. Ein sicheres, verlässliches Umfeld und eine gute Basis aus dem Kindesalter seien in diesem Lernprozess wichtig.  

11 Millionen Menschen spielen das Internetgame. „Bei einem monatlichen Beitrag von 14 Euro kann man sich auch die Wirtschaftskraft eines solchen Unternehmens vorstellen“, so Pflegedirektor Rainer Drevermann. Ein Verbot für einzelne Altersgruppen halten die Experten für nicht umsetzbar. „Hier gilt es mit den zumeist jugendlichen im Gespräch zu bleiben und von Anfang an die Spielzeit zu limitieren“, so der Rat der Mediziner.

Im Punkto Sexualität wiesen die Referenten erneut auf die Verrohung durch exzessive Pornographie und die Zugänglichkeit pornographischer Medien hin.  „So ist von Anfang an ein gesundes Verhältnis zur Sexualität gestört“, sind sich die Experten einig. Wie bei den Internetspielen,  gelte hier für Erziehungsberechtigte und Aufsichtspersonen feste Regeln und Grenzen zu setzen.

Bindungsprobleme ziehen sich nach der Erkenntnis der Experten durch alle sozialen Schichten. `Seelische Verwahrlosung` hänge nicht am Geldbeutel.
„In der Gesellschaft steht der Konsum an erster Stelle. Auch die Wirtschaftskrise soll ja jetzt wieder durch wirtschaftliches Wachstum überwunden werden. Dabei wird an die Familien im Arbeitsprozess ein hohes Maß an Flexibilität gestellt. Verloren geht hier häufig eine gesunde Tagesstruktur  und eine normale Bindungsfähigkeit“, so Wolf. Hier müsse ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. „Wichtig sind auch offene Aktivitäten für Jugendliche. G 8 zum Beispiel lässt wenig Zeit für ` richtiges Leben`, “ so der Psychologe.

Die Klinik Marienheide bietet drei Mal pro Woche eine ambulante Sprechstunde an. „Diese wird mehr und mehr frequentiert“, so die Mediziner. Wichtig sei jedoch, dass rechtzeitige Handeln. „Wir ermutigen jeden sich bei uns Rat und Hilfe zu holen“, so Wolf . Dabei gibt es keine Patendlösungen oder Schnellschüsse. „Manchmal dauert es Monate, ja Jahre; wichtig ist aber der erste Schritt“, ermutigen die Klinikärzte die Hilfesuchenden. 
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