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Ist Zukunft von Nulas 'Hexenbusch' sicher? D e r Jugentreff in der Kreisstadt

hen; 23. Sep 2000, 18:21 Uhr
Oberberg Aktuell
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Ist Zukunft von Nulas 'Hexenbusch' sicher? D e r Jugentreff in der Kreisstadt

hen; 23. Sep 2000, 18:21 Uhr
(hen/23.9.2000-18:15) Von Henning Siebel
Gummersbach - "Der Laden hier ist meine Familie", sagt Veronika Prousalis schmunzelnd.
Der "Laden" ist der "Hexenbusch", die urige Kneipe im alten Stadtbad gegenüber dem Kreishaus. Unter ihrem richtigen Namen kennt die Wirtin aber eigentlich niemand. Als "Nula" führt sie mit rauher Stimme und ebensolchem Charme die Regie im Hexenbusch, der sich zu "dem" Gummersbacher
Jugendtreff etabliert hat.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Nula ist für ihre jugendlichen Gäste mehr als nur Wirtin

Überhaupt: "Wirtin" beschreibt Nulas Rolle eigentlich nur sehr unzureichend. Sie ist Seelsorgerin, beste Freundin und Ersatz-Schwester für viele Jugendliche. Ob es um Liebeskummer oder andere Sorgen geht - Nula hat ein offenes Ohr. "Von vielen weiß ich mehr als die
eigenen Eltern", lacht die 38-Jährige.

Schon vormittags treffen sich viele Schüler in den Freistunden zum Plausch bei einer Tasse Kaffee. Schließlich liegen Schulen und Sporthalle direkt um die Ecke. Freitagabend ist der "Hexenbusch" prall gefüllt, dann wird auch
einmal auf den Bürgersteig ausgewichen. Für die Oberstufen-Feten ist Nula ohnehin erste Wahl. An Nula lieben die Jugendlichen aber nicht nur ihre
offene Art, sie ist nämlich auch alles andere als eine Abzockerin: "Bei mir darf man sich auch 'mal den ganzen Abend an einem Glas Cola festhalten".

[Rauher Charme - so kennt man Nula]

Oft schauen auch nach dem Training etliche Handballer vom VfL vorbei, für viele Jugendliche Fans ein ganz besonderes Erlebnis. Und zum Teil auch für die VfL-er. So sah der südkoreanische Handball-Star Kyung-Shin "Nick" Yoon einmal voller Verwunderung auf einen wahren Kranz von Kölsch-Gläsern herab - begeisterte Fans hatten ihm vor Begeisterung trotz schmalen Lehrlingsgehalts oder Taschengelds einen ausgegeben.

Dunkle Wolken über'm Hesenbusch

Aber Nula sieht über ihrem Hexenbusch dunkle Wolken aufziehen. Hintergrund: Die Stadt sucht Investoren, die aus dem alten Bad samt Wohnung im
Obergeschoss irgendetwas Neues machen - und dies kann ohnehin nur behutsam erfolgen, da das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Eine Ausschreibung vom November letzten Jahres brachte allerdings keinen Erfolg. "Wir haben momentan keine konkreten Interessenten", sagte Stadt-Pressesprecher Günter Hübner auf Anfrage. Bei der Ausschreibung im letzten Jahr sei kein
überzeugendes Konzept dabei gewesen: "Wir strecken aber weiter unsere Fühler aus". Mit dem momentanen Bild, welches das alte Stadtbad biete, sei man keinesfalls zufrieden, jedes Jahr müsse schließlich auch Geld in das Gebäude gesteckt werden. Und die Zukunft des "Hexenbuschs"? Hübner: "Nula bleibt drin, so lange sich an der Situation nichts ändert."

Auch einige Ideen zu einer "Erlebnisgastronomie", die Nula zusammen mit dem Computerspezialisten Detlef Weltmann der Stadt im letzen Jahr vorlegten, verliefen im Sande. Vorstellen konnten sich die beiden einen Indoor-Biergarten in der ersten Etage, zwischen den Säulen könnten
gemütliche Separeés entstehen. Eine Bühne für Comedy oder Discobälle, Großleinwand, Gesellschaftsraum und eine Kinderecke gehörten bei den Überlegungen dazu. Die Küche sollte Rustikales und Spezialitäten bieten.

[Archivbild: Mengedoht --- Wenn eine VfL-Mannschaft Meister wird oder den Abstieg vermieden hat - wie hier die dritte - wird vor Nulas Hexenbusch auch schon mal die Straße blau-weiß angepinselt]

Momentan ist die Erzquell-Brauerei Hauptpächter bei der Stadt und Nula sozusagen Untermieterin. Das Vertragsverhältnis wird mündlich immer wieder
verlängert, da sie ihren Pachtvertrag gekündigt hat, um sich nicht langfristig binden zu müssen. "Nula ist eine Top-Klientin von uns", meinte Karl-Heinz Kuhlemann, Gastronomie-Vertriebsleiter bei Erzquell, auf Anfrage
von Oberberg-Aktuell. Der Bierumsatz stimme. Allerdings: "Wir haben der Stadt signalisiert, dass wir herausgehen, wenn das Lokal nicht mehr in das zukünftige Gesamtkonzept passt", so Kuhlemann. Dies sei aber nicht das Ziel von Erzquell: "Wenn es machbar ist, möchten wir auf jeden Fall, dass Nula bleibt", versicherte Kuhlemann.

Von der Stadt verlangt Nula momentan eigentlich nur eines: "Ich möchte einen Bestandsschutz". Momentan könne sie überhaupt nicht planen. An einer Erweiterung des Lokals ist sie nämlich durchaus interessiert - wenn auch in einem kleineren Rahmen. Denkbar sei ein Ausbau in Richtung Beckenrand. "Ich würde gern auch 'was zu essen anbieten, zum Beispiel Pizza oder Pommes".
Finanziell sei ein Ausbau für sie alleine aber eine Nummer zu groß.

Pensionär Walter Reiferscheidt, Nulas ältester Stammgast hatte die Idee für eine "Spaß-Aktie". Dann könnten die Gäste Anteile am "Hexenbusch" erwerben und zur Finanzierung beitragen. Lose Gespräche mit der Kienbaum-Unternehmensberatung für eine Marketing-Strategie habe es schon
gegeben.

[Hinter der Theke, aber immer für die Gäste da - nur die eigene Zukunft ist noch nicht ganz sicher]

Diese Ideen nützten ihr aber bei dem momentanen Schwebezustand nichts - und der scheint sich so schnell auch nicht zu ändern. Einer der noch
"ausgestreckten Fühler" der Stadt ist der Kreis, weiß Nula. Es gebe die Überlegung, einen Kreissitzungssaal im alten Stadtbad zu etablieren. Bisher nutzt der Kreistag das Gummersbacher Rathaus mit. Auch einen weiteren
Interessenten kennt die Wirtin, dessen Pläne seien aber noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. "Da laufen momentan keine konkreten Planungen", betonte Kreis-Pressesprecher Reinhard Schneider auf Nachfrage von Oberberg-Aktuell. "Gewisse Überlegungen" habe es zwar gegeben, momentan sei aber der "Hexenbusch" nicht aktuell. Soweit ihm bekannt sei, liefen auch
keine Anstrengungen aus dem politischen Raum in diese Richtung.

"Hunderte von meinen 'Kids' werden vor dem Rathaus demonstrieren"

So bleibt für Nula die Angst, dass eines Tages doch plötzlich Schluss ist. Dann befürchtet sie, plötzlich Sozialhilfeempfängerin sein zu müssen: "Wer nimmt mich dann noch?", fragt die gelernte Einzelhandelskauffrau. Sollte der
"Tag X" tatsächlich kommen, wird sich lautstarker Protest erheben, ist sich Nula sicher. Ihre vielen jugendlichen Stammgäste bewiesen nämlich schon einmal Solidarität, als sie spontan für "ihren" Hexenbusch auf die Straße gingen. Wenn es hart auf hart kommt, werde dies wieder so sein: "Dann werden hunderte von meinen 'Kids' vor dem Rathaus demonstrieren."

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