Archiv

VfL: Toll gekämpft, klasse gespielt und am Ende doch um den Lohn gebracht

pl; 7. Sep 2002, 13:45 Uhr
Oberberg Aktuell
ARCHIV

VfL: Toll gekämpft, klasse gespielt und am Ende doch um den Lohn gebracht

pl; 7. Sep 2002, 13:45 Uhr
(pl/7.9.2002-1:50) Von Peter Lenz
Gummersbach/Essen - Zwei VfL-Weltklasse-Handballer, ein TuSEM-Matchwinner, zwei völlig verschiedene Halbzeiten, zwei teilweise überforderte Schiedsrichter, zwei Verletzte Gummersbacher, ein spannungsvolles und unterhaltsames Spiel sowie ein kleiner Skandal – der Auftakt in die 24. Bundesliga-Saison in der Essener Gruga-Halle hatte fast alles zu bieten, was man bei einem Klassiker der Marke TuSEM Essen gegen VfL Gummersbach erwartet.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Ivan Lapcevic zeigte beim ersten Saisonspiel eine Weltklasse-Leistung und bezwang den TuSEM-Keeper Jesper Larsson gerade im ersten Durchgang gleich reihenweise.]



TuSEM Essen - VfL Gummersbach 31:28 (12:14).



Ein kurzes Fazit vorab: Der Saisonstart für die Gummersbacher Handballer muss trotz der Niederlage als geglückt angesehen werden – zumindest was das rein Sportliche angeht. Endlich mit einer wirklich erkennbaren spielerischen Linie agierten die Blau-Weißen heute und präsentierten so eine bärenstarke erste Halbzeit, wie man sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ein Weltklasse-Torwart Jan Stankiewicz, ein überragender Ivan Lapcevic und ein starker Kreisläufer Andreas Rastner taten ihr übriges, um einen mehr als überzeugenden Eindruck bei den rund 2.500 Zuschauern zu hinterlassen.

[Erwies sich trotz dieses Fehlversuches als sicherer Siebenmeterschütze: Mark Schmetz versenkte bei sechs Versuchen fünf Bälle.]



„Wir waren über 40 Minuten die klar bessere Mannschaft, und wären da nicht bei unserem Fünf-Tore-Vorsprung die sechs Zeitstrafen innerhalb von acht Minuten gegen uns gewesen, hätten wir auch den Sack zugemacht“, haderte VfL-Manager Carsten Sauer unmittelbar nach der Partie vor allem mit einigen fragwürdigen Schiedsrichter-Entscheidungen.



Und er hatte allen Grund dazu, denn wieder einmal in einer kritischen und spielentscheidenden Situation waren die VfL-Mannen auf sich alleine gestellt. Mehr noch: Sie mussten nicht nur gegen die plötzlich erwachten Essener kämpfen, sondern auch gegen die Jubiläums-Schiris Hagen Becker und Axel Hack aus Halberstadt bestehen, die heute ihre 100. Bundesliga-Partie pfiffen.



Wie schon erwähnt, hatten die Gäste aus Oberberg einen glänzenden Start hingelegt. Mit den Außen Schröder und Fernandez, dem Rückraum Lapcevic/Houlet/Yoon und Kreisläufer Rastner spielte der VfL die TuSEM-Cracks um Coach Juri Schevzov regelrecht schwindelig. Und auch die größtenteils im 6:0-Verbund agierende Deckung mit Lapcevic und Yoon im zentralen Block vor dem starken Jan Stankiewicz zwischen den Pfosten stand wie ein Fels in der Brandung.

[Chrisha Hannawald freute sich über den Sieg, an dem er großen Anteil hatte. Tore steuerten Oleg Velyky (links unten) und Patrekur Johannesson bei.]



Bis zum 10:10 in der 23. Minute war die Partie noch ausgeglichen verlaufen, obwohl bis dato immer Gummersbach vorgelegt hatte. Nach dem 11:11 waren es Alexander Bommes, und zweimal „Nick“ Yoon, die die Gäste mit einer Zwei-Tore-Führung in die Kabine entließen. Garant für diesen Vorsprung aber waren zwei andere Gummersbacher: Ivan Lapcevic und „Jasch“ Stankiewicz. Im Fall von Lapcevic konnte man fünf Treffer bei fünf Versuchen notieren; Schlussmann Stankiewicz hatte acht Paraden hingelegt, darunter einen Siebenmeter von Oleg Velyky entschärft.



Apropos Kabine: Während sich die Spieler in ihren Kabine auf die zweite Halbzeit vorbereiteten, ging es in der des Schiedsrichter-Gespanns hoch her: Die Essener Verantwortlichen „HaDe“ Schmitz und Klaus Schorn statteten den Schiris einen „Besuch“ ab, worüber sich VfL-Manager Carsten Sauer natürlich maßlos ereiferte: „Die Schiris wurden von den beiden Essenern regelrecht bedrängt. Das kann doch wohl nicht wahr sein, wir sind hier doch nicht auf einem Basar. Das hat mit Professionalität nichts mehr zu tun und wird ein Nachspiel haben. Wir legen auf jeden Fall Beschwerde ein – nicht gegen das Spiel, wohl aber gegen solche Machenschaften.“



Nach dem Seitenwechsel jedenfalls ging es zunächst genau so weiter, wie vor der Pause. Mit einem Traumpass bediente Lapcevic Kreisläufer Andreas Rastner, der zum 15:12 erhöhte. Lapcevic, Yoon und Fernandez schraubten das Ergebnis gar auf 18:13 (36.) hoch. Dann aber wendete sich das Blatt, und zwar genau mit der dritten Doppelbestrafung (Zwei Minuten und Siebenmeter) gegen den VfL. Zwar parierte Stankiewicz den Strafwurf von Mark Schmetz, aber nach einer erneuten Zeitstrafe – Yoon musste sich neben Maik Handschke auf die „Sünderbank“ gesellen – leitete TuSEM-Neuzugang Patrick Cazal mit seinem dritten Treffer in doppelter Überzahl die Verfolgungsjagd ein.

[Mit sechs Treffern zeigte Kreisläufer Andreas Rastner eine hervorragende Leistung.]



Kapitän Patrekur Johannesson, Mark Schmetz und Dimitri Torgovanov brachten die Hausherren binnen sechs Minuten wieder auf 17:18 heran. Zu diesem Zeitpunkt hatte TuSEM-Keeper Chrisha Hannawald bereits den Part von Jesper Larsson übernommen und sein Tor vernagelt. Am Ende hatte er mit elf Paraden bei seinem 26-minütigem Einsatz den Löwenanteil am Essener Sieg.



Über 20:20 blieb es bis zum 22:22 zunächst ausgeglichen, ehe Essen beim 24:22 erstmals mit zwei Treffern vorne lag. Die Entscheidung dann vier Minuten vor Ultimo: Andreas Rastner liegt verletzt auf dem Feld, die Schiedsrichter aber lassen weiterspielen. Schmetz verwandelt zum 27:25. Zwar schließt VfL-Chef „Zou-Zou“ Houlet nochmals zum 26:27 auf, aber die vierte Kombination „Zeitstrafe/Siebenmeter“ gegen Gummersbach bricht den Blau-Weißen das Genick. Mit seinem siebten Treffer vollstreckt erneut Schmetz zum 28:26. Die Moral der bis dato aufopferungsvoll kämpfenden Gäste war am Boden, Essen dagegen oben auf: Zweimal Sigurdsson und Szilagyi machten den Sack zu.

[Maik Handschke hilft beim Abtransport von Alexander Bommes, der sich an den Bändern verletzte. Wenige Minuten später musste auch Handscke das Spielfeld wegen einer Verletzung verlassen.]



Festzuhalten bleibt die Erkenntnis, dass Gummersbach auch sportlich auf dem richtigen Weg ist. Doch dass dieser sehr holprig sein kann, musste Trainer Sead Hasanefendic heute schmerzlich erfahren: So verletzten sich Linksaußen Alexander Bommes und Kreisläufer Maik Handschke derart schwer, dass sie nicht mehr zum Einsatz kommen konnten. Bei Bommes handelt es sich um eine Sprunggelenksverletzung, während Handschke am Oberschenkel schlimme Blessuren davon trug. Eine genaue ärztliche Diagnose wird am Montag Klarheit bringen.

[Kapitän Houlet schuf im Spiel die Lücken für seine Mannschaftskammeraden - Aber manches Auslassen einer Chance konnten weder er noch Trainer Sead Hasanefendic verstehen.]



Trainerstimmen:



Sead Hasanefendic: „Wir sind mit vielen Ambitionen nach Essen gekommen und haben ein gutes Spiel gemacht. Nur das Resultat stimmte nicht. Aber ich bin nicht unzufrieden. Die Führung kam für uns zu früh. Und dann haben Kleinigkeiten wie Zeitstrafen oder eine Parade des gegnerischen Torwarts das Spiel entscheiden. Wir hätten heute hier mehr erreichen können.“



Juri Schevzov: „Auf dem Parkett standen sich zwei sehr gute Mannschaften gegenüber, und die Zuschauer haben ein sehr gutes Spiel gesehen. Allerdings war meine Mannschaft sehr nervös und hat über die ganze Spielzeit hinweg versucht, dies in den Griff zu bekommen. In der zweiten Halbzeit haben wir eine kämpferische Einstellung gezeigt und so das Blatt gewendet. Wir haben unsere spielerische Linie gesucht und gefunden. Dieses Spiel hat der TuSEM als Mannschaft gewonnen.“

[Dimitri Torgavanov traf viermal den Kasten, musste sich aber - wie hier - zweimal Stankiewiecz geschlagen geben.]



VfL Gummersbach:



Jan Stankiewicz (1.-60. --- 11 Paraden, darunter 2 Siebenmeter)

Ariel Panzer (n.e.)



Jörn Ilper

Andreas Rastner (6)

Kyung-Shin Yoon (6/1)

Marco Beers

Francois-Xavier Houlet (2)

Ivan Lapcevic (8)

Tobias Schröder (2)

Oliver Plohmann

Maik Handschke (1)

Dirk Hartmann (n.e.)

Alexander Bommes (1)

Jordi Fernandez (2)

[Das Schiedsrichtergespann Becker/Hack stand heute im Mittelpunkt des Spiels und zog mit einigen Entscheidungen den Unmut der Spieler auf sich.]



TuSEM Essen:



Jesper Larsson (1.-33. --- 5 Paraden)

Chrisha Hannawald (34.-60. --- 11 Paraden, darunter 1 Siebenmeter)



Oliver Tesch

Oleg Velyky (3)

Oliver Roggisch

Wowa Tutschkin

Patrekur Johannesson (5)

Mark Schmetz (7/5)

Jan-Thomas Lauritzen

Gudjon Valur Sigurdsson (3)

Dimitri Torgovanov (4)

Michael Haaß

Patrick Cazal (3)

Viktor Szilagyi (4)

Stephan Krebietke (2)

[Heiße Diskussionen gab es in der Pressekonferenz: "HaDe" Schmitz (v.l.n.r.), VfL-Manager Carsten Sauer, TuSEM-Coach Schevzov und Klaus Schorn bekamen sich wegen dem Besuch in der Schiri-Kabine so richtig in die Haare.]



Zuschauer: 2.500



Schiedsrichter: Hagen Becker und Axel Hack (Halberstadt)



Siebenmeter: 7:2 --- 5:1 (Velyky und Schmetz scheitern an Stankiewicz, Yoon an Hannawald).



Zeitstrafen: 14:16 Minuten (zweimal Roggisch und Johannesson, Schmetz, Lauritzen, Cazal --- dreimal Rastner (Rot), zweimal Ilper, Yoon, Lapcevic, Handschke).



Beste Spieler: TuSEM: Chrisha Hannawald --- VfL: Jan Stankiewicz, Ivan Lapcevic, Andreas Rastner.



Spielfilm:1:1 (2.), 3:3 (9.), 5:8 (15.), 8:10 (22.), 11:11 (25.), 12:14 (Halbzeit) – 13:18 (36.), 17:18 (42.), 20:19 (45.), 22:22 (50.), 27:26 (56.), 28:27 (58.), 31:28 (Endstand).



WERBUNG