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"Jazzin' Oberberg" - global und regional

vma; 6. May 2002, 03:07 Uhr
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"Jazzin' Oberberg" - global und regional

vma; 6. May 2002, 03:07 Uhr
(vma/6.5.2002-2:30)Von Vera Marzinski
Wiehl – Die oberbergische Jazzszene hat einiges zu bieten – davon konnten sich die Gäste in der Wiehltalhalle überzeugen, als "Beer, Wine & Tears" sowie das "Francesca Simone Trio" aufspielten.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Außergewöhnliche Stimme, die faszinierte: Francesca Simone.]



Eine gelungene Mischung und das noch ganz regional, obwohl die Musik doch eher global wirkte, da Francesca Simone viele ihrer Stücke italienisch sang und "Beer, Wine & Tears" nach New York entführte. Nach dem fulminanten Start am Samstagabend hatte Jürgen Schulz mit mehr Gästen gerechnet; so saßen nur um die 100 Jazzinteressierte in der Wiehltalhalle, erlebten aber gleich zwei Mal Jazz der exzellenten Art.

[Die Gäste bei "Jazzin' Oberberg" erlebten sieben Musiker und eine Sängerin an diesem Abend, die gleich zwei absolute Leckerbissen für die 13. Wiehler Jazztage lieferten.]



Der Prophet habe es im eigenen Land oft schwerer, kommentierte Bernt Laukamp die geringe Zuhörerschar, aber: "da machen wir es uns heute Abend etwas gemütlicher" und schon jazzten sie los mit Stanley Clarks 'Quiet afternoon'. "Beer Wine & Tears" - keine Musiker mit Wein, Bier und feuchten Augen – der Name bezöge sich auf Bier wie Dieter Bierkämper (Drums) und Wein wie Tobias Weindorf (Keyboard), erklärte Bernt Laukamp. Markus Braun (Bass) und Manuel Marcos (Gitarre) vervollständigen das Quintett, das schon beim "Jazzmeeting Oberberg 2002" im Gummersbacher Bruno-Goller-Haus begeisterte.

[Zum ersten Mal konnte Jürgen Schulz vom Kulturkreis die Gäste zu "Jazzin' Oberberg" begrüßen.]



Aus irgendeinem Grund sei die Sonne an "Samba du soleil" beteiligt gewesen, einem Stück, das aus der Feder von Bernt Laukamp stammt. Der Posaunist wohnt schon sehr lange im Bergischen, ist Mitglied der international hoch angesehenen WDR Big Band Köln. Das Sambastück ist so locker-leicht, da erwartet man fast, dass draußen die Sonne heftigst scheinen müsste. Etwas im Rhythmus verändert präsentieren die Fünf ein Stück aus der Jazztradition: "Angel eyes". An gelben Rhythmus-Gerät - auch Schlagzeug genannt -, sitzt Dieter Bierkämper, auch ein alter Hase in Sachen Musik. Er studierte Schlagzeug am Konservatorium in Dortmund und fügt sich perfekt ins musikalische Geschehen ein.

[Wenn Bernt Laukamp nicht gerade sang oder Posaune spielte, managte er das ganze Geschehen auf der Bühne.]



John Scofields "She is so lucky" war wie alle Stücke mit Soli gespickt, die perfekt ausbalanciert waren. Gerade so lang und üppig, dass jeder drauflos spielen und eindrucksvoll seine Kompetenz unter Beweis stellen konnte und doch stets so, dass die Band im Vordergrund blieb - bei dieser Zusammensetzung stimmt die Chemie. Virtuose Technik und Fantasie bei Markus Braun am Bass, pure Improvisationslust von Manuel Marcos, der bei seinen Soli ganz woanders zu sein schien. Tobias Weindorf spielte leger seine Parts auf Keyboard und Klavier, als ab es so nebenbei geschehen würde und dabei entwickelte er doch eine ganz eigene Dynamik, die die Zuhörer fesselte.

[Dieter Bierkämper hat in den letzten drei Jahrzehnten in vielen Formationen der verschiedensten Stilrichtungen mitgewirkt.]



Erst vor einigen Monaten gründeten sie die Band und spielen ein groovig–jazziges Programm mit bekannten, größtenteils neu arrangierten Titeln aus der Jazz-, Fusion- und Latin-Szene. "Beer Wine & Tears", das sind fünf Solisten, die große Teamfähigkeit beweisen. Wenn Laukamp nicht mitspielt, managt er den Lauf der Dinge in fast tänzelnder Weise und ist immer mitten im Geschehen. Zu den instrumentalen Stimmen fügt er bei der Ballade "New York, state of mind" den Gesang hinzu und ist ganz ergriffen von der Billy Joel-Hommage an die große Stadt. Zum guten Schluss musste Laukamp doch noch ein Mal auf die oberbergischen Wetterverhältnisse eingehen. Sonny Rollins "St. Thomas" kommentierte er mit: "passt total gut ins Oberbergische – es hat so was karibisches!"

[Die Gitarrenläufe von Manuel Marcos machen jedes Stück zu einem besonderen Genuss.]



Nicht karibisch, sondern mit musikalischer Poesie – mal sizilianisch, mal englisch, mal kölsch – präsentierte das "Francesca Simone Trio" Jazz. Feinfühlige Gitarrenklänge, feinnervige Perkussion und eine exquisite Stimme. Robert Mensebach entlockte seiner Gitarre zunächst perlende Laute, Andreas Kappler setzte sich auf ein würfelförmiges Gebilde und funktionierte es zum Perkussionsgerät um, Francesca Simone, die Tochter eines Sizilianers und einer Deutschen, entführte schließlich gesanglich in eine ganz andere Welt.

["Beer Wine & Tears" - Dieter Bierkämper (Schlagzeug), Tobias Weindorf (Keyboards) und Markus Braun (Bass).]



Bereits 1999 waren die drei bei den Wiehler Jazztagen vertreten. Damals im "Schwabenhäusle" bei "Jazz in der Kneipe". 2002 stehen sie bei den 13. Wiehler Jazztagen unter der Rubrik "Jazzin' Oberberg" auf der Bühne. Ein Trio, das mit ungemeiner Leichtigkeit agiert. Dabei jeder auf seine ihm eigene Art. So erzeugen sie eine heiter-melancholische Atmosphäre.

[Andreas Kappler sorgte für die feinnervige Percussion beim "Francesca Simone Trio".]



Mit knappen Ausführungen stimmte Francesca Simone die Zuhörer auf die Lieder ein und gab damit weniger Texthilfen, sondern zeigte, welch facettenreiche Geschichten sie zu erzählen hat. "Ein Dorf in der Sonne, Bank vor der Tür, Kindergeschrei und Tage ohne Namen: La dolce vita!" und schon begann sie, ihr Lied zu singen. Alte sizilianische Geschichten aus dem 14. Jahrhundert, so die Geschichte von der Witwe, die ihrer Nachbarin erzählt, sie friere nachts immer so und bittet: "Leih mir doch deinen Mann für eine Nacht".

[Francesca Simone - eine brillante Sängerin, die Geschichten erzählt und in andere Welten entführt.]



Nicht nur alte Geschichten, auch den alten Traum vom Fliegen griff sie auf. Jenes Fliegen, das zur Sonne führe, wo eine ganz persönliche Melodie gespielt werde. Das harmonische und beflügelnde Lied entpuppte sich schließlich als das bekannte "Volare" in einer Interpretation des „Francesca Simone Trio“. „Un carusello“ erzählte vom konfusen Lebenskarussell und mit „Come to me“, bei dem einige Takte „Schlaf Kindlein, schlaf“ eingebaut wurden, richtete sie eine Liebeserklärung an ein Kind.

[Filigrane Klänge entlockte der brillante Gitarrist Robert Mensebach seinem Instrument.]



Traditionelle Motive, manchmal auch ein wenig folkloristisch, fanden sich in den Liedern, aber auch Klassisches und Latin – Jazz vermischte sich mit Weltmusik. Selbst eine poetische Auslegung des Sprichwortes "Liebe geht durch den Magen", fand sie mit "Mangia". Mit "Heul doch" kommentierte Francesca Simone "Cry me a river". Und immer gleich bleibt beim "Francesca Simone Trio" die reine Lust des Zusammenspiels. Kleines "Kamellchen" am Schluss – ein "Kölsches Lied".

[Ein ganz besonders Trio, das "Francesca Simone Trio".]



Francesca Simone studierte nach einem Stipendium am Rheinischen Musikkonservatorium in Köln von 1987 bis 1992 an der Musikhochschule Köln Jazz- und Popgesang. Neben der Mitwirkung bei Studioproduktionen für den Rundfunk (WDR, Deutsche Welle) arbeitet sie seit einigen Jahren als Dozentin für Jazzgesang. Die Deutsch-Italienerin tritt seit 1995 mit ihrem Trio auf, für das sie Songs und Texte in italienischer, englischer und deutscher Sprache schreibt.



Perkussionist Andreas Kappler lernte zunächst autodidaktisch und nahm Unterricht in afrikanischer, brasilianischer, kubanischer und persischer Perkussion. Sein Instrumentarium umfasst heute neben Djembé und Congas auch Udu, Talking Drum, Kalimba, Darabuka, Small Percussion und Schlagzeug.



Robert Mensebach studierte Jazz-Gitarre an der Musikhochschule Köln und neben dem "Francesca Simone Trio" verfolgt der brillante Gitarrist weitere Projekte, wie das Brasil Duo und Operation Tandem.

[Mit dem Perkussionisten Andreas Kappler (links) und dem Gitarristen Robert Mensebach bildet Simone eine verschworene Einheit.]



Die Gäste bei "Jazzin' Oberberg" erlebten sieben Musiker und eine Sängerin an diesem Abend, die gleich zwei absolute Leckerbissen für die 13. Wiehler Jazztage lieferten. Die Organisatoren hatten ein bestechendes Programm erdacht – schade, dass es nicht mehr Zuhörer fand. Gesponsert wurde diese Veranstaltung von "Cramer & Herling".

[Bis über die deutschen Grenzen hinaus ist das "Francesca Simone Trio" bekannt.]





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