HANDBALL

Nervenkrimi: Ziemer beendet Gummersbachs Pokal-Märchen

pn; 06.02.2022, 00:05 Uhr
Fotos: Thomas Wirczikowski ---- Trotz leidenschaftlichem Kampf hieß es Endstation Viertelfinale für Lukas Blohme und den VfL Gummersbach.
HANDBALL

Nervenkrimi: Ziemer beendet Gummersbachs Pokal-Märchen

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pn; 06.02.2022, 00:05 Uhr
Gummersbach - Der VfL Gummersbach unterliegt dem HC Erlangen im Pokal-Viertelfinale nach einem dramatischen Spielverlauf – 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.

Von Peter Notbohm

 

VfL Gummersbach - HC Erlangen 27:29 (16:12).

 

Es war ein Bild mit Symbolcharakter: Frustriert schlich Julian Köster zur Gummersbacher Bank und vergrub sein Gesicht unter seinem Trikot. Kurz zuvor war der Shooter 40 Sekunden vor dem Abpfiff am überragenden Erlangener Torwart-Oldie Martin Ziemer gescheitert und hatte die letzte Chance auf eine mögliche Verlängerung aus der Hand gegeben. Dabei hätte sich der Zweitliga-Spitzenreiter die zehn Extra-Minuten nach großem Kampf mindestens verdient gehabt – wenn nicht sogar mehr. Wie groß die Erleichterung bei den Gästen nach 60 intensiven Minuten Pokalfight war, sah man am ausgelassenen Jubel des Bundesligisten, der erstmals in seiner Vereinshistorie zum Final-Four reisen wird. Gummersbach verpasste es dagegen, als erster Zweitligist seit 1998 ins Halbfinale des DHB-Pokals einzuziehen.

 

[Gegen die körperlich präsente HC-Deckung hatte Janko Bozovic durchaus Probleme, sich durchzusetzen.]

 

Auch VfL-Coach Gudjon Valur Sigurdsson rang auf der Pressekonferenz nach dem Spiel zunächst ein wenig nach Worten. „Heute ist kein einfacher Abend“, begann er sein Statement. Unfassbar stolz sei er auf seine Mannschaft, vor allem auf ihren kämpferischen Willen und auf das, was sie geleistet habe, sagte er. Erlangen habe zwar verdient gewonnen, „trotzdem sind wir selbst schuld, dass wir verloren haben. Wir hätten es besser und cleverer machen können.“ In dieselbe Kerbe schlug auch Kreisläufer Jonas Stüber, dessen Vertragsverlängerung vor dem Anpfiff bekanntgegeben wurde (siehe Extra-Bericht): „Natürlich ist unsere Enttäuschung groß. Nicht der HC Erlangen hat uns geschlagen, sondern wir haben uns selbst geschlagen.“

 

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Zur Pause hatten die ersten VfL-Fans wohl schon heimlich nach Hotels in Hamburg für das Final-Four Ende April gesucht. Beim 16:12-Halbzeitstand lebte Gummersbachs Traum vom Einzug ins Halbfinale des Wettbewerbs. Nach zähen Anfangsminuten, in denen man beiden Mannschaften die Nervosität nach der Europameisterschaftspause doch ein wenig anmerkte, war es Ole Pregler, der die Hausherren beim 3:2 (9.) erstmals in Führung brachte. Über 6:7 (17.) schenkten sich beide Teams bis zum 9:9 (20.) nichts. Die Franken wirkten physisch und technisch stärker, Gummersbach hielt mit Kampf, Leidenschaft und Cleverness vor allem defensiv dagegen.

 

[Mit sieben Toren gefährlichster Gummersbacher: Raul Santos.]

 

Nach einer nun folgenden kleinen Fehlerorgie auf beiden Seiten beruhigte Sigurdsson sein Team mit einer Auszeit und versorgte seine Spieler mit neuen taktischen Instruktionen - und die sollten greifen. Ein strammer Wurf von Fynn Herzig, ein Gegenstoß von Lukas Blohme, dazu die sechste Parade von Tibor Ivanisevic: Plötzlich führte Gummersbach mit 13:9 (25.) und verteidigte diesen Vorsprung bis zur Pause. „Wir haben im ersten Durchgang nie die Einstellung gefunden, die man in einem KO-Spiel haben muss“, analysierte Erlangens Trainer Raul Alonso nach dem Spiel.

 

[Die Enttäuschung war den VfL-Handballern nach Schlusspfiff anzusehen. Angesprochen auf die Frage, wie er Julian Köster in den kommenden Tagen wieder aufbauen wolle, sagte Sigurdsson, dass dies nicht nötig sei: "Er weiß genau, was ich von ihm halte. Wir werden konstant mit ihm weiterarbeiten. Hier wird niemand hochgejubelt und keiner kaputt geredet." Köster erzielte nur ein Tor aus sechs Versuchen, punktete dafür aber mit guter Abwehrarbeit und als Assistgeber.]

 

Warum die Blau-Weißen wie ausgewechselt aus der Kabine zurückkehrten? Das konnte sich nach dem Schlusspfiff niemand wirklich erklären. HC-Topshooter Simon Jeppsson verkürzte innerhalb von 40 Sekunden zum schnellen 16:14 (31.), Gummersbach produzierte dagegen nun Fehler um Fehler. Jonas Stüber sprach nach der Partie von einem zu schnell aus der Hand gegebenen Trumpf. Ein Doppelschlag von Max Jaeger sorgte für den 17:17-Ausgleich (36.). „Danach gehen unsere Köpfe hoch und bei Gummersbach runter“, meinte das frühere VfL-Eigengewächs und bezeichnete es als die nötige „Erstliga-Coolness“, die nun den Unterschied ausgemacht habe.

 

Mit dem 17:20 (40.) - erneut traf Jaeger – schien das VfL-Märchen im Pokal zu Ende erzählt zu sein, zumal die Gäste die Führung auf 21:25 (47.) ausbauten. Sigurdsson hatte mit der 3:2:1-Deckungsvariante aber noch einen Trumpf in der Hinterhand. Und tatsächlich: Der Bundesligist kam ins Schwimmen und machte gegen die aggressive VfL-Defensive plötzlich wieder Fehler. Über 24:26 (52.) sorgten Julian Köster und Raul Santos für den nicht mehr für möglich gehaltenen 26:26-Ausgleich. Die Schlussphase wurde zum Nervenkrimi: Beide Teams kämpften verbissen um jeden Zentimeter.

 

[Martin Ziemer wurde zum Erlangener Pokalhelden.]

 

Wenn man dem VfL in dieser Phase etwas vorwerfen musste, dann seinen Chancenwucher. Reihenweise scheiterten die Gastgeber in den Schlüsselmomenten am überragenden Torhüter Martin Ziemer, der knapp 40 Prozent aller Würfe auf seinen Kasten abwehrte. Nachdem Simon Jeppsson die Gäste 70 Sekunden vor Ende wieder mit 27:28 in Führung gebracht hatte, blieb Gummersbach ein finaler Angriff. Julian Köster übernahm Verantwortung, scheiterte aber bekanntlich an Erlangens Schlussmann. „Das ist eine Niederlage, die wirklich weh tut“, meinte Sigurdsson, sprach kurz darauf aber schon wieder voller Stolz über sein Team: „Wenn wir die Leistung von heute öfter wiederholen können, freue ich mich schon auf die nächsten Spiele in der 2. Liga.“

 

Gummersbach: Raul Santos (7), Lukas Blohme (5/2), Janko Bozovic (4/2), Fynn Herzig (3), Ellidi Vidarsson, Stepan Zeman, Ole Pregler (je 2),  Szymon Dzialakiewicz, Julian Köster (je 1).

 

Erlangen: Simon Jeppsson (8), Christoph Steinert (5/2), Max Jaeger (4), Antonio Metzner, Johannes Sellin (je 3), Tim Zechel (2), Patrik Leban, Sebastian Firnhaber, Nico Büdel, Steffen Fäth (je 1)

 

Siebenmeter

4/5 - 2/2 (Bozovic scheitert am Pfosten).

 

Zeitstrafen

8:8 Minuten (2x Zeman, Vidarsson, Blohme - Büdel, Bissel, Fäth, Sellin).

 

Schiedsrichter

Julian Koppl / Dennis Regner.

 

Zuschauer

1240.

 

DHB-Pokal Viertelfinale

 

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KOMMENTARE

1

Schade Jungs, mußte nicht sein aber jetzt volle Pulle Richtung Aufstieg!!

Steinberger, 06.02.2022, 18:03 Uhr
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