HANDBALL

Abschiedsinterview: „Es geht darum, begeisternden Handball zu zeigen“

pn; 28.05.2022, 08:00 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung und Thomas Wirczikowski - Über 20 Jahre war Nils Hühn aus dem Oberwiehler Dress kaum wegzudenken.
HANDBALL

Abschiedsinterview: „Es geht darum, begeisternden Handball zu zeigen“

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pn; 28.05.2022, 08:00 Uhr
Wiehl - Mit dem morgigen Pokalfinale endet beim CVJM Oberwiehl eine Ära - Im Interview mit Oberberg-Aktuell blickt Nils Hühn, der mit einer dreijährigen Ausnahme seit 1995 das Oberwiehler Trikot trug, auf seine Zeit als Spieler und Trainer sowie die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre zurück und erzählt, was er in Zukunft machen will.

Von Peter Notbohm

 

OA: Herr Hühn, am Sonntag enden 19 Jahre Handball im Seniorenbereich für den CVJM Oberwiehl für Sie, davon zwölf Jahre als Spieler und noch einmal sieben als Trainer. Wie emotional wird es?

Hühn: Ich kann noch gar nicht sagen, ob es sehr emotional wird. Generell bin ich nicht der emotionalste Mensch in diesen Momenten. Zudem konnte ich mich schon lange darauf vorbereiten, weil es ein selbstgewählter Schritt ist. Erst danach wird es ein großer Einschnitt, wenn ich unter der Woche mehr Freizeit habe und auch am Wochenende die Verantwortung wegfällt. Das wird sehr spannend für mich. Es ist natürlich schön, das Ganze mit einem Finale zu beenden.

 

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OA: Können Sie sich denn noch an Ihre ersten Spiele erinnern?

Hühn: An mein erstes Seniorenspiel kann ich mich sehr gut erinnern. Das war als 17-Jähriger bei meiner kurzen Stippvisite beim TV Oberbantenberg. Die Mannschaft war damals in die Verbandsliga aufgestiegen und ich durfte im Derby in Marienheide mein erstes Spiel machen. Es waren zwar nur ein paar Minuten, aber ich habe es geschafft, ein Tor zu werfen und eine Zeitstrafe zu kassieren. Im Laufe der Jahre sind einige hinzugekommen. Das war schon ein besonderer Moment. Auch wenn wir am Ende abgestiegen sind, war das eine tolle Mannschaft, der ich noch zwei Jahre die Treue gehalten habe. Es hat mich damals wirklich gefreut, dass „Ede“ Lehnertz der Jugend eine Chance gegeben hat.

 

An mein erstes Spiel als Trainer kann ich mich allerdings nicht wirklich erinnern, weil es ein schleichender Prozess war. Nach meiner Verletzung war ich schon als Co-Trainer am Spielfeldrand dabei. Daher war es kein so einschneidendes Erlebnis. Den Schritt zum Trainer habe ich vollzogen, weil ich gerne viel länger gespielt hätte, der Körper ließ es aber leider nicht zu.

 

OA: Woher stammt eigentlich Ihr Spitzname „Heli“?

Hühn: Der hat sich irgendwann so eingebürgert. Die Hintergründe sind aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt (schmunzelt). Ich hoffe immer, dass es daran lag, dass ich so hoch springen konnte und so lange in der Luft stand – eben wie ein Helikopter. Das würde ich mir zumindest wünschen, dass er daher kam (lacht). Ich werde heute aber nur noch von wenigen ehemaligen Mitspielern so gerufen.

 


OA: Sie haben in Ihrer Karriere viele Höhepunkte, aber auch manche Tiefe erlebt. An welche Momente denken Sie nach dieser langen Zeit besonders gern zurück?

Hühn: An sehr viele. Am Anfang war da Hans Sommer, mein erster richtiger Trainer. Später habe ich mich gefreut, unter Jürgen Manske sofort eine tragende Rolle zu übernehmen. Der tollste Moment war ohne Frage der Aufstieg in die Oberliga nach 30 Jahren. Schon als ich zum CVJM kam, hat man immer wieder von den Zeiten der Ohl-Brüder, Sommer und Manske gesprochen und dass man den Verein dort wieder hinbringen möchte.

 

Dass wir dieses Ziel vor allem mit Spielern aus dem eigenen Verein erreicht haben, hat natürlich viel zur Euphorie beigetragen. Auch im Umfeld ist viel passiert und es gab viele Feiern. Auch an unser erstes Oberligaspiel erinnere ich mich gern zurück. Bei Westwacht Weiden haben wir damals einen Punkt geholt, den ich als Kapitän mit einem Siebenmeter nach Spielschluss sichern konnte. In meiner Anfangszeit als Trainer war es immer mein größter Erfolg, wenn ich Spieler weiterentwickelt habe und diese den Sprung in die erste Mannschaft geschafft haben. Und natürlich war auch der Aufstieg als Verbandsligameister in die Oberliga trotz des Corona-Abbruchs ein schöner Moment.

 

OA: Und an welche Momente weniger?

Hühn: Dazu zählt sicher meine Aussortierung in die zweite Mannschaft, weil ich nicht ins System passte. Das hat mir wirklich lange nachgehangen, hat mich aber auch motiviert, am Ende vielleicht auch besser gemacht. Genugtuung war dann die gewonnene Kreismeisterschaft und der Titel „Aufsteiger der Herzen“, weil die 1. Mannschaft in der Landesliga spielte. Schade ist natürlich auch, dass ich mich als Oberligaabsteiger auf dem letzten Platz verabschieden muss und unsere Zweite gleichzeitig nach 16 Jahren wieder in die Landesliga muss. Zurückblickend habe ich aber fast nur positive Erinnerungen und viele freundschaftliche Momente erlebt, auch mit unseren Gegnern.

 

OA: Inwieweit haben Sie sich, aber auch der Handball – gerade im Oberbergischen - in dieser Zeit verändert?

Hühn: Ich komme ja noch aus der Generation, in der es keine schnelle Mitte gab. Gerade beim Tempo hat sich einiges verändert. Dazu ist vieles professioneller geworden. Gewachsen sind auch die Ansprüche von Spielern an ihre Trainer. Es muss immer alles perfekt organisiert sein, dazu werden Übungen im Training hinterfragt. Nur noch den Medizinball zu nehmen, reicht schon lange nicht mehr. Generell hat sich außerdem der Stellenwert des Mannschaftssports verändert. Als wir uns damals mit Nümbrecht im Kampf um den Aufstieg in die Oberliga befanden, habe ich vor dem Derby wochenlang an nichts anderes gedacht. Heute fragen einen Spieler manchmal, gegen wen wir überhaupt spielen. Schule und Beruf nehmen heute viel mehr Raum ein und der Sport hat nicht mehr diesen Stellenwert.

 

 

OA: Während ihrer aktiven Karriere galten Sie als abwehrstarker Spieler. Was hat Sie ausgezeichnet?

Hühn: Es hat mir unheimlich Spaß gemacht, in der Deckung zu spielen. Es war sicher sehr unangenehm, mich als Gegner zu haben. Ich konnte gute austeilen, musste aber auch einiges einstecken. Ein Tor zu verhindern und guten Gegenspielern ihre Stärken zu nehmen, hat mir immer mehr bedeutet, als selbst Tore zu werfen. Meine größte Stärke war das 1:1. Einfach ist selten jemand an mir vorbeigekommen.

 

OA: Sie haben angekündigt zunächst einmal Pause zu machen. Was haben Sie in den kommenden Monaten vor und kann man sich nach so einer langen Phase überhaupt komplett vom Handball verabschieden?

Hühn: Ein bisschen Erfahrung mit dieser Situation konnte ich durch Corona ja bereits sammeln. Ich denke schon, dass ich das hinbekomme. Ich werde mehr Zeit für Familie, Haus und Freunde haben. Im Sommer wird das garantiert kein Problem. Gespannt bin ich auf den Winter, wo es vielleicht schwieriger wird. Mein persönliches Ziel für die kommenden Monate wäre es, selbst noch einmal fit zu werden, so dass ich vielleicht irgendwann noch einmal in der Vierten auflaufen kann. Als Trainer soll es das aber erst einmal gewesen sein.

 

 

OA: Man sieht den Trainer Nils Hühn aber noch einmal wieder?

Hühn: Ich glaube nicht. Im Moment bin ich froh, diese Verantwortung für eine Mannschaft nicht mehr zu haben. Nach über 20 Jahren möchte ich am Wochenende einfach mal die Freiheit genießen. Beim CVJM werde ich mich aber mit Sicherheit in anderen Funktionen einbringen, wenn auch nicht mehr in diesem Maß.

 

OA: Lassen Sie uns auf die abgelaufene Saison zurückblicken. Sie hatten schon im Sommer nach dem Aufstieg mitten in der Corona-Pandemie ein schwieriges Jahr prophezeit. Warum reichte es am Ende nur zu zwei Siegen und damit dem letzten Platz?

Hühn: Es war eine absolut katastrophale Saison. In der Vorbereitung waren wir noch gut unterwegs und hatten einen starken Kader. Dann kamen Verletzungen, Spieler, die aufgehört haben und zusätzlich interne Schwierigkeiten hinzu. Das endete in einem Negativlauf zum Start. Man war immer nah dran, konnte aber nie den letzten Schritt machen. Das sah man auch an den vielen Unentschieden, bei denen wir mehrfach einen Punkt verschenkt haben. Am Ende mussten wir sogar Spieler reaktivieren, die drei Jahre keinen Ball in der Hand hatten. Die Jungs, die da waren, haben gut mitgezogen, aber insgesamt gab es zu wenig Konkurrenzkampf. Phasenweise mussten wir mit der Zweiten trainieren. Das reicht in der Oberliga dann einfach nicht.

 

 

OA: Überhaupt Stichwort Corona: Wie anstrengend waren die zwei vergangenen Jahre?

Hühn: Das war schon eine sehr schwere Situation. Wir haben digital einige Events organisiert und die Mannschaft hat auch gut mitgezogen. Anstrengend war vor allem der Aufwand, der dazukam: Die Dokumentation, welcher Spieler hat welchen Status und wann war er da. Das hat sehr viele Kapazitäten gefressen, die man an anderer Stelle besser hätte nutzen können. Ich hoffe wirklich, dass die nächste Saison wieder ohne größere Probleme funktioniert und wir wieder dauerhaft mit Zuschauern Handball erleben können. Ein Geisterderby gegen Nümbrecht ohne Fans will keiner nochmal erleben.

 

OA: Am Sonntag wartet der letzte Höhepunkt, das Pokalfinale gegen den HC Gelpe/Strombach. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Hühn: Natürlich liegt da ein großer Unterschied zwischen beiden Teams. Wir treffen als Oberligaabsteiger auf den Vierten der Nordrheinliga. Nümbrecht hat uns im Halbfinale aber gezeigt, dass man sie mit großem Willen und Leidenschaft ärgern kann, wenn wir alles reinwerfen. Der CVJM Oberwiehl hat auch schon einmal den VfL Gummersbach II aus dem Kreispokal geworfen – das beweist, dass alles möglich ist. Aber natürlich muss viel zusammenkommen. Eine überragende Torhüterleistung, dazu eine super Deckung und auch eine starke Angriffsleistung. Insgesamt war es aber schon ein großer Erfolg, trotz dieser Saison ins Finale zu kommen. Deshalb ist das auch ein toller Abschluss für die Mannschaft, meinen Co-Trainer Jens Ruland, meinen Bruder und Mannschaftsbetreuer Jan Hühn sowie mich. Daraus kann dann vielleicht auch ein erfolgreicher Neuanfang wachsen.

 

 

OA: Was wünschen Sie ihrem Herzensverein für die Zukunft?

Hühn: Ich hoffe, dass der Weg, der über Jahrzehnte gut lief, fortgesetzt wird. Das heißt, dass man aufbauend auf einer guten Jugendarbeit, guten Seniorenhandball zeigt. Dabei ist es auch nicht wichtig, ob man in der Oberliga oder Verbandsliga spielt. Es geht darum, begeisternden Handball zu zeigen, wo sich jeder für den Verein zerreißt. Ich habe von der Kreisliga bis zur Oberliga gespielt und überall wollten die Zuschauer einfach nur sehen, dass man alles gibt. Natürlich würde ich mich freuen, wenn der Verein irgendwann wieder vier Seniorenmannschaften melden kann und davon zwei auf Verbandsebene spielen.

KOMMENTARE

1

Tolles Interview!
Alles Gute, Nils, für die Zeit nach dem Handball.
Der Spitzname "Heli" wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.

Güli, 28.05.2022, 09:59 Uhr
2

Oh Captain, mein Captain.
Vielen Dank für alles.
Du warst immer ein Vorbild!

HandballerCVJM, 28.05.2022, 22:26 Uhr
3

Danke Nils. Wir werden dich vermissen, aber nicht vergessen. Viele legendäre Spiele mit dir erlebt. Viel Spaß im verdienten Ruhestand

Ehemaliger Mitspieler, 29.05.2022, 13:11 Uhr
4

Gänsehaut! Ein Mann für alle Fälle. Immer All-In. Du hast Geschichte geschrieben... Sommer, Ohl, Manske, Schuster, Pohl, Madel, Hühn. LEGENDE!

4, 01.06.2022, 10:27 Uhr
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