HANDBALL

Der absolute Handball-Wahnsinn: Irre VfL-Aufholjagd

pn; 27.10.2023, 23:30 Uhr
Fotos: Thomas Wirczikowski ---- Ellidi Vidarsson war in der Schlussphase kaum zu bremsen und einer der Hauptgaranten für den Punktgewinn.
HANDBALL

Der absolute Handball-Wahnsinn: Irre VfL-Aufholjagd

  • 1
pn; 27.10.2023, 23:30 Uhr
Gummersbach - Der VfL Gummersbach holt gegen die Füchse Berlin einen Sieben-Tore-Rückstand auf und erkämpft sich einen Punkt gegen den Spitzenreiter – 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.

Von Peter Notbohm

 

VfL Gummersbach - Füchse Berlin 30:30 (11:16).

 

Das war purer Handball-Wahnsinn! Ausgerechnet dem VfL Gummersbach gelang das, was zehn Bundesligaclubs vorher nicht gelungen war: Das Team von Gudjon Valur Sigurdsson knüpfte im Tollhaus SCHWALBE arena dem Spitzenreiter Füchse Berlin beim 30:30-Remis den ersten Saisonpunkt ab und bleibt damit weiter auf Tuchfühlung zur Spitzengruppe der Liga.

 

Unter der Woche hatte Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar im DYN-Podcast noch von einer „brutalen Herausforderung“ und einem „Stolperstein“ im Hinblick auf das Auswärtsspiel im Oberbergischen gesprochen – die Handballlegende sollte Recht behalten.

 

[Mit sieben Toren bester VfL-Torschütze: Lukas Blohme.]

 

Die Stimmungslage bei den Gummersbachern schwankte nach dem Schlusspfiff zwischen Stolz, Wut und Verwunderung. Das lag vor allem am verrückten Spielverlauf, denn in der 45. Minute sah alles – aber auch wirklich alles - nach dem nicht unerwarteten Favoritensieg für den Tabellenführer aus. Bis zum 18:25 (46.) hatten Berlin das Spiel total dominiert.

 

WERBUNG

„Ich frage mich immer noch, wie wir das geschafft haben“, meinte VfL-Coach Gudjon Valur Sigurdsson nach dem Abpfiff, ärgerte sich aber auch: „Am Ende bin ich natürlich unglaublich stolz, dass wir nach so einem Rückstand noch einen Punkt geholt haben, trotzdem hatten wir in den Schlussminuten die Chance auf mehr. Aber das ist Meckern auf ganz hohem Niveau.“

 

Was der Isländer meinte: Beim 29:28 (57.) hatte Julian Köster nach einer Monsterparade von Daniel Rebmann, die Chance auf zwei Tore zu erhöhen, scheiterte aber am Pfosten. Und auch der letzte Angriff gehörte den Oberbergern. Mit den finalen 30 Sekunden wussten die Hausherren aber nichts anzufangen. Ein Bodenpass vom heute eher blassen Giorgi Tskhovrebadze landeten auf dem Fuß von Jerry Tollbring, die Pfeife der Schiedsrichterinnen blieb aber stumm, sodass es bei der Punkteteilung blieb.

 

[Nachdem Dominik Mappes in Mannheim bei seinem Comeback nur einen Kurzeinsatz hatte, war der Spielmacher heute wieder ein wichtiger Eckpfeiler.]

 

Auch VfL-Co-Kapitän Ellidi Snaer Vidarsson sprach anschließend von einem „bitteren“ Ausgang der Partie: „Zuhause wollen wir einfach jeden schlagen. Am Ende ist aber ein Punkt besser als keiner, denn mit der Leistung in der ersten Hälfte können wir nicht zufrieden sein.“ In dieselbe Kerbe schlug Publikumsliebling Lukas Blohme: „In der Schlussviertelstunde hat jeder Extrameter gemacht und ich bin in erster Linie stolz darauf, was wir als Mannschaft leisten können. Trotzdem muss man das einordnen: Wir haben den letzten Angriff.“

 

Gefeiert wurde die Mannschaft von der ausverkauften SCHWALBE arena trotzdem. Dabei hatte es lange überhaupt nicht nach dem dramatischen Schlussakkord ausgesehen. Berlin zeigte sich schon in den Anfangsminuten unbeeindruckt von der Atmosphäre und erarbeitete sich selbst eine erste 5:2-Führung (6.). Es folgten ganz schwache und fehlerbehaftete VfL-Minuten, die von den Gästen eiskalt ausgenutzt wurden. Zwischen dem Strafwurf und dem Siebenmeternachwurf von Milos Vujovic lagen zwischen der 7. und der 16. Minute neun torlose Minuten, die Berlin nutzte, um zum 4:9 (16.) zu erhöhen.

 

[Das Ergebnis hatte sich Füchse-Vorstand Stefan Kretzschmar (li.) sicherlich anders vorgestellt - Mathias Gidsel war lange Zeit kaum zu stoppen.]

 

Vor allem den derzeit wahrscheinlich dominantesten Spieler der Welt, Mathias Gidsel, bekam die Gummersbacher Abwehr überhaupt nicht in den Griff. Sigurdssons Plan, den Dänen mit seinen beiden besten Abwehrspielern Julian Köster und Tom Kiesler zu doppeln, ging kaum auf. „Er hatte keine Freiräume, ist aber unglaublich beweglich, schnell und explosiv“, so der VfL-Coach, der nun reagierte und Dominik Mappes und Tilen Kodrin (für Pregler und Vujovic) brachte, nachdem er kurz zuvor schon Miro Schluroff und Kristjan Horzen (für Tskhovrebadze und Vidarsson) eingewechselt hatte.

 

Zudem holte er sich eine gelbe Karte von den Schiedsrichterinnen ab, die aus Sicht des Isländers nicht immer richtig lagen. „Aber in der Beurteilung bin ich auch nicht neutral“, meinte er nach Abpfiff.

 

[Mit der ersten Hälfte war Gudjon Valur Sigurdsson nicht zufrieden.]

 

Gummersbach bekam neuen Schwung, verkürzte nach Traumanspiel von Köster auf Horzen zum 8:11 (22.). Berlin blieb unbeeindruckt und hatte mit Gidsel und Torhüter Dejan Milosavljev (12 Paraden) zudem zwei Trümpfe in der Hand, die dafür sorgten, dass der Berliner Vorsprung bis zur Pause wieder auf 11:16 anwuchs. „Man hat einfach gesehen, welche Qualität Berlin hat. Wir hatten unglaubliche Probleme, Tore zu machen“, fand Sigurdsson zur Halbzeit.

 

Und auch nach dem Seitenwechsel diktierten zunächst die Hauptstädter: Hans Lindberg traf zum 12:19 (36.). Nun waren es einige der wenigen Rebmann-Paraden (insgesamt 6), die Gummersbach wieder zum 16:19 (39.) aufschließen ließen. Berlin konterte im Stile einer Spitzenmannschaft und hatte das Spiel beim 18:25 (46.) eigentlich zugemacht – eigentlich!

 

Gummersbachs Deckung war nach der Einwechslung Kodrins plötzlich kaum noch zu überwinden, zwang die Gäste mehrfach ins passive Spiel und auch vorne fielen endlich die Tore. Vor allem der bis dahin kaum auffallende Vidarsson zeigte eine wahre Energieleistung. „Ich war wegen meiner vielen Fehler im ersten Durchgang sauer auf mich selbst und hatte das Gefühl, der Mannschaft etwas zurückgeben zu müssen“, kommentierte der Kreisläufer seine überragende Leistung in der Schlussviertelstunde.

 

[In der Schlussphase war die Gummersbacher Deckung kaum noch zu überwinden.]

 

Über 22:26 (49.) war Gummersbach beim 25:26 (51.) plötzlich in Schlagdistanz – die Halle bebte. Die Spieler konnten in der lauten Atmosphäre die Pfiffe der Schiedsrichterinnen kaum noch wahrnehmen. Für den Ausgleich sorgte Tskhovrebadze beim 27:27 (55.), kurz darauf besorgte Vidarsson die erste Führung (56.). Das 30:29 mogelte Dominik Mappes fast schon im Sitzen über die Torlinie, im Gegenzug traf Jerry Tollbring mit seinem dritten Tor zum Remis.

 

Berlins Trainer Jaron Siewert wirkte anschließend ein wenig ratlos: „Wir haben das Spiel 45 Minuten lang unter Kontrolle, am Ende ging die Aufholjgad zu schnell. Uns war klar, dass es solche Spiele geben wird und wir sind auch gar nicht so unglücklich über den Punkt. Es hätte auch keiner sein können.“

 

[Der VfL Gummersbach hat auf die Verletzung von Tom Jansen reagiert und sein Erstzugriffsrecht auf den an Bayer Dormagen ausgeliehenen Finn Schroven wahrgenommen. Der Linkshänder ist seit Dienstag auch wieder bei den Oberbergern im Training und wird laut Christoph Schindler zunächst für beide Vereine auflaufen. Heute kam er nicht zum Einsatz.]

 

Blohme bedankte sich indessen bei den Fans: „Das war heute eine unfassbare Stimmung und die Fans haben das ein oder andere Tor mitzuverantworten.“ Der VfL hat aufgrund der Länderspielpause nun zwei Wochen Zeit, Kräfte zu tanken. Das nächste Heimspiel findet am 12. November statt – dann gastiert mit der MT Melsungen das nächste Topteam in der SCHWALBE arena.

 

Gummersbach: Lukas Blohme (7), Ellidi Vidarsson (6), Tilen Kodrin (4), Milos Vujovic (3/2), Julian Köster, Dominik Mappes, Giorgi Tskhovrebadze, Ole Pregler (je 2), Miro Schluroff, Kristjan Horzen (je 1).

 

Berlin: Mathias Gidsel (8), Hans Lindberg (6/5), Mijajlo Marsenic (6), Jerry Tolbring (3), Matthes Langhoff, Dejan Milosavljev, Nils Lichtlein (je 2), Lasse Andersson (1).

 

Zeitstrafen

4:4 Minuten (Köster, Kodrin - Gidsel, Kopljar).

 

Siebenmeter

2/3 - 5/5 (Vujovic scheitert an Milosavljev).

 

Schiedsrichter

Tanja Kuttler/Maike Merz.

 

Zuschauer

4.132.

 

Ergebnisse und Tabelle

 

BILDERGALERIE

KOMMENTARE

1

Habe noch nie erlebt, dass der VfL-Trainer in der Pause zu den Schiedsrichterinnen geht und denen was zu sagen hat. Wärend die Berliner 3 gelbe Karten bekamen erhielte Köster sofort als 2. progressive Strafe gegen den VfL die 2-Minuten Strafe. Die 2 Damen waren nach meinem Empfinden bei Ihren Entscheidungen immer näher auf Seiten der Berliner.

Werner Eisenbach, 28.10.2023, 09:49 Uhr
0 von 800 Zeichen
Jeder Nutzer dieser Kommentar-Funktion darf seine Meinung frei äußern, solange er niemanden beleidigt oder beschimpft. Sachlichkeit ist das Gebot. Wenn Sie auf Meinungen treffen, die Ihren Ansichten nicht entsprechen, sehen Sie von persönlichen Angriffen ab. Die Einstellung folgender Inhalte ist nicht zulässig: Inhalte, die vorsätzlich unsachlich oder unwahr sind, Urheberrechte oder sonstige Rechte Dritter verletzen oder verletzen könnten, pornographische, sittenwidrige oder sonstige anstößige Elemente sowie Beschimpfungen, Beleidigungen, die illegale und ethisch-moralisch problematische Inhalte enthalten, Jugendliche gefährden, beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen könnten, strafbarer oder verleumderischer Art sind, verfassungsfeindlich oder extremistisch sind oder von verbotenen Gruppierungen stammen.
Links zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
WERBUNG