HANDBALL

Flucht aus Russland: VfL Gummersbach hilft Stanislav Zhukov

pn; 04.03.2022, 15:35 Uhr
Foto: VfL Gummersbach ---- Beim VfL Gummersbach erhält Stanislav Zhukov einen Vertrag bis zum 30. Juni.
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Flucht aus Russland: VfL Gummersbach hilft Stanislav Zhukov

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pn; 04.03.2022, 15:35 Uhr
Gummersbach - Der ehemalige VfL-Profi spielte zuletzt in Moskau und floh nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine – Gummersbach gibt ihm einen Vertrag bis zum Sommer.

Von Peter Notbohm

 

Die vergangene Woche waren vermutlich die anstrengendsten und turbulentesten Tage im Leben von Stanislav Zhukov. Die Geschichte des ukrainischen Handball-Profis ist eines der vielen Einzelschicksale, die die russische Invasion in die Ukraine zu verantworten hat. Als ukrainischer Staatsbürger stand er seit 2020 beim russischen Tob-Club CSKA Moskau unter Vertrag. Noch vor wenigen Tagen arbeitete der Nationalspieler in der Reha an seinem Comeback, nachdem er sich Ende Oktober des vergangenen Jahres in einem Spiel der russischen Superleague einen Kreuzbandriss zugezogen hatte.

 

Der jetzt schon geschichtsträchtige 24. Februar sollte sein Leben aber vollständig auf den Kopf stellen und zurück nach Gummersbach führen, wo er von 2017 bis 2019 das VfL-Trikot trug. Mit dem Einmarsch der Truppen Putins in seinem Heimatland stand für ihn fest: „Hier kann ich auf keinen Fall bleiben.“ Er sei sofort in die Geschäftsstelle gefahren, um dort seinen Vertrag aufzulösen. Der Sportdirektor habe noch versucht, ihn zu beruhigen und zum Bleiben zu bewegen, erzählt Zhukov im Gespräch mit Oberberg-Aktuell: „Er hat mir gesagt, wir seien sicher in Moskau und die Situation sei ganz anders, als es in den westlichen Medien dargestellt wird.“

 

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Nach einem weiteren Gespräch mit seiner Frau stand der Entschluss aber fest. Wie groß die Angst um seine Sicherheit gewesen sein muss, zeigt, dass er noch am selben Abend Tickets nach Istanbul buchte. Parallel kamen über die sozialen Medien auch die ersten Nachrichten und Hilfsangebot von besorgten Freunden aus Deutschland. Schon am nächsten Morgen kündigte er seinen noch zweieinhalb Jahre gültigen Vertrag. Die Tickets für den Flug nach Deutschland waren nicht einfach zu bekommen, berichtet Zhukov: „Es war der letzte Flieger.“ Überhaupt musste alles schnell gehen: Nur mit wenigen Koffern bepackt, bestieg der 29-Jährige am frühen Samstagmorgen mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn das Flugzeug.

 

Den Moment, als die Maschine vom Boden abgehoben habe, beschreibt er als Befreiung: „Meine Frau und ich haben uns angeschaut und einfach nur geweint.“ In Deutschland wurde die Familie Zhukov von Freunden aufgenommen und kam zunächst bei einer gebürtigen Kasachin unter. Noch am selben Tag habe sich auch VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler bei ihm gemeldet und ihm Hilfe angeboten. Innerhalb weniger Stunden war eine eigene Wohnung organisiert, zudem stellte er dem Ukrainer einen Vertrag bis zum Sommer und eine Weiterführung seiner Reha in Aussicht. „Ich war überwältig von dieser Hilfsbereitschaft“, sagt Zhukov.

 

[Archivfoto: Klaus Stange ---- Stanislav Zhukov ist überwältigt von der Unterstützung aus Deutschland.]

 

„Es ist schrecklich zu sehen, was gerade in der Ukraine passiert und es unterstreicht einmal mehr, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als zwei Punkte bei einem Handballspiel“, begründet Schindler sein Engagement. Für den Verein sei es daher selbstverständlich Zhukov zu unterstützen. „In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch bei allen Leuten im Umfeld des VfL Gummersbach bedanken, die in den letzten Tagen viele Dinge sehr kurzfristig möglich gemacht haben“, so Schindler in einer offiziellen Mitteilung des Vereins.

 

Dabei gehe es auch nicht darum, dass Zhukov als Spieler für den VfL auflaufen wird, „sondern darum, ihm Sicherheit und Zeit zu geben, damit er sich um seine Familie hier in Gummersbach und in der Ukraine kümmern kann und seine Verletzung auskuriert.“ An Handball kann der 29-Jährige derzeit ohnehin nicht denken. Er sei in Deutschland nun zwar in Sicherheit, für seine Familie und Freunde in der Ukraine gelte das aber nicht, auch wenn sie ihn derzeit nicht umkämpften Gebieten leben. „Ich bete zu Gott, dass dieser Krieg schnell endet.“  

 

Dazu will auch er seinen kleinen Teil beitragen und seine Geschichte immer wieder erzählen: „Die meisten Russen sind gute Menschen und sehr klar im Kopf. Aber leider leben sie in Angst vor den Gesetzen in Russland und es gibt sehr viel Propaganda. Wir müssen ihnen die Wahrheit zeigen. Putin sagt, sie bringen Freiheit, aber sie bringen nur den Tod.“ Die vergangenen Tage hat er dazu genutzt, gemeinsam mit seiner Frau und Larissa Bozovic, der Frau von VfL-Spieler Janko Bozovic Hilfspakete für Flüchtlinge zu organisieren und zu verpacken. Zudem hat er zwei geflohenen Ukrainerinnen und einem Baby die Flugreise nach Deutschland ermöglicht.

KOMMENTARE

1

Das ist eine tolle Geste.

Hans, 04.03.2022, 22:34 Uhr
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