HANDBALL

„Ich habe noch nie eine trainingsfleißigere Mannschaft gesehen“

pn; 01.09.2022, 06:00 Uhr
Fotos: Peter Notbohm/Michael Kleinjung ---- Geschäftsführer Christoph Schindler will auch die kommenden Jahre der Chronik des VfL Gummersbach erfolgreich gestalten.
HANDBALL

„Ich habe noch nie eine trainingsfleißigere Mannschaft gesehen“

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pn; 01.09.2022, 06:00 Uhr
Gummersbach – Zum Bundesligauftakt spricht VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler im großen OA-Interview über die Vorfreude auf die heute startende Saison, die Qualitäten des neuen Kaders, die entstandene Euphorie in der Kreisstadt und darüber, wie es dem Verein finanziell geht - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.

Von Peter Notbohm

 

OA: Wenige Stunden vor dem Bundesligastart in Lemgo: Wie sehr freuen Sie sich auf die neue Saison?

Christoph Schindler: Sehr! Natürlich freut man sich immer auf eine neue Saison. Es ist immer interessant zu sehen, wie sich die Mannschaft nach der wochenlangen Vorbereitung mit den neuen Spielern im Ligabetrieb präsentiert. Das Wichtigste ist aber: Endlich wieder 1. Liga nach drei Jahren Abstinenz. Von daher ist die Vorfreude natürlich riesig.

 

OA: In der vergangenen Saison war der VfL Gummersbach der Gejagte in der 2. Liga. In dieser Saison wird es vermutlich nur um den Klassenerhalt gehen. Können die Spieler diesen Rollenwechsel sofort umsetzen?

Schindler: Das werden wir sehen. Mit Dominik Mappes und Miro Schluroff haben wir Spieler, die diese Situation schon kennen. Prinzipiell ist die Situation aber selbstverständlich eine andere gewonnen, gerade für die Spieler, die aus der vergangenen Saison fast nur das Gewinnen kennen. Da wird es auch zu Momenten kommen, wo man vielleicht ein bisschen mehr miteinander reden muss als sonst. Prinzipiell sollten wir uns darüber aber wenig Gedanken machen, sondern versuchen, befreit aufzuspielen. Ich glaube aber auch, dass jedem Spieler bewusst ist, dass wir jetzt wieder mehr verlieren als gewinnen werden.

 

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OA: Wie bewerten Sie die Generalprobe am Samstag, das DHB-Pokal-Spiel in Konstanz? Nachlässigkeiten wie nach der Pause wird man sich in der 1. Liga sicher nicht mehr leisten können, oder?

Schindler: Das stimmt, ich denke aber auch, dass wir nur wenige Spiele erleben werden, in denen wir zur Pause mit sieben Toren führen. Jedes Spiel in der Vorbereitung hat aufgedeckt, wo wir noch Verbesserungspotenzial haben - das war auch in Konstanz so. Insgesamt sehe ich die Mannschaft in vielen Bereichen aber schon sehr weit, gerade was das Angriffsspiel angeht. Von daher: Ja, noch ist nicht alles perfekt, aber ich bin optimistisch, dass wir von Spiel zu Spiel besser werden.

 

OA: Durch die Verletzung von Martin Nagy mussten Sie noch einmal sehr kurzfristig auf dem Transfermarkt aktiv werden. Wie viel Arbeit steckt hinter solchen nicht eingeplanten Last-Minute-Transfers und wie läuft so etwas ab?

Schindler: In Stunden oder in Tagen? Das war ein brutal schwieriger Transfer und es gab in den vergangenen vier Wochen keinen Abend, an dem wir nicht daran gearbeitet haben. Die Schwierigkeit war, dass Fabian bei Skövde schon in die Vorbereitung gestartet war und natürlich auch Vertrag hatte, sodass auch sie noch einen Ersatz benötigten. Prinzipiell müssen sich alle Seiten bei einem Transfer einig werden. Dazu muss man dann auch noch Gespräche mit anderen Vereinen und Beratern führen. Das war schon sehr umfangreich und vielfältig. Umso zufriedener bin ich, dass es am Ende geklappt hat.

 

[Tilen Kodrin und die anderen Neuzugänge haben in der Vorbereitung bereits einen starken Eindruck hinterlassen, meint Schindler.]

 

OA: Welche Qualität hat der neue Kader und welchen Eindruck haben die Neuzugänge bislang hinterlassen?

Schindler: Individuell hat der Kader noch einmal sehr viel Qualität dazugewonnen. Wozu das am Ende reicht, müssen wir schauen. Ich bin überzeugt, dass wenn sich jeder Spieler weiterentwickelt und wir als Kollektiv zusammenwachsen, wir in den nächsten Jahren eine sehr gute Rolle spielen können. Dafür müssen wir aber natürlich von Anfang an Ergebnisse erzielen, was mit dem jüngsten Kader der Liga nicht einfach wird. Die Neuzugänge bringen ihren Input, aber auch die Spieler aus dem letztjährigen Kader haben nochmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Deshalb macht es unheimlich viel Spaß, die Jungs beim Training zu beobachten. Fakt ist, in den nächsten zwei, drei Monaten werden wir garantiert viele Dinge noch falsch machen. Das ist aufgrund des Alters und der vielen Neuzugänge aber vollkommen normal. Wenn diese Mannschaft schnell zusammenwächst, bin ich überzeugt, dass wir viele gute Ergebnisse erzielen können.

 

OA: Wie erklären Sie sich die Defensivprobleme aus der Vorbereitung?

Schindler: Eine Lösung haben wir da noch nicht wirklich. Wir hatten auch in der vergangenen Saison Spiele, wo es nicht ganz so gut war, insgesamt war die Defensive aber unser großer Rückhalt. Wir werden Woche für Woche daran arbeiten und besser werden. Auf der anderen Seite sind wir im Angriff deutlich stärker als in den vergangenen Jahren.

 

OA: Sie haben langfristig mit Gudjon Valur Sigurdsson (Foto) verlängert. Mussten Sie lange Gespräche miteinander führen und wie sehen Sie seine Arbeit?

Schindler: Tatsächlich waren das gar keine so langen Gespräche. Vor drei Jahren, als wir in Paris zusammensaßen, habe ich ihm von meiner Vision des VfL erzählt. Wir waren schnell auf einer Wellenlänge und es ging darum, den Verein Step by Step nach vorne zu bringen. Diese Entwicklung haben wir konsequent verfolgt und deshalb war es für Goggi wahrscheinlich nur die logische Konsequenz zu verlängern. Für den Verein war sie es allemal. Unsere Anforderungen an ihn hat er zu 100 Prozent erfüllt. Nicht nur von den Ergebnissen her, sondern auch wie das Team auftritt und arbeitet. Ich habe in 20 Jahren Handball noch nie eine trainingsfleißigere Mannschaft gesehen – das ist auch sein Verdienst.

 

OA: Im Sommer hat Kapitän Timm Schneider den Verein verlassen. Für Gudjon Valur Sigurdsson war Julian Köster (Foto) der logische Nachfolger als Kapitän. Viele Fans waren von der Wahl doch ein wenig überrascht. Warum ist Köster aus Ihrer Sicht die richtige Lösung?

Schindler: Für mich war er die einzige logische Entscheidung. Kapitän sein heißt nicht nur gut zu spielen, sondern auch eine Mannschaft zu führen. Julian ist kein normaler 22-Jähriger, sondern spielt wie jemand, bei dem man meint, er hat schon zehn Jahre Bundesligaerfahrung. Er ist in der Mannschaft sehr angesehen und repräsentiert den VfL Gummersbach auf und neben dem Spielfeld. Von daher war es, einhergehend mit seiner Vertragsverlängerung, die logische Konsequenz, dass er die Mannschaft anführen wird und für mich gar nicht so überraschend.

 

OA: Als Geschäftsführer müssen Sie sehr weitsichtig planen. Woran wird beim VfL Gummersbach Erfolg gemessen?

Schindler: Das ist ein sehr differenziertes Thema. Die Aufgabe, die wir seit 2018 haben, ist ja nicht nur, den VfL Gummersbach in der 1. Liga zu halten bzw. zurückzuführen. Es ging zunächst darum, dass wir den Verein auf gesündere Beine stellen mussten und auch noch müssen. Im sportlichen Bereich geht es neben der Entwicklung der Bundesligamannschaft auch um die der Akademie. Beim Partnermanagement wollen wir so viele Unternehmen wie möglich für den VfL begeistern, schließlich ist das unser wirtschaftliches Fundament. Gleichzeitig wollen wir auch die Fans wieder in die Halle locken. Von daher sind das äußerst vielfältige Ziele, bei denen wir noch viele spannende Aufgaben vor uns haben. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung der vergangenen Jahre. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass man sich immer weiterentwickeln muss und nicht ausruhen darf.

 

OA: Mit über 1.622 verkauften Dauerkarten hat der VfL einen neuen Rekord aufgestellt. Spüren Sie hier etwas Neues entstehen?

Schindler: Tatsächlich spüre ich das schon seit zwei oder drei Jahren. Es gab einen ganz wichtigen Punkt: Dass wir damals sehr transparent mit unseren Problemen umgegangen sind und aufgezeigt haben, wie wir damit künftig umgehen wollen. Das hat zu einem großen Schulterschluss von allen Seiten geführt. Mit der sportlichen Entwicklung in den letzten beiden Jahren ist tatsächlich eine Aufbruchsstimmung entstanden, nicht nur in Gummersbach, sondern bei jedem, mit dem man sich über den VfL unterhält. Das freut einen, ist gleichzeitig aber auch Ansporn, weiter Gas zu geben. Denn das Erreichte soll bei weitem nicht das Ende der Fahnenstange sein.

 

[Schindler freut sich endlich wieder Bundesliga-Handball in der SCHWALBE arena erleben zu dürfen.]

 

OA: Warum hat der Verein bewusst darauf verzichtet, die Preise anzuheben?

Schinder: Vor allem als Dankeschön an die Fans. Ich bekomme jeden Tag Schreiben von Dienstleistern, die uns mitteilen, dass sie die Preise erhöhen müssen. Uns geht es da nicht anders als Privatpersonen. Um uns herum wird alles teurer: Jedes Heimspiel, jeder Trainingstag und jedes Event und trotzdem haben wir bewusst darauf verzichtet. Für mich war es damals eine sehr große Hilfe, dass die Dauerkarteninhaber trotz Corona auf Rückzahlungsforderungen verzichtet haben. Deshalb war es für mich die einzig richtige Entscheidung, die Preise nicht zu erhöhen. Auch wenn es kein Geheimnis ist, dass es uns wahrscheinlich sehr guttun würde.

 

OA: Was viele Fans brennend interessiert: Wie steht es um die Konsolidierung des Vereins?

Schindler: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Was wir in den letzten Jahren gemacht haben, waren alles Dinge, die wir uns erlauben konnten. Das wird auch weiter der Weg sein: Wir tun nur Dinge, die wir uns leisten können. Dann bin ich mir auch sicher, dass es irgendwann die Meldung geben wird, der VfL ist so gut aufgestellt wie noch nie. Das sind wir wahrscheinlich sogar schon. Trotzdem haben wir noch viel Arbeit vor uns. Ich denke es ist aber auch nicht richtig, jedes halbe Jahr Zahlen bekannt zu geben, aber insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung.

 

OA: Zwei Tipps zum Abschluss: Wie geht das Auftaktspiel in Lemgo aus und wo landet der VfL Gummersbach am Ende der Saison?

Schindler: Ich denke nicht, dass das Ergebnis in Lemgo ausschlaggebend sein wird, wo wir am Saisonende landen. Aber natürlich wäre es wünschenswert, gut in die Saison zu starten. Ich sehe uns nicht chancenlos, aber Lemgo wird direkt ein echter Gradmesser sein. Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen auch in der nächsten Saison weiter in der Bundesliga spielen. Alles, was wir darüber hinaus erreichen, ist ein Bonus. Das Wichtigste ist, dass sich die Mannschaft entwickelt, dann kommen die Ergebnisse von allein.

 

KOMMENTARE

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Chapeau Herr Schindler…

Alex , 02.09.2022, 21:13 Uhr
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