Gummersbach - Er galt einst als bester Handballer der Welt, ehe ein Zusammenstoß sein Leben vollkommen auf den Kopf stellte - Heute wird Joachim Deckarm 70 Jahre alt (MIT VIDEO/AKTUALISIERT).

+++2. Meldung (Freitag, 17 Uhr)+++

Neben zahlreichen sportlichen Weggefährten wie der Weltmeistermannschaft von 1978 waren auch viele VfL-Teamkameraden von Joachim Deckarm der Einladung von Heiner Brand in das Hotel Steinmüller in Gummersbach gefolgt und gratulierten dem Jubilar persönlich zum Geburtstag. Aus Köln war zudem Regierungspräsident Dr. Christian Nettersheim in die Kreisstadt gekommen. Er bezeichnete Deckarm als tollen Kämpfer und ein Vorbild für alle Generationen.

[Video: Leif Schmittgen --- Impressionen der Geburtstagsfeier.]

Landrat Jochen Hagt hob den jahrzehntelangen respektvollen und liebevollen Umgang mit dem Sportler hervor und Bürgermeister Frank Helmenstein meinte:„Sie sind einfach der Größte!“. Horst Spengler, Kapitän des Weltmeisterteams, sagte, dass er es ohne Jo Deckarm nie so weit in seinem Sport gebracht habe. „Ohne Dich wären wir niemals Weltmeister geworden und ich bin Dir dafür sehr dankbar“, sagte der sichtlich gerührte Spengler. Die etwa 60 Gäste feiern das Geburtstagskind noch bis zum Abend.

[Horst Spengler, Kapitän des 1978er-Weltmeisterteams, gehörte zu den ersten Gratulanten.]

+++1. Meldung (Freitag, 4 Uhr)+++

Der Unfall, der das Leben von Joachim Deckarm radikal veränderte, ist jedem Handballfan noch heute bekannt. Mitte der 1970er galt der Ausnahmeathlet als weltbester Handballer, bis ein unglücklicher Zusammenstoß mit dem damaligen ungarischen Handball-Nationalspieler Lajos Panovics im Europapokalspiel des VfL Gummersbach Tatabanya am 30. März 1979 sein Leben vollkommen auf den Kopf stellte. Der damals 25-jährige Rückraumspieler knallte unglücklich mit dem Kopf auf dem mit einer dünnen Kunststoffschicht überzogenen Hallenboden auf.

Die Folgen: ein doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen. Er lag 131 Tage im Koma und war fortan ein Leben lang auf Pflege angewiesen. Vorwürfe hat er dem Ungarn nie gemacht. „Wir beide wissen, dass der Zusammenprall keine absichtliche Aktion war. Dennoch hat ihn das Unglück seelisch tief getroffen“, sagte Deckarm einmal in einem Interview mit dem Magazin 'Handball Inside'.

[Archivfoto: Thomas Wirczikowski ---- So oft wie möglich versucht „Jo“ Deckarm in der SCHWALBE arena seinen VfL Gummersbach zu verfolgen.]

Dass Deckarm am heutigen Freitag seinen 70. Geburtstag feiern darf, daran glaubte im März 1979 kaum ein Arzt. Doch Deckarm bewies - auch dank der Unterstützung seiner Weggefährten – Durchhaltevermögen, unbändige Willenskraft und Kampfgeist. Der Jahrhundertsportler, der 2013 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen wurde, musste alle Fähigkeiten wie Gehen, Sprechen und Essen neu erlernen. Sein alter Freund Heiner Brand sprach über die Jahre immer wieder von einem „Wunder, dass es so gekommen ist“. Ein Wunder, an dem Deckarm und zahlreiche Helfer immens viel mitgewirkt haben.

Dank finanzieller Erlöse aus seiner Biografie sowie eines eigens eingerichteten Fonds unter dem Dach der Stiftung 'Deutsche Sporthilfe' wurde über Jahre die spezielle medizinische Behandlung finanziert. Lange Zeit lebte Deckarm bei seiner Mutter und später nach deren Tod in einem Heim für betreutes Wohnen in Saarbrücken, ehe er 2018 in die oberbergische Kreisstadt in ein Seniorenheim zurückkehrte. „Depressionen habe ich nie gehabt“, erklärte Deckarm einmal und agierte stets nach seinem Lebensmotto: „Ich will, ich kann, ich muss.“

War Deckarm zu seinem 65. Geburtstag von über 19.000 Menschen in der Kölner LANXESS arena noch ein Ständchen gesungen worden (auch damals spielte das DHB-Team gegen Island), wird es in diesem Jahr einen vergleichsweise eher kleinen Bahnhof geben. Der Grund: Der Gesundheitszustand des Jahrhundertsportlers ist mittlerweile stark schwankend. „Sein körperlicher Zustand setzt ihm leider immer mehr Grenzen. Der Alterungsprozess setzt ihm mehr zu als uns“, berichtet Heiner Brand, der die Feierlichkeiten zu Deckarms heutigem Geburtstag organisiert hat.

Mit etwa 60 Menschen, darunter fast die komplette 78er-Weltmeistermannschaft sowie Vertretern vom VfL Gummersbach und aus der Politik wird es zumindest eine kleine Feier geben. Am morgigen Samstag drückt Jo beim EM-Spiel in der Kölner Arena der Deutschen Mannschaft die Daumen. Zudem wird Deckarm, der auch heute noch möglichst oft die Spiele seines VfL Gummersbach in der SCHWALBE arena verfolgt, am 25. Januar im Saarland eingeladen sein. Dort wird es anlässlich des 70. Geburtstags des gebürtigen Saarländers ein spektakuläres „Deckarm-Festival“ in der Joachim-Deckarm-Halle in Saarbrücken geben. Highlight des Tages wird ein Einlagespiel zwischen einer Saar All Stars-Auswahl und einer Handball-Allstars Auswahl, die von Heiner Brand gecoacht wird, sein.

Deckarm holte in seiner Laufbahn drei Meistertitel und zwei Europapokaltitel mit dem VfL Gummersbach. In 104 Länderspielen erzielte er zudem 381 Tore und gehörte zur legendären Weltmeistermannschaft von 1978. Neben diesen großen sportlichen Fußabtritten, dürfte aber sein unbändiger Lebenswille seine größte Lebensleistung sein. "Die Art und Weise, wie Jo sein schweres Schicksal meistert, ist toll. Er versprüht eine Lebensfreude, mit der er ein perfektes Vorbild nicht nur für Sportler, sondern für alle Menschen in vergleichbarer Situation darstellt", sagte deshalb auch Brand einst dem "SID".

Anm. d Red.: In der ursprünglichen Version des Textes war wegen eines Übermittlungsfehlers zunächst vermeldet worden, dass Joachim Deckarm nicht am EM-Spiel in Köln teilnehmen werde.

WERBUNG