GUMMERSBACH
AfD zieht als stärkste Kraft in den Gummersbacher Integrationsrat ein
Gummersbach – Eine Paradox? Bei der Wahl zu den Migrantenvertretungen in Gummersbach holt die AfD die meisten Stimmen und strebt nun auch den Vorsitz an – Vertreter anderer Parteien lehnen eine Zusammenarbeit ab.
Von Peter Notbohm
Mancher hatte damit schon gerechnet, andere wurden vom Ergebnis der diesjährigen Wahl zum Integrationsrat in Gummersbach vollkommen überrascht. Ausgerechnet bei der Wahl zur Migrantenvertretung in der Gummersbacher Stadtpolitik hat die AfD in der Kreisstadt die meisten Stimmen erhalten. Vertreter einer Partei, die sich zumindest auf Bundesebene offen für Remigration ausspricht, sollen sich in den kommenden fünf Jahren in diesem Gremium um Belange von Bürgerinnen und Bürgern mit ausländischen Wurzeln kümmern.
Fast jeder dritte Gummersbacher Wähler mit einem Migrationshintergrund hat am 14. September bei der Kommunalwahl sein Kreuz bei der AfD gemacht. Die Partei wurde mit 30,18 Prozent Prozent stärkste Kraft und lag damit vor den Integrationslisten von CDU (27,78 Prozent) und SPD (22,09 Prozent). Die AfD erreicht unter Menschen mit Migrationshintergrund sogar ein deutlich höheres Ergebnis als bei der Ratswahl, wo die Blauen auf 20,14 Prozent kamen. Alle drei Parteien erhalten jeweils drei Sitze im neuen Integrationsrat, dazu kommen noch ein Sitz für die Grünen, die beiden Einzelbewerberinnen Lilia Köhler und Fatma Sen sowie sechs noch zu benennende Mitglieder des neuen Stadtrates.
Die Wahlbeteiligung lag bei nur 22,52 Prozent, was allerdings schon als kleiner Erfolg gewertet werden kann, nachdem die Wahlbeteiligung vor fünf Jahren, als der Integrationsrat in Gummersbach erstmals gewählt wurde, bei noch schwächeren 17,8 Prozent lag. Wahlberechtigt waren 13.685 Menschen, die einen ausländischen Pass besitzen oder durch Einbürgerung einen deutschen Pass erhalten haben. Asylsuchende sind nicht wahlberechtigt. Städte mit mehr als 5.000 Bürgern nicht deutscher Herkunft, müssen einen Integrationsrat bilden, in NRW sind es aktuell 107 dieser Gremien. Das Ergebnis ist kein reines Gummersbacher Phänomen: Auch in Detmold, Hagen, Paderborn und St.Augustin holte die AfD in den Integrationsräten die meisten Stimmen, in weiteren Städten wurde sie zweitstärkste Kraft.
Vertreter von CDU und SPD reagieren bestürzt über das starke Ergebnis der AfD. Gummersbachs CDU-Chef Volker Kranenberg freute sich zunächst einmal über das nicht unbedingt erwartete, gute Abschneiden der Liste seiner Partei. Gleichzeitig ist der AfD-Erfolg für den Kommunalpolitiker aber auch keine echte Überraschung: „Es ist kein Geheimnis, dass die AfD unter Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion ein hohes Potential hat, was sie auch abgreift.“ Das sehe man in mehreren Wahlbezirken in Gummersbach und auch Waldbröl, meint er. Für seine Partei schließt er eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus (ebenso mit der Linken und dem BSW) und verweist zudem auf die Erfahrungen der letzten fünf Jahre im Rat: „Wir haben die AfD dort erlebt, da kam nicht viel.“
Ähnlich äußert sich Gummersbachs SPD-Chef Thorsten Konzelmann: „Dass die AfD stärkste Kraft geworden ist, hat uns erschrocken.“ Bei den Genossen befürchtet man nun, dass „die AfD dieses Gremium, das für die Integration ausländischer Mitbürger da ist, nutzt, um zu spalten“. Dennoch habe man diese demokratische Wahl zu akzeptieren, meint der 56-Jährige. Das vorhandene Potential habe man offensichtlich unterschätzt. Ihm ist wichtig, „dass die konstruktive Arbeit des Integrationsrates weitergeführt werden kann“.
In diesem Zusammenhang lobt Konzelmann auch das Wirken der bisherigen Integrationsratsvorsitzenden Mary Roshani Thanapalasingham (SPD), „die mit ihrer authentischen Art sehr gute Arbeit geleistet hat“. Thanapalasingham selbst ist irritiert über das Ergebnis: „Es ist widersprüchlich, dass eine Partei, die diesen Rat abschaffen möchte, Sitze gewonnen hat.“ Der Integrationsrat solle Brücken bauen und Mitsprache ermöglichen, „gerade deshalb ist es entscheidend, seine Arbeit zu stärken und nicht zu schwächen“, fordert die SPD-Kommunalpolitikerin nun den Zusammenhalt aller demokratischen Parteien ein. Aus ihrer Sicht wirbt die AfD mit falschen Versprechen. Sie selbst strebt erneut den Vorsitz des Gremiums an: „Wir haben in den fünf Jahren viel bewirkt und ich denke, diese Position sollte jemand übernehmen, der Erfahrung mitbringt und eine internationale Familiengeschichte hat.“
Anders sieht man das bei der AfD. Bernd Rummler, Vorsitzender der AfD Oberberg, verweist darauf, dass viele AfD-Parteimitglieder einen Migrationshintergrund hätten. Den Integrationsrat wolle der Gummersbacher Stadtverband nicht dazu missbrauchen, um AfD-Positionen vorne anzustellen, stattdessen wolle man „die Integration der gut integrierten und fleißigen Menschen weiter unterstützen“. Wichtig sei dabei ein arbeitsfähiges Gremium. Aus seiner Sicht gibt es viele Probleme im Bereich der Migration, die es zu lösen gilt: „Wir sind bereit, mit jedem zu sprechen, sodass das ein vernünftiges Gremium werden kann. Das Problem sind nicht die fleißigen Menschen, sondern die unwilligen.“
Den Vorsitz im Integrationsrat will Patrizio Milia anstreben. Der gebürtige Italiener gehört zu den drei AfD-Kandidaten, die über einen Listenplatz eingezogen sind. Er betreibt den Fight Club Milia. Dem Kampfsportclub wird von der Vereinigung „Oberberg steht auf gegen rechts“ eine rechtsextremistische Gesinnung vorgeworfen, was Milia vehement bestreitet. Er strebt eine enge Zusammenarbeit mit dem Ressort Integration an, rechnet allerdings auch damit, dass die weiteren Gremiumsvertreter ihn und seine beiden Parteifreunde blockieren werden: „Mein Ziel ist es mehr zu tun, als der bisherige Rat. Das war quasi gar nichts. Ich habe eine starke Community mehrerer Nationen hinter mir. Über den Sport lässt sich sehr viel für die Integration erreichen. Die zehn Events in fünf Jahren Integrationsrat haben mit Integration nichts zu tun.“
