BLAULICHT
Zwei Angeklagte – aber nur einer muss es ausbaden
Waldbröl – Die Staatsanwaltschaft wirft einem ehemaligen Pärchen Insolvenzverschleppung vor – Verbindlichkeiten in Höhe von rund 130.000 Euro – Einstellung für den Mann, Freiheitsstrafe für die Frau.
Anne E. aus Nümbrecht und Peter B. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) aus Siegen waren nicht nur privat ein Paar, sondern hatten auch beruflich miteinander zu tun. Unter anderem sollen die beiden in Nümbrecht für eine UG, eine Unternehmergesellschaft, tätig gewesen sein. Doch koscher lief die ganze Sache nicht, mit dem Ergebnis, dass die beiden sich vor dem Amtsgericht Waldbröl wegen einer Insolvenzverschleppung verantworten mussten (OA berichte). Vor zwei Wochen mussten sie bereits auf der Anklagebank Platz nehmen. Da die Aussage einer Zeugin aber noch fehlte, ging die Verhandlung gestern in die zweite Runde – mit dem deutlich besseren Ergebnis für den 58-Jährigen: denn während Peter B. nun aus dem Schneider ist, sieht sich seine 52-jährige Expartnerin mit einer Freiheitsstrafe konfrontiert.
Die Staatsanwaltschaft hat Anne E. als Geschäftsführerin der UG und Peter B. als „faktischen Geschäftsführer“ vorgeworfen, weder einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt noch Handelsbücher geführt sowie in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 auch keine Bilanz aufgestellt zu haben. Ende 2022 wurde der Betrieb eingestellt. Der Insolvenzantrag ist laut Richterin Becher am 18. November 2023 vom Bundesamt für Justiz gestellt worden. Zur Insolvenzeröffnung kam es im März 2024. Einem Insolvenzgutachten zufolge habe eine „materielle Insolvenz“ vorgelegen. Ermittelt wurden Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von rund 130.000 Euro. Bei über 83.000 Euro habe es sich dabei um Steuerverbindlichkeiten wie nicht gezahlte Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer gehandelt.
Zum ersten Termin waren neben einem Notar und Fachanwalt auch zwei Zeuginnen geladen. Während eine 67-jährige Gummersbacherin vor Ort war, unter anderem von einem ziemlichen Firmengeflecht und einem Durcheinander berichtete und auch davon, dass sie eigentlich nur zu Peter B. Kontakt gehabt habe, war Claudia T. nicht erschienen. Sie fehlte aus gesundheitlichen Gründen, hatte dem Gericht ein entsprechendes Attest nachgereicht. Gestern war die 45-Jährige aber zur Verhandlung gekommen. Dort sagte sie aus, dass sie im Oberbergischen ein Buchhaltungsbüro habe. In diesem Büro habe es 2015 auch einen ersten Kontakt mit Peter B. gegeben, der sie auch beauftragt habe. Die Angeklagte wiederum kenne sie nicht, sagte Claudia T.
In dem Gespräch „ging es um Buchhaltungsmandate für verschiedene Firmen“, schilderte die 45-Jährige. Für die besagte UG habe sie nur 2015 und 2016 Daten verbucht. Dafür habe sie ein Programm genutzt, bei dem die Mandanten ihre Belege selbst einscannen können. Über Lohnabrechnungen habe es noch länger Kontakt gegeben, ungefähr bis 2020. „Und dann ging es noch um Kurzarbeitergeld“, sagte sie. Für ihre Arbeit habe sie Rechnungen gestellt. Irgendwann habe sie das Mandat aber niedergelegt. „Da kam nichts mehr. Und da war so wenig Kommunikation“, sagte Claudia T. 2020 habe sie nochmal „etwas machen sollen“, das habe sie aber abgelehnt und unbearbeitet zurückgegeben.
Für die Richterin ging es vor allem um die Frage, ob eine faktische Geschäftsführung seitens Peter B. vorlag oder nicht – und „da waren schon Anhaltspunkte für da“, sagte Becher. Sie machte aber auch deutlich, dass das „rechtlich eine schwierige Situation“ sei. Unklar ist auch, seit wann die Zahlungsunfähigkeit bestanden hat. Das zu ermitteln, war für das Gutachten nicht nötig – und ist auch an anderer Stelle nicht passiert. Fakt ist aber, dass Anne E. die Geschäftsführung inne hatte – und im Gegensatz zu Peter B. auch vorbestraft ist. Der Richterin zufolge gab es im März 2023 am Amtsgericht Potsdam einen rechtskräftigen Strafbefehl. Anne E. soll für ein weiteres Unternehmen als Geschäftsführerin tätig gewesen sein, wahrheitswidrige Angaben gemacht und 9.000 Euro an Corona-Hilfen erhalten, aber keinen Anspruch gehabt haben. Auch hier soll Peter B. seine Finger mit im Spiel gehabt haben. „Er war der Besitzer“, sagte die 52-Jährige.
Während Peter B. gestern mit einer Einstellung des Verfahrens gegen ihn davongekommen ist, wurde Anne E. – wie es auch die Staatsanwaltschaft gefordert hat – zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Einige Punkte aus der Anklageschrift wurden mit Blick auf eine mögliche Verjährung ausgeklammert, es blieben aber das Fehlen eines Insolvenzantrags, der spätestens Ende 2022 hätte gestellt werden müssen, sowie das Fehlen von Handelsbüchern und einer Bilanz. Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass der Angeklagten „nebulös klar“ war, dass es finanzielle Probleme gab. Als Geschäftsführerin sei sie ihren Pflichten aber nicht nachgekommen, habe sich nicht eingearbeitet und einiges versäumt. Der Staatsanwalt sah deshalb einen „bedingten Vorsatz“. Richterin Becher hat die Angeklagte letztlich wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Bankrott verurteilt. Die Bewährungszeit läuft zwei Jahre.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
