BLAULICHT
Wipperfürther muss nach Raubüberfall auf Rewe-Märkte für mehr als fünf Jahre in Haft
Oberberg – 45-Jähriger schimpft nach Urteil am Landgericht Köln – Seine Schadensersatzzahlung und sein Geständnis sieht er nicht genügend gewürdigt - Nach dem unbekannten Mittäter wird weiter gefahndet.
Von Peter Notbohm
Das Urteil war längst gefallen, da ließ Murat D. (Anm.d.Red.: Name geändert) seine Maske fallen. In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte noch gesagt, er wolle sich für seine Taten entschuldigen und hoffe auf eine Chance. Doch mit dem Schuldspruch war diese Hoffnung wohl bereits erloschen. Resignierend und den Kopf in seine Hände vergraben verfolgte der 45-jährige Wipperfürther die Urteilsbegründung von Richter Dr. Volker Köhler. Nur selten suchte er den Blick seiner Ehefrau im Zuschauerraum. Die 18. Große Strafkammer hatte den Mann gerade wegen zwei Fällen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Mit nur wenigen Sätzen riss Murat D. das zuvor sorgsam aufgebaute Kartenhaus seiner Verteidigerin Iris Stuff wieder ein. „Ihr mit euren Gesetzen. Ihr habt mich abkassiert. Während Pädophile viel mehr Schaden anrichten, soll ich nur wegen einer Frau für fünf Jahre und zwei Monate ins Gefängnis“, rief er frustriert in Richtung der Kammer. Am Urteil änderte das nichts mehr. Wirklich verstanden schien der Wipperfürther allerdings nicht gehabt zu haben, dass die Kammer mit ihrem Urteil (mögliche Höchststrafe: 15 Jahre) durchaus gnädig war. Schon der Staatsanwalt hatte wohlwollende fünf Jahre und sechs Monate gefordert, die Verteidigung auf eine Strafe von maximal drei Jahren und sechs Monaten plädiert.
Auch Richter Köhler betonte: „Das waren zwei erhebliche Dinger, die sie da gedreht haben!“ Nach mehreren Verhandlungstagen war die Kammer davon überzeugt, dass Murat D. mit einem weiterhin unbekannten Mittäter am 12. September und am 18. Dezember des vergangenen Jahres zwei Rewe-Filialen in Marienheide-Schemmen und in Ehringshausen (Hessen) überfallen hat. Die Beute damals: 6.404,74 Euro und 6.293,67 Euro. In beiden Fällen wurden zwei Mitarbeiterinnen mit vorgehaltener Waffe eingeschüchtert und anschließend gefesselt zurückgelassen. Bei einer späteren Hausdurchsuchung wurde im Februar dieses Jahres zudem ein alter Revolver mit Munition gefunden.
Dass sich das Urteil trotzdem eher im unteren Drittel des Strafrahmens bewegte, hatte aus Sicht der Kammer mehrere Gründe. Zuallererst: Kurz vor Ende des Prozesses legte Murat D. doch noch ein vollständiges Geständnis ab und räumte auch den Überfall auf den Rewe-Markt in Marienheide ein. Den hatte er bislang kategorisch geleugnet. „Auch ein spätes Geständnis ist ein Geständnis“, so Köhler.
Außerdem: Der 45-Jährige nahm ein weiteres privates Darlehen in Höhe von 10.000 Euro bei seinem Bruder auf, um den entstandenen Schaden zu begleichen. Der Rest der insgesamt 20.000 Euro soll als Schmerzensgeld an die vier Supermarktmitarbeiterinnen ausgezahlt werden. „Damit heben sie sich von vielen Tätern ab, bei denen es bei Ankündigungen und Teilzahlungen bleibt. Sonst wären wir hier ganz wo anders“, sagte der Richter.
Zudem habe Murat D. sein Möglichstes getan, um seinen Mittäter zu verraten. Der war zwar bislang nicht zu ermitteln, das Gericht folgte aber der Argumentation der Verteidigung, dass man die Ermittlungsfehler der Polizei nicht dem Angeklagten zurechnen dürfe. Ihr sei es unbegreiflich, warum es den Ermittlern nicht gelungen sei, einen simplen Eintrag in einem Handy zu finden und man habe Wochen vergehen lassen, ehe man ihren Mandanten dazugeholt habe, hatte die Rechtsanwältin deutliche Kritik geübt: „Für diese vergeudete Zeit kann er nichts.“ Laut Staatsanwaltschaft gibt es inzwischen zwar einen Tatverdächtigen, aktuell sei aber unklar, ob man den richtigen Mann habe, da Murat D. ihn auf Fotos nicht habe identifizieren können.
Was die Kammer dem Wipperfürther, der seit mehreren Jahren alkohol- (vier Bier pro Tag) und kokainabhängig (ein bis zwei Gramm täglich) ist, allerdings vorwarf: Die Fesselung der vier Frauen nach dem Überfall. Zwar sei diese amateurhaft gewesen, aus Sicht der Richter aber auch völlig unnötig. „Das war nur ein psychologisches Machtspiel. Von allen Frauen ging kein Widerstandspotential aus. Sie dann noch zu fesseln hat nur ihre Wehrlosigkeit und Ausgeliefertheit manifestiert“, fand Köhler deutliche Worte. Die Opfer der Raubüberfälle habe man als „belastet“ wahrgenommen: „Da ist noch einiges aufzuarbeiten.“ Eine der Frauen hatte vor Gericht unter Tränen ausgesagt und auch die Entschuldigung des 45-Jährigen nicht angenommen.
Auch eine von der Verteidigung angenommene verminderte Schuldfähigkeit lehnte das Gericht ab. Ihr Mandant sei von dem Mittäter nach dem gemeinsamen Drogenkonsum überrumpelt worden. Man habe ihm in Marienheide Waffe und Maske in die Hand gedrückt, er sei im Rausch vor allem Mitläufer gewesen, hatte die Rechtsanwältin argumentiert. In Ehringshausen habe Murat D. nicht einmal mehr eine Maske bekommen. „Er war nie die treibende Kraft, sondern wurde als Futter den Kameras zum Fraß vorgeworfen.“
Eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit sahen die Richter deshalb aber nicht und auch keinen minderschweren Fall. Vielmehr habe das gesamte Verhalten während der Raubüberfälle „sehr gut abgesprochen gewirkt“, sagte Köhler: „Jeder wusste, was er tut.“ Er sah die Gründe eher in der finanziellen Not von Murat D.: „Ihnen stand das Wasser bis zum Hals. Da kann man Hemmschwellen leichter überwinden.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.