BLAULICHT

Wenn Liebe blind macht

pn; 29.06.2022, 18:30 Uhr
BLAULICHT

Wenn Liebe blind macht

pn; 29.06.2022, 18:30 Uhr
Wipperfürth/Lindlar – 52-Jähriger muss sich am Amtsgericht Wipperfürth wegen eines Falles häuslicher Gewalt verantworten – Mann konnte sich nicht zwischen Affäre und Ehefrau entscheiden.

Von Peter Notbohm

 

Ein geläufiges Sprichwort sagt „Liebe macht blind“. Dass dieser Zustand in Dreiecksbeziehungen auch auf mehrere Personen zutreffen kann, zeigte sich am Mittwoch am Wipperfürther Amtsgericht. Denn am Ende des knapp zweieinhalbstündigen Verfahrens musste Richter Stefan Krieger entscheiden, wem er mehr Glauben schenkt: Eric T. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), der seine Affäre brutal zusammengeschlagen haben soll, vor Gericht aber ein Alibi seiner Ehefrau bekam. Oder doch dem vermeintlichen Opfer Sarah K. Denn letztlich stand Aussage gegen Aussage und der Vorsitzende musste sich bei der Urteilsfindung vor allem auf die vielen kleinen Indizien in der Beweisführung verlassen.

 

Angeklagt war der 52-jährige Eric T., weil er am 18. April des vergangenen Jahres seine 53-jährige Geliebte in der gemeinsamen Wohnung in Lindlar gewürgt, mehrfach geschlagen und ihr sogar gedroht haben soll, sie zu erschießen. Der Grund: Sie habe seiner Ehefrau, mit der er ebenfalls noch zusammenlebte, von der Affäre erzählen wollen. Die Version des Lindlarers, der während des gesamten Prozesses sichtlich nervös wirkte und sich phasenweise um Kopf und Kragen redete, klang allerdings völlig anders: Seine Frau habe immer von der Affäre gewusst und er sei am vermeintlichen Tattag gemeinsam mit ihr zu der gerade einmal 800 Meter entfernten Wohnung gefahren, um die Liaison endgültig zu beenden. Mehr als ein hochemotionales Gespräch, bei dem „viele unschöne Dinge gesagt wurden“, habe es dort nicht gegeben – schon gar keine körperlichen Übergriffe.

 

Kennengelernt hatten sich Eric T. und Sarah K. bereits 2009 über das längst abgeschaltete soziale Netzwerk „Wer-kennt-wen“. Den Kontakt hatte er damals aber auch wieder abgebrochen. Erst 2019 – wenige Tage vor seinem 49. Geburtstag und knapp zwei Jahre nach der Hochzeit mit seiner aktuellen Ehefrau Jasmin T. – hatte er sie über Facebook erneut kontaktiert. Nach mehreren Treffen habe er ihr seine Liebe gestanden, dazu erklärt, damals einen Fehler gemacht zu haben und nun die Scheidung einreichen zu wollen, berichtete Sarah K. - sogar einen Antrag habe er ihr gemacht.

 

Eine gemeinsame Wohnung war Anfang 2020 gefunden, sie zog im März ins Oberbergische. Doch aus dem neuen Liebesglück wurde nichts: Mit fadenscheinigen Gründen habe der Lindlarer immer wieder begründet, warum er noch in der alten Wohnung bleiben müsse. Eine Scheidung sei ihm plötzlich zu teuer gewesen, Ende des Jahres eröffnete Eric T. seiner Geliebten sogar, dass seine zwischenzeitlich ausgezogene Ehefrau wieder einziehen werde – vermeintlich aus finanziellen Gründen, da der Immobilienmakler nicht genügend Geld verdiente. All das habe sie lange geduldet, erzählte die Frau: „Ich hatte die Perspektive auf ein gemeinsames schönes Leben. Wenn man jemanden liebt, akzeptiert man das.“ So habe sie die immer neuen Ausreden zwar registriert, aber sich von ihm immer wieder bequatschen lassen: „Ich hing zu sehr an ihm.“

 

Den Tattag konnte die 53-Jährige sehr detailliert wiedergeben. Eric T. sei damals mit hasserfülltem Gesicht in die Wohnung gestürmt, habe sie sofort am Hals gepackt, gewürgt und sie geschlagen. Abgelassen habe er erst nach vielen Aufforderungen, endlich zu gehen. Während der Schilderungen musste sie immer wieder schlucken, kurze Pausen einlegen und mit den Tränen kämpfen. Entsetzt sei sie gewesen, dass auch seine Ehefrau vor der Tür gewartet habe und sich in einem anschließenden klärenden Gespräch völlig gefühlskalt gezeigt habe. Zunächst wollte Sarah K. ihn nicht einmal anzeigen und tat dies erst auf Drängen eines Bekannten, der ebenfalls als Zeuge aussagte. Ärzte stellten im Nachhinein eine Kehlkopfquetschung, mehrere Kratzer, Hämatome und Prellungen fest. Dazu habe sie unter Angstattacken und Schlafstörungen gelitten.

 

Der Verteidiger von Eric T. nannte ihre Schilderungen anfangs einen „dramatischen Auftritt“, später „eine Räuberpistole“. Er zeichnete stattdessen ein Bild einer enttäuschten Geliebten, die nun mittels eines „perfiden Plans“ Rache nehme. Unterstützt wurde er dabei vom Angeklagten: „Ihre letzten Worte zu mir waren, dass sie mich in den Knast bringen wolle – egal wie.“ Dass die Ehefrau die Affäre duldete und zwischenzeitlich ausgezogen war, sei ebenfalls ein Schritt der Liebe gewesen: „Ich liebte ihn und wollte ihm nicht im Wege stehen. Was hätte ich anderes machen sollen?“, fragte sie den Richter. Später habe man sich aber wieder zusammengerauft.

 

Während die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro für den nicht vorbestraften Angeklagten forderte, verlangte die Verteidigung einen Freispruch. Vor allem, dass Sarah K. nie nach Hilfe gerufen habe oder geflüchtet sei, als die Möglichkeit dazu bestand, sei völlig realitätsfremd – stattdessen unterstellte er ihr eindeutige Belastungstendenzen: „Sie war alles, nur nicht glaubhaft. Wir sitzen nur hier, weil sie meinen Mandaten ins Gefängnis bringen will.“

 

Richter Krieger überzeugte diese Argumentation nicht. Er verurteilte den 52-Jährigen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 Euro. Die Version der Angeklagten ergebe aus seiner Sicht wesentlich mehr Sinn und sei durch viele Kleinigkeiten – u.a. den WhatsApp-Chatverlauf vom Tattag – belegbar. Das Benehmen des Angeklagten vor Gericht bezeichnete er zudem als „unterirdisch“. „Am Ende fehlten mir vernünftige Zweifel an ihrer Schuld“, so Krieger. Dass es trotzdem nur bei einer Geldstrafe blieb, liege an der bislang weißen Weste von Eric T. sowie der Tatsache, dass die Verletzungen letztlich nur gering gewesen seien.

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