BLAULICHT

Vergewaltigungsprozess: Freispruch trotz erheblicher Zweifel

pn; 23.12.2023, 07:00 Uhr
Symbolfoto: Peter Notbohm ---- Am Amtsgericht Wipperfürth musste sich ein Mann aus Radevormwald u.a. wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten.
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Vergewaltigungsprozess: Freispruch trotz erheblicher Zweifel

pn; 23.12.2023, 07:00 Uhr
Wipperfürth – Wegen Vergewaltigung und körperlicher Misshandlung in der Ehe musste sich ein Mann aus Radevormwald vor dem Amtsgericht Wipperfürth verantworten – Zu viele Widersprüche seiner Ex-Frau führten zu einem Freispruch.

Von Peter Notbohm

 

Am Ende stand Aussage gegen Aussage – und ein Freispruch trotz erheblicher Zweifel. Wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs, Verstoßes gegen das Kontaktverbot, Beleidigung und körperlicher Misshandlung musste sich in dieser Woche Jens F. (Anm.d.Red.: Name geändert) vor einem Schöffengericht am Amtsgericht Wipperfürth verantworten. Der Vorwurf: Der Mann aus Radevormwald soll seine Noch-Ehefrau – das Scheidungsverfahren läuft bereits länger – im Dezember 2020 mit seinen Fingern vergewaltigt haben. Dasselbe soll er auch im August 2021 versucht haben.

 

Im November 2021 soll er trotz eines inzwischen bestehenden Kontaktverbotes zudem in die ehemalige gemeinsame Wohnung in Hückeswagen eingedrungen sein und die Frau dort beleidigt und ihr mehrere Ohrfeigen gegeben haben. Der gemeinsame kleine Sohn soll vieles davon gesehen haben und befindet sich wegen der während der Ehe erlittenen Traumata in psychologischer Behandlung. Jens F. hatte sich in dem Verfahren über eine Stellungnahme seines Verteidigers eingelassen, in der sämtliche Vorwürfe bestritten wurden. Nachfragen ließ er nicht zu. Den Blickkontakt zu seiner Noch-Ehefrau vermied er während des gesamten Prozesses.

 

In seinem Urteil ließ Richter Stefan Krieger keinen Zweifel aufkommen: „Die Vorwürfe erscheinen plausibel und erlebnisbasiert und wir sind zweifelsfrei der Überzeugung, dass sie Straftaten begangen haben.“ Dass das Verfahren vor dem Schöffengericht, dem auch zwei Frauen angehörten, trotzdem mit einem Freispruch endete, habe allerdings Gründe, wie er ausführlich erläuterte. Das Gericht habe es mit einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zu tun gehabt, bei der sehr kritisch zu prüfen sei, ob „das grundsätzliche Gleichgewicht beider Aussagen außer Kraft gesetzt ist“.

 

Das mussten die Richter letztlich verneinen. Dafür hatte die Frau, der schon in ihrer Kindheit Missbrauch widerfahren ist und die deshalb bereits mehrfach in Behandlung war, zu viele widersprüchliche Aussagen zum Kerngeschehen gemacht. „Dieses Urteil heißt nicht, dass wir der Zeugin nicht glauben, sondern lediglich, dass ihre Aussage nicht für eine Verurteilung reicht“, so der Richter, der ausdrücklich von einer „Geschädigten, der im Laufe der Beziehung extrem viel widerfahren ist“, sprach.

 

Die Hückeswagenerin nannte die Ehe mit Jens F. einen Teufelskreis, aus dem sie nie habe ausbrechen können. Er habe sie immer unter Druck gesetzt und sie habe sich in einer Abhängigkeit von ihm befunden: „Ich hatte Angst zu gehen. Er hat mir wahnsinnige sechs Jahre angetan.“ Als wenig hilfreich erwies sich allerdings ihre Aussage, dass der Streit, der zu der Vergewaltigung im Dezember 2020 geführt haben soll, darin begründet gewesen sein soll, dass sie ihrem Mann offenbart habe, mit einem ehemaligen Kölner Karnevalsprinzen eine Affäre begonnen zu haben. Den habe sie zuvor über Facebook kennengelernt. Bei ihrer polizeilichen Aussage hatte sie den Mann allerdings noch völlig verschwiegen.

 

Der Auftritt des Kölners vor Gericht geriet zur Farce: Er habe in seiner Zeit als Prinz zwar einige Frauenbekanntschaften gehabt. Von Chats oder einem intimen Verhältnis mit der Hückeswagenerin wusste er allerdings nichts, sondern beschwerte sich noch, warum er zweimal wegen Etwas, mit dem er nichts zu tun habe, aus Köln nach Wipperfürth habe reisen müssen, nachdem der Prozess einmal geplatzt war. Die Frau gab an, dass sie die Chats ebenfalls nicht mehr habe.

 

Auch die Aussage der erwachsenen Tochter der Hückeswagenerin half dem Gericht kaum weiter. Sie machte ebenfalls widersprüchliche Angaben und sagte zudem, dass sie zu ihrer Mutter ein sehr angespanntes Verhältnis habe und von dem Anruf, der nicht mehr als ein paar Minuten gedauert habe, sehr überrascht gewesen sei. Der neue Lebensgefährte der Frau sagte indessen aus, dass er im November 2021 die Polizei gerufen hatte. Er habe Jens F. versteckt auf dem Speicher der Wohnung gefunden, während die Hückeswagenerin mit knallrotem Gesicht im Flur gesessen habe.

 

Während die Verteidigung aufgrund der vielen unterschiedlichen Versionen des Kerngeschehens einen Freispruch forderte, sah die Staatsanwaltschaft zumindest den Verstoß gegen das Kontaktverbot nachgewiesen und forderte aus dem Strafbefehl heraus eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro. Die Nebenklagevertreterin verzichtete auf einen eigenen Antrag. Das Gericht stellte zwar fest, dass Jens F. trotz des Näherungsverbotes in der Wohnung gewesen war, verzichtete aber auf eine Strafe und nahm stattdessen die Hückeswagenerin in die Pflicht, weil sie trotz des Erlasses mehrfach selbst den Kontakt zu ihrem Noch-Mann gesucht hatte.

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