BLAULICHT
Verfahren eingestellt: Anwalt sät Zweifel mit einer Google-Suche
Waldbröl – Mit einem blauen Auge kam am Amtsgericht Waldbröl ein Wiehler (22) davon – Sein Verfahren wegen Sprengung eines Zigarettenautomaten wurde gegen Zahlung von 810 Euro eingestellt.
Von Peter Notbohm
Die Sprengung eines Zigarettenautomaten in der Nümbrechter Schloßstraße im Februar 2023 bleibt weitgehend unaufgeklärt. Nachdem im Januar 2024 Michael F. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert), ein damals 19-jähriger Nümbrechter, als Mitläufer verurteilt wurde (OA berichtete), ist nun das Verfahren gegen Jeremy C., einen Wiehler (22), gegen Zahlung von 810 Euro eingestellt worden. Mit einem „Polen-Böller“ hatten damals mehrere Unbekannte den Automaten aufgesprengt (Schaden: 1.500 Euro) und waren mit der Geldkassette sowie zahlreichen versengten Zigarettenschachteln verschwunden.
Gegen Jeremy C. war schon einmal im Mai des vergangenen Jahres verhandelt worden (OA berichtete). Nach einer längeren Verfahrenspause wurde der Prozess nun erneut aufgerollt, endete schließlich aber mit der Einstellung des Verfahrens. Das lag auch an der gewieften Verhandlungstaktik seines Verteidigers, der sich nicht nur mehrfach in Wortgefechte mit dem Staatsanwalt verstrickte, sondern auch an den Aussagen eines Zeugen mittels einer Google-Suche reichlich Zweifel an dessen Erinnerungsvermögen säte.
Auf der Zeugenbank nahm nämlich Michael F. Platz. Der inzwischen 21-jährige Nümbrechter erinnerte sich zwar daran, dass sein damaliger Freund an der Automatensprengung beteiligt gewesen sei, konnte aber nicht sagen, in welchem Umfang. „Ich wurde damals aus dem Auto rausgeworfen und stand in einiger Entfernung Schmiere. Deshalb kann ich nicht sagen, wer was gemacht hat“, sagte der Nümbrechter aus, der selbst mit einem Anwalt vor Gericht erschienen war. Den Rat seines Verteidigers musste er im Rahmen der Befragung mehrfach einholen.
Trotzdem blieb es bei erheblichen Erinnerungslücken: Sie seien zu viert gewesen, an weitere Namen könne er sich aber nicht erinnern, den Kontakt habe er nach seiner Verhaftung abgebrochen. Er sei damals schwer abhängig von Xanax-Tabletten, einem Arzneimittel zur Linderung von Angstzuständen, gewesen, sagte der Nümbrechter. Pro Tag habe er einen Blister mit zehn bis 15 Tabletten des Benzodiazepins konsumiert – Ärzte verschreiben im Krankheitsfall in der Regel maximal eine Tablette pro Tag.
Der Verteidiger von Jeremy C. war hier längst hellhörig geworden und suchte bei Google nach Nebenwirkungen des Medikaments. Die Fragen nach Blackouts, Realitätsverzerrungen, dem Erfinden von Erinnerungen, leichter Beeinflussbarkeit und einer Reaktionsverlangsamung bejahte Michael F. durchgängig: „Man verliert jedes Zeitgefühl.“ Obwohl er das Medikament inzwischen abgesetzt habe, spüre er die Nachwirkungen noch heute: „Sich an etwas zu erinnern oder sich etwas zu merken, fällt mir extrem schwer.“
Einzelrichterin Svenja Defourny reichten diese Aussagen und bat alle beteiligten Juristen zu einem Rechtsgespräch, in dessen Folge sie den einzigen weiteren Zeugen, einen Polizeibeamten, unverrichteter Dinge wieder nach Hause schickte und das Verfahren aufgrund der schwierigen Beweislage vorläufig einstellte. Endgültig eingestellt wird es, sobald Jeremy C. die 810 Euro in mehreren Raten an die Kinderkrebshilfe geleistet hat.
