BLAULICHT

Lebenslange Haft: Seine schwarze Seite hat zum Spiel mit dem Leben des Großvaters geführt

pn; 17.11.2023, 15:40 Uhr
Foto: Peter Notbohm ---- Ein 22-jähriger Gummersbacher wurde heute am Kölner Landgericht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
BLAULICHT

Lebenslange Haft: Seine schwarze Seite hat zum Spiel mit dem Leben des Großvaters geführt

pn; 17.11.2023, 15:40 Uhr
Köln/Gummersbach – 22-jähriger Gummersbacher wird wegen Mordes und Brandstiftung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt – Richter spricht im Urteil von inszenierter Rettungsshow nach einem Hinterhalt.

Von Peter Notbohm

 

Nahezu regungslos folgte Daniel H. (Anm.d.Red.: Name geändert) der Urteilsbegründung – wie schon dem gesamten Verfahren, in dem er durchweg geschwiegen hatte. Eine Schwurgerichtskammer um den Vorsitzenden Richter Peter Koerfers verurteilte den 22-jährigen Gummersbacher am Freitag zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes und Brandstiftung mit Todesfolge. Die Richter waren überzeugt davon, dass der junge Mann seinen Großvater (83) am 13. Juli des vergangenen Jahres zunächst sediert und später dessen Wohnung angezündet hat. Der Rentner war zwar noch aus dem Haus gerettet worden, verstarb aber einen Tag später im Krankenhaus an den Folgen einer Rauchgasvergiftung.

 

Wie schon der gesamte Prozess war auch das Urteil von großem öffentlichem Interesse begleitet worden. Der Gerichtsaal am Kölner Landgericht war bis auf den letzten Platz gefüllt. Überhaupt keine Zweifel an der Schuld von Daniel H. in dem Indizienprozess zeigte die Kammer, die von einer Indizienkette sprach“, die bei ihrer Dichte keinen anderen Schluss zulässt“. Man habe es bei dem Angeklagten mit einem Menschen mit zwei völligen unterschiedlichen Seiten zu tun gehabt. Da gebe es den hilfsbereiten und fürsorglichen jungen Mann, dem man eine solche Tat überhaupt nicht zutraue. Aber es gebe auch eine „schwarze Seite, die zum Spiel mit dem Leben des Großvaters geführt hat“, so Richter Koerfers. Er betonte, dass man die Gerüchte, dass es sich bei Daniel H. um den angeblichen Feuerteufel von Gummersbach gehandelt haben soll, vollkommen außer Acht gelassen habe.

 

Ausführlich skizzierte die Kammer zunächst die Lebensverhältnisse des Verstorbenen und des Angeklagten sowie die Beziehung untereinander. Koerfers sprach von einem „guten Verhältnis“ zwischen Großvater und Enkel. Im Juli 2022 habe der Angeklagte dann aber den Plan entwickelt, einen Brand zu legen und das Familienoberhaupt heroisch zu retten. „Er hat das getan, um Anerkennung zu ernten. Er suchte ein Publikum für sein Handeln“, sprach der Vorsitzende von einer inszenierten Rettungsshow durch den Gummersbacher. Damit der Großvater von alldem nichts mitbekommt und sich auch nicht selbst retten kann, habe er ihn mit einer Überdosis eines Schlafmittels sediert.

 

Zehn Tabletten Zopiclon soll er im Kaffee des 83-Jährigen am Morgen aufgelöst haben, die Wirkung des schnell wirksamen Medikaments soll schnell eingesetzt haben – der Großvater wirkte auf den Videoaufzeichnungen der vier Überwachungskameras in dem Haus stark angeschlagen. Zudem hatte Daniel H. aus Sicht der Richter schon einige Tage vorher die Familie immer wieder gewarnt haben, dass der starke Raucher mehr aufpassen müsse, wie er mit seinen Zigaretten umgehe. „All das diente der Legendenbildung“, so Koerfers.

 

Am Mittag, nach einem Termin des Großvaters beim Augenarzt, habe der Angeklagte dann die Gelegenheit gesehen, seinen Plan endgültig in die Tat umzusetzen. Der 83-Jährige sei derart geschwächt gewesen, dass er sich sofort auf die Couch gelegt habe. Gegen 12 Uhr habe Daniel H. dann mit einem Feuerzeug, den danebenstehenden Sessel angezündet und neben der Zerstörung des Hauses auch den Tod des schlafenden Großvaters billigend in Kauf genommen. Alles, was danach passierte, bezeichnete Koerfers als „Fortsetzung der aufgebauten Legende“: Vom Besuch im Paketshop, über einen Abstecher zu seiner eigenen Wohnung, bis hin zur Rückkehr zum mittlerweile in Brand stehenden Wohnung seines Opas, von wo er selbst den Notruf abgesetzt habe.

 

Auch dort habe er vor allem eine Show abgezogen, so Koerfers: „Es ging ihnen nur darum, Zeit zu schinden und ihre Show zu inszenieren.“ Das Einwerfen der Terassentür mit einem Stein, das Rufen nach dem Hund, das Telefonieren mit Familienmitgliedern - Vieles habe eine gewisse Dramatik gehabt. Erst als die Feuerwehr vor Ort eintraf, habe sich der 22-Jährige entschlossen, seinen Großvater „heldenhaft“ zu retten. Der Senior war mittlerweile durch starke Verbrennungen an seinem Arm selbst wach geworden und habe sich mit letzter Kraft in den Hausflur geschleppt. „Aber bereits drei bis fünf Atemzüge mit Rauchgas reichen, um bewusstlos zu werden“, berief sich der Richter auf einen Gutachter. Der Großvater wurde vor Ort zwar noch reanimiert, verstarb aber am nächsten Tag.

 

Nachdem Koerfers den Fall noch einmal detailliert nachskizziert hatte, lieferte er gleich mehrere Begründungen, warum die Kammer von der Schuld des 22-Jährigen überzeugt ist. Da waren zunächst die Aufnahmen der Überwachungskameras, zudem sei die Geschichte von Daniel H. schon dadurch widerlegt, dass eine heruntergefallene Zigarette mit ihrer geringen Brandlast „nicht geeignet ist, ein solches Geschehen zu produzieren“. Gestützt wurde das Urteil zusätzlich durch das Gutachten der Rechtsmedizin, die in einer Haarprobe des Verstorbenen kein Zopiclon gefunden hatte, was gegen eine dauerhafte Einnahme sprach. Gefunden wurde dafür Koffein in seinem Blut. Belastend wirkten aus Sicht des Gerichts zudem die vielen verschreibungspflichtigen Medikamente, die in einem Schrank des Angeklagten gefunden worden waren.

 

Dass der Angeklagte in den Tagen nach dem Brand verstört gewirkt habe und mindestens zweimal gegenüber Familienmitgliedern davon gesprochen habe, dass er nicht wisse, ob er etwas getan habe, verhärtete die Meinung der Richter zusätzlich. Das Handeln von Daniel H. bezeichnete Koerfers als heimtückisch. Er habe dem Großvater eine hinterhältige Falle gestellt. Niedere Beweggründe verneinte das Gericht dagegen. Dem Angeklagten sprach er zum Schluss eindringlich ins Gewissen: Man hätte sich gewünscht, dass der Gummersbacher mit der Kammer redet. Dem sei er trotz mehrfacher Aufforderung aber nicht nachgekommen. „Wir hätten gerne die Übernahme von Verantwortung gesehen, es geht hier schließlich um ihren Großvater!“

 

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Verteidigerin Petra Eßer kündigte unmittelbar nach der Urteilsverlesung an, in Revision gehen zu wollen.

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