BLAULICHT

Unerfüllte Liebe endet auf der Anklagebank

lw; 07.07.2022, 16:42 Uhr
BLAULICHT

Unerfüllte Liebe endet auf der Anklagebank

lw; 07.07.2022, 16:42 Uhr
Waldbröl – 26-Jähriger musste sich vor dem Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung und Nachstellung verantworten – Verfahren wurde gegen Auflagen eingestellt.

Von Lars Weber

 

Junger Mann verliebt sich in schöne Frau. Er gesteht ihr nach einigem Zaudern seine Gefühle. Sie zeigt ihm die kalte Schulter. Er bleibt aber beharrlich, gibt nicht auf, schreibt ihr immer wieder. Und dann? Ab diesem Zeitpunkt gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie diese Geschichte weitergehen kann. In einem sehr kitschigen Hollywood-Streifen würde die Herzdame vielleicht doch irgendwann weich und sich in ihren Verehrer vergucken. Oder die Geschichte nimmt eine andere Wendung, wird eher zum zweitklassigen Thriller als zu einer romantischen Komödie. So wie bei dem Fall, der heute am Amtsgericht Waldbröl unter dem Vorsitz von Richter Matthias Behr verhandelt worden ist. Angeklagt war der 26-jährige Ingo S. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) wegen Nachstellung, im Volksmund Stalking genannt, und gefährlicher Körperverletzung. Vor allem seinem Anwalt hat er es zu verdanken, dass das Verfahren am Ende eingestellt wurde – und er lediglich gemeinnützige Arbeit leisten muss.

 

Ingo S. lernte Sonja H. bei der Arbeit kennen. Fast jeden Tag liefen sie sich über den Weg. Irgendwann habe er sich verliebt. Er habe ihr von seinen Gefühlen geschrieben, es sei aber nichts zurückgekommen. Der 26-Jährige schreibt ihr laut Anklage aber weiter, der Ton wurde da schon schärfer. Sonja H. versuchte ihm deutlich zu machen, dass sie nicht interessiert ist – ohne Erfolg. Dann seien Beschimpfungen dazu gekommen. Es sei immer weiter gegangen, sodass die Situation auch gesundheitliche Folgen hatte. Schließlich habe sie den Arbeitgeber informiert – Ingo S. wurde fristlos entlassen. Daraufhin soll der 26-Jährige sie und ihren Freund Carl L. bedroht haben. Unter anderem soll er geschrieben haben: „Hast du deinen Mercedes schonmal brennen sehen?“

 

Nachdem Carl L. dem Angeklagten von seinem Grundstück eine Kamera entwendet haben soll, wie Ingo S. vermutet, möchte er den Freund von Sonja H. zum ersten Mal direkt und persönlich in seiner Wohnung in Morsbach konfrontieren. Da er körperlich unterlegen wäre, nimmt er einen Golfschläger und Pfefferspray mit. Vor Ort dauerte es am 9. September 2021 nicht lange, bis die Situation eskaliert. Als Carl L. den jungen Mann sah, der seine Freundin ein halbes Jahr lang mit seinem Verhalten psychisch zusetzte, sei er schnellen Schrittes auf Ingo S. zugegangen. Dieser habe das Spray hervorgeholt und Carl L. im Gesicht erwischt – ebenso wie dessen Nachbarn Oliver R., der direkt dahinter war. Carl L. und Sonja H. schalteten die Polizei ein. Sie erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Ingo S. Der Schaden war aber bereits angerichtet. Bei Sonja H. wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

 

Bei der Verhandlung ging es dann allerdings nicht um den Vorwurf der Nachstellung. In einer Stellungnahme zu Beginn legte der Rechtsanwalt dar, dass wichtige Kriterien für eine strafrechtliche Verfolgung nicht erfüllt seien. Dieser Vorwurf sei also nur zivilrechtlich relevant. Bei der Auseinandersetzung zwischen seinem Mandanten sowie Carl L. und Oliver R. sah er eine Notwehrsituation gegeben. „Carl L. ist auf ihn zugestürmt.“ Ingo S. habe sogar „das angemessenere Verteidigungsmittel“ gewählt. Ein Schlag mit dem Golfschläger hätte viel schlimmer ausgehen können. Er habe sich also verteidigt. „Was sollte er sonst machen?“

 

Genau diese Frage versuchte Richter Behr im weiteren Verlauf zu klären. Hatte Ingo S. nicht doch eine andere Wahl? Hätte er sich nicht vorher zurückziehen können? Das Gespräch suchen können? Denn während der Auseinandersetzung wurde kein Wort gesprochen. Zumindest darin waren sich Ingo S, Carl L. und Oliver R. einig. Viele weitere Eingaben variierten allerdings. So blieb es unklar, wie viele Meter Carl L. zurücklegen musste, bis er Ingo S. auf dem Innenhof erreicht hätte. Der Freund von Sonja H. legte Wert darauf, dass sein Widersacher vor einem geparkten Auto mit dem Golfschläger stand. Da der 26-Jährige kurz zuvor noch gedroht hatte, das Auto von Carl L. zu zerstören, wollte er ihn davon abbringen – und ist deswegen schnell auf ihn zugegangen. „Dass ich auch wütend war, ist doch klar.“ Oliver R. wiederum sagte aus, dass sich Ingo S. nicht in direkter Nähe zu einem Auto befunden haben soll und nur wenige Meter zwischen Haustür und dem ungebetenen Gast lagen.

 

Auch wenn Richter Behr und die Staatsanwaltschaft, der vor allem die „Kampfmontur“ mit Golfschläger und Pfefferspray missfiel, ihre Probleme mit der Darstellung des Rechtsanwalts hatten: Das Gegenteil war nicht zu beweisen. So fiel der Vorschlag des Richters, das Verfahren nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung einzustellen, auf offene Ohren. Aufgrund der finanziellen Situation des Angeklagten einigten sich Rechtsanwalt, Staatsanwaltschaft und Richter auf 60 Stunden gemeinnützige Arbeit als Auflage. „Ein Denkzettel muss sein“, so die Staatsanwaltschaft.

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