BLAULICHT

Schläger, Waffendealer oder doch vollkommen unschuldig?

pn; 21.02.2023, 11:30 Uhr
Foto: Pixabay.
BLAULICHT

Schläger, Waffendealer oder doch vollkommen unschuldig?

pn; 21.02.2023, 11:30 Uhr
Waldbröl – 47-Jähriger muss sich am Amtsgericht wegen Körperverletzung und Fahrens ohne Führerschein verantworten.

Von Peter Notbohm

 

Trägt Martin S. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) seit 20 Jahren dieselbe Frisur? Mit dieser Frage muss sich derzeit das Amtsgericht Waldbröl beschäftigen. Hier muss sich der 47-jährige Waldbröler wegen des Vorwurfs der Körperverletzung und des Fahrens ohne Führerschein verantworten. „Die Ehefrau meines Mandanten wird bestätigen, dass er seit 20 Jahren die Haare noch nie länger getragen hat“, bestand Rechtsanwalt Sebastian Tillmann auf ihre Vernehmung.

 

Entscheidend könnte die Haarlänge sein, weil die beiden Polizistinnen, die Martin S. am 8. Juli des vergangenen Jahres im Rahmen einer Fahndung nach einem BMW an der Waldbröler Friedensmauer gesehen haben wollen, beide aussagten, dass der Fahrer des Wagens schulterlange Haare getragen habe – was auf den Waldbröler nicht zutrifft. Dem Vernehmen nach aber auf seinen Bruder, der nun ebenfalls aussagen soll, genauso wie drei weitere Männer, mit denen der 47-Jährige den Abend in einer Waldbröler Spielothek verbracht haben will.

 

Gefahndet worden war nach dem Wagen, weil ein Passant, der mit seinem Hund spazieren ging, zufällig auf einem Parkplatz zwei Männer bei der Übergabe von Langwaffen gesehen haben wollte. Bei ihrer Suche nach dem verdächtigen Fahrzeug wurde die Polizei in der Straße „Auf der Kirchenhecke“ fündig. Als die beiden Beamtinnen wendeten, um die Verfolgung aufzunehmen, habe der BMW-Fahrer sofort das Gaspedal durchgedrückt und sei mit hoher Geschwindigkeit über die Pochestraße in Richtung Hufen entkommen. Man habe den Wagen keine Minute lang verfolgen können, sagte eine der Beamtinnen aus.

 

Mehr als das Kennzeichen und das „sehr markante“ Gesicht des Fahrers habe man nicht wahrnehmen können, eine Halterabfrage führte schließlich zu Martin S., der aktuell keinen Führerschein hat. Sein abgestellter Wagen wurde zwei Stunden später zufällig auf dem Parkplatz der Spielothek erneut von Polizisten gefunden.

 

Während der Angeklagte sich zu diesen Vorwürfen schweigend verteidigte, gab er sich bei der ihm vorgeworfenen Körperverletzung wesentlich redseliger. Am 12. Juni des vergangenen Jahres soll er einem 39-jährigen Waldbröler grundlos vor einem Café eine Kopfnuss auf die Nase verpasst haben. Es habe zwar einen körperlichen Kontakt seiner Stirn mit dem Gesicht des Opfers gegeben, sagte er aus: „Aber das war ein Versehen. Ich wurde von hinten an die Schulter gepackt und habe mich reflexartig umgedreht. Dabei habe ich ihn erwischt.“

 

Hintergrund der Geschichte soll sein, dass Martin S. an jenem Abend mit einem älteren Herrn in dem Café war – genauso wie eine Gruppe angetrunkener Männer. Im Laufe des Abends soll einer von ihnen von draußen beleidigende Worte in das Café gerufen haben. „Ich bin daraufhin raus und wollte das mit ihm klären“, sagte der 47-Jährige. Dazu sei es aber nicht gekommen, weil er von hinten an der Schulter festgehalten wurde, woraufhin es zu der versehentlichen Kopfnuss gekommen sei. Dass es anschließend nicht zu einer Schlägerei kam, sei von der Kellnerin verhindert worden, die sofort dazwischen gegangen sei.

 

„Es war ein Missverständnis! Ich habe mich anschließend auch sofort entschuldigt“, sagte Martin S. aus. Das klang bei Peter T., dem mutmaßlichen Opfer, allerdings ein wenig anders. Er sei mit zwei Freunden im Rahmen des Stadtfestes feiern gewesen. Einer der beiden sei draußen rauchen gewesen, habe dann die beleidigenden Worte durch die Tür gerufen: „Damit hat er aber niemanden spezielles gemeint. Das habe ich auch versucht dem Angeklagten klarzumachen. Aber er hat sich an der Türschwelle nur umgedreht und mir eine Kopfnuss verpasst. Angefasst habe ich ihn nie.“ Eine Entschuldigung habe es später zwar gegeben, aber erst nachdem alle bereits bei der Polizei ausgesagt hatten.

 

Für den 39-Jährigen selbst habe anschließend eine Odyssee über zwei Tage durch die Krankenhäuser in Waldbröl und Gummersbach begonnen, weil zunächst nicht festgestellt werden konnte, ob seine Nase gebrochen gewesen sei. Letztlich habe er aber nur eine starke Schwellung mit drei Tagen Schmerzen gehabt. Schmerzensgeld wolle er trotzdem haben: „Das Ganze war einen Tag vor meinem Geburtstag und ich war über zehn Stunden in Krankenhäusern. Dass da jetzt nichts für mich rausspringt, kann nicht sein!“

 

Auch in diesem Fall wird Richter Dr. Jan Röleke noch weitere Zeugen vernehmen müssen. Neben dem mutmaßlichen Beleidiger auch die resolute Kellnerin, die bislang in keiner Ermittlungsakte auftauchte, aber von allen Verfahrensbeteiligten erwähnt wurde.

 

Der Prozess wird fortgesetzt.

WERBUNG