BLAULICHT
Rund 18.000 Euro Schaden: Geschädigte reisten aus ganz Deutschland an
Waldbröl – 62-jähriger Angeklagter wird wegen gewerbsmäßigen Betrugs in elf Fällen schuldig gesprochen – Umfängliches Geständnis – Betrug sollte „Löcher füllen“.
Von Lars Weber
Sie kamen aus Oberried im Schwarzwald, aus der Nähe von Husum oder aus Brandenburg. Mehrere hundert Kilometer Anreise waren für einige der geladenen Zeugen am Montagmorgen im Waldbröler Amtsgericht nichts Besonderes. Die Gemeinsamkeit der rund zehn Zeugen, die geladen worden waren: Sie alle sollen im Zeitraum zwischen Ende 2022 und Ende 2024 von dem Angeklagten Ingo U. (Anm.d.Red.: Name geändert) gewerbsmäßig betrogen worden sein, indem sie technische Komponenten für ihre Kransysteme bestellten, diese aber niemals bekamen. Rund 18.000 Euro hat der 62-Jährige einbehalten. Dafür wurde er vom Schöffengericht um die Vorsitzende Richterin Svenja Defourny zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Dem voraus ging ein ausführliches Geständnis, das auch dafür sorgte, dass der Anfahrtsweg der Geschädigten um ein Vielfaches länger dauerte als die Zeit im Zeugenstand.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft ging Ingo U. bei den elf vorgeworfenen Fällen im Tatzeitraum stets nach demselben Prinzip vor. Die Kunden seien auf den Nümbrechter zugekommen, der diesen teils nach Beratung, manchmal sogar vor Ort, ein Angebot für die technischen Komponenten gemacht habe. Nach Zahlung des Betrags sollte die Ware rausgehen – ging sie aber nicht. Er verschickte zwar Pakete, verweigerte aber für den Empfänger digital die Annahme, sodass die Ware geradewegs wieder zu ihm zurückkam. Einmal versendete er auch einen Stein, oder zumindest einen Teil der Bestellung. Der Warenwert lag jeweils zwischen 700 und 3.500 Euro.
Wie der 62-Jährige anschließend aussagte, begannen die Probleme, als er noch eine Firma zusammen mit einem Freund und seiner Frau hatte. Die beiden letzteren kamen zusammen und nahmen aus der Firma alles Geld raus, hinterließen ihm aber jede Menge Schulden, erzählte der Angeklagte. Aus dieser Zeit rührt auch die erste Verurteilung von Ingo U. aus dem Jahr 2016, eine Bewährungsstrafe für Betrug, der nach selbem Muster begangen wurde wie die aktuelle Anklage. Auch wenn er erklärte, damals überhaupt keinen Zugriff auf das Geld gehabt zu haben. 2023 gab es eine Geldstrafe, dieses Mal wegen versuchten Betrugs.
Trotz der Probleme nach dem Ende seiner ersten Ehe, war er in der gleichen Branche anschließend mit neuer Firma unterwegs – und nachdem diese Insolvenz ging, gründete er eine weitere. Die Schulden und Altlasten aus der Vergangenheit sorgten aber für Pfändungen der Bank, auch eines Kontos mit Geld von Kunden. „Ich habe dann versucht, die Löcher zu stopfen.“ Nach dem Prinzip Hoffnung nimmt er Geld ein, ohne die Ware verschicken zu können. Immer wieder habe er versucht, Zeit zu gewinnen. „Ich habe auf ein Wunder gehofft, auf den einen großen Auftrag.“ Und in der Wartezeit habe er die Menschen hinters Licht geführt – dafür suchte der 62-Jährige keine Entschuldigungen. Zwischen normaler Auftragserfüllung mischten sich dabei auch dann immer wieder Betrugsfälle, als die erste Anklage schon raus war. „Ich habe das Geld nicht genommen, um eine schöne Reise zu machen“, betonte er. „Ich hab’s versaut. Es tut mir leid.“
Inzwischen habe ihm ein Freund ins Gewissen geredet und ihm klar gemacht, dass er vom Geschäftemachen und Buchführung die Finger lassen soll. Seit Oktober habe er einen neuen Job – ohne Verantwortung für die Finanzen. Und damit sei er auch glücklich. „Ich möchte mit meiner Frau einfach ein ruhiges Leben führen.“ Was seine Schulden angeht, so habe er keinen Überblick darüber, wie viel Geld er wem bis wann schulde.
Richterin Defourny konnte nach dem Geständnis einige Zeugen nach Hause schicken. Gerade jene Geschädigte, die einen langen Anreiseweg hatten, holte sie aber in den Zeugenstand – wenn auch nur für wenige Minuten. Denn den Ausführungen des Angeklagten hatten die Geschädigten keine neuen Aspekte hinzuzufügen.
Verteidigung und Staatsanwaltschaft beantragten beide eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung, letztere zudem die Wertersatzeinziehung von rund 18.000 Euro. Das Schöffengericht folgte den Anträgen. Besonders das klare Geständnis und der neu eingeschlagene Lebensweg bewahrten den Nümbrechter trotz der einschlägigen Vorstrafen vor einer härteren Strafe. Allerdings gefiel dem Gericht nicht der Umgang des Angeklagten mit seinen Schulden, weshalb er einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt bekommt. „Das ist gut, um Ordnung in die Finanzen zu bringen. Ansonsten sehen wir da eine Gefahr der Wiederholung.“ Das Urteil ist rechtskräftig, da Verteidigung wie Staatsanwaltschaft ihren Rechtsmittelverzicht erklärt haben.
