BLAULICHT

Nach Enkeltrick: Holte die Angeklagte 50.000 Euro bei den Opfern ab?

lw; 27.04.2023, 16:44 Uhr
Symbolfoto: OA.
BLAULICHT

Nach Enkeltrick: Holte die Angeklagte 50.000 Euro bei den Opfern ab?

lw; 27.04.2023, 16:44 Uhr
Waldbröl – Einer 41-Jährigen wird vorgeworfen, zu einer Betrügerbande zu gehören – Telefonanalyse führte Polizei zu der Frau – Urteil steht noch aus.

Von Lars Weber

 

Es ist eher selten, dass Beteiligte eines Enkeltricks vor Gericht landen. Die Drahtzieher operieren für gewöhnlich aus dem Ausland und schicken lediglich Abholer zu einem Übergabeort, falls die Anrufer bei ihren Gesprächen mit Senioren erfolgreich sind. Um die Abholer auf frischer Tat zu überführen, müssten die vermeintlichen Opfer noch vor der Übergabe die Polizei informieren. Für gewöhnlich geschieht dies aber erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist. So auch bei dem Fall, der heute vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Carsten Becker am Amtsgericht Waldbröl verhandelt wurde. Die Polizei fand in ihrer Telefonanalyse aber eine Spur, die zur Angeklagten Katja G. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) führte. Sie muss sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs als Mitglied einer Bande verantworten.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft der 41-Jährigen vor, am 24. Juni 2021 gemeinsam mit anderen unbekannten Tätern ein älteres Ehepaar in Reichshof um 50.000 Euro erleichtert zu haben. Als Mitglied einer Bande soll sie als Abholerin fungiert haben. Der Betrug habe um 14 Uhr mit dem Anruf der vermeintlichen Enkelin begonnen. Diese habe vorgegeben, für den Kauf einer Eigentumswohnung eine Anzahlung über 50.000 Euro leisten zu müssen. Die Bank könne ihr das Geld aber nicht so schnell geben. Deshalb sollten Oma und Opa einspringen. Das Ehepaar glaubte der Anruferin und bereitete das Geld für die Übergabe vor, die rund drei Stunden später in der Wohnung in einem Dorf in der Gemeinde Reichshof stattfand. Es kam aber nicht die Enkelin, sondern eine vermeintliche Freundin, bei der es sich laut Anklage um Katja G. gehandelt haben soll. Nach einem Anruf bei der echten Enkelin flog der Betrug schließlich kurz nach der Übergabe auf.

 

Die Verteidigung machte es anschließend kurz. Seine in Duisburg lebende Mandantin sei am 24. Juni nicht in Reichshof gewesen. „Sie hat nichts damit zu tun.“ Es handele sich stattdessen um eine Verwechselung.  Die Krux für die 41-Jährige sei, dass sie vorbestraft ist. Selbst konnte die Angeklagte wenig zur Wahrheitsfindung beitragen. Seit einem Unfall, bei dem nicht nur sie und ihr damaliger Partner schwer verletzt worden waren, sondern auch zwei ihrer Kinder, habe sie Erinnerungslücken. Da per Haftbefehl zu diesem Zeitpunkt nach ihr gesucht wurde, stand die Polizei auf der Intensivstation an ihrem Krankenbett, während sie zugleich um ihre Kinder bangte, erzählte der Rechtsanwalt. „Seitdem ist sie sehr durch den Wind.“

 

Von einer Durchsuchung ihrer Wohnung wenige Monate nach der Tat möchte sie nichts mitbekommen haben. Und das, obwohl die Polizei sogar einige Handys beschlagnahmt hatte. Stutzig machte das Gericht, dass die Wohnung kaum eingerichtet gewesen sei. „Wir haben da gewohnt, wir wohnen ohne viele Sachen“, so die Angeklagte, die mutmaßte, an diesem Morgen vielleicht mit den Kindern bei den Schwiegereltern übernachtet zu haben. Von der Durchsuchung erfuhr sie tatsächlich erst nach ihrer Verhaftung.

 

Von den beiden Opfern konnte nur noch der 90-jährige Mann befragt werden. Seine Frau verstarb wenige Monate nach der Tat. Das Geld hätten sie nicht bei der Bank holen müssen, erzählte er auf Nachfrage Beckers. „Das hatten wir zu Hause.“ Die Übergabe sei schnell gegangen, gesprochen worden sei wenig. Direkt nach der Tat hatten beide Opfer zu Protokoll gegeben, dass es sich bei der Abholerin um eine kleine Frau gehandelt habe, maximal 1,60 Meter groß, zwischen 30 und 40 Jahren alt, mit dunklen, nach hinten gekämmten Haaren. „Sie hatte ein volles Gesicht“, erinnerte sich der Rentner nun noch im Gericht an das Äußere. „Und sie trug eine Kurzhaarperücke“, war er überzeugt. Aufgrund des runden Gesichts war er sich heute sicher, dass es sich damals um die Angeklagte gehandelt habe. „Mit Sicherheit.“

 

Bei einer Wahllichtbildvorlage, bei der wie bei einer Gegenüberstellung Zeugen nicht nur das Foto des Beschuldigten, sondern auch ähnlich aussehende Personen gezeigt bekommen, hatte die Ehefrau des Mannes aus acht Frauen ebenfalls die Angeklagte wiedererkannt. Dies sagte der ermittelnde Polizist heute aus. Er schilderte, wie er durch aufwendige Auswertung der Telefon- und Verbindungsdaten auf den Verdacht gegen die Angeklagte kam. Tatsächlich fand sich eine Telefonnummer, die nicht nur Kontakt zu den Hintermännern im Ausland, sondern auch einmal privat telefoniert hatte. „Eigentlich werden diese Handys nur für den kurzen Kontakt genutzt und nach ein, zwei Tagen weggeschmissen. Wir hatten Glück.“

 

Über diese gewählte Nummer konnten weitere Informationen eingeholt werden, anschließend wurden die Daten in einen zeitlichen Kontext zum Tattag gesetzt. Eine Personenbeschreibung lieferte eine Möbelfirma, die am Tattag Kontakt mit der 41-Jährigen gehabt haben soll: Am Ende kam der Ermittler auf den Namen Katja G., gegen die schon einmal in einem Enkeltrick-Fall ermittelt worden sei.

 

Doch: Einen Sachbeweis gegen Katja G. wurde nicht gefunden. Die Handys in ihrer Wohnung waren nicht die Handys, die am Tattag in Benutzung waren. Es gibt nur Indizien, musste auch der Ermittler zugeben. Die Verkettung der Anrufe, der Umstand, dass die verdächtige Sim-Karte des Tathandys in einem Kiosk unweit der Wohnung der Angeklagten gekauft wurde und natürlich die Identifizierung der Frau über das Opfer-Ehepaar.

 

Der Prozess soll nun am 12. Mai in die nächste Runde gehen. Geladen werden sollen zum einen der Mitarbeiter der Möbelfirma. Dieser sollte am Tattag der Angeklagten und ihrem Lebensgefährten ein Sofa liefern. Zum anderen soll die Schwester von Katja G. in den Zeugenstand. Diese soll der 41-Jährigen zum Verwechseln ähnlich sehen, was die Indizienlage für das Urteil beeinflussen könnte.          

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