BLAULICHT
Lebensbedrohliche Attacke mit Eisenstange nach über sieben Jahren aufgeklärt
Bergneustadt – Das Amtsgericht Gummersbach verurteilt 37-jährigen Mann, der am Nikolaustag 2015 in Bergneustadt einen Bekannten mit einer Eisenstange schwer verletzt hat, zu einer Bewährungsstrafe.
Von Peter Notbohm
Beinahe sieben Jahre ist es her, dass es in einer Bergneustädter Wohnung zu einer brutalen Attacke mit einer Eisenstange kam, bei der ein inzwischen 37-jähriger Mann schwere Kopfverletzungen erlitt. Nun wurde der Fall vom Amtsgericht Gummersbach endlich aufgeklärt. Bei dem Prozess war es zu Streitigkeiten um die Zuständigkeit von Gerichten gekommen, zur Klärung ging der Fall sogar bis zum Bundesgerichtshof. Zwischenzeitlich war der mutmaßliche Täter geflüchtet und in Berlin untergetaucht.
Auch später kam es immer wieder zu Hindernissen, die das Verfahren immer weiter verzögerten. So war es wenig verwunderlich, dass Richter Ulrich Neef zu Beginn der Verhandlung zunächst einmal mitteilte, dass nur noch ein Bruchteil der damaligen Zeugen zur Verfügung stehen würde. Ursprünglich sollten sie an einem zweiten Verhandlungstag geladen werden. Das war allerdings nicht mehr nötig, nachdem Norman V. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) nach einem Rechtsgespräch, in dem ihm im Falle eines Geständnisses eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt wurde, die Tat zugab.
Brutale Tat in der Nikolausnacht
Die Staatsanwaltschaft warf dem mittlerweile 31-jährigen Siegener sowie seiner damaligen Frau Amilia K., eine inzwischen in Brandenburg lebende 35-Jährige, vor, in der Nikolausnacht 2015 um 0:45 Uhr an der Wohnungstür des befreundeten Andreas J. geklingelt zu haben. Unter dem Vorwand, einen Schlüssel wiederhaben zu wollen, sollte die Frau ihn an die Tür locken. Nachdem diese aufging, soll Norman V. aus dem Hinterhalt hervorgesprungen sein und wiederholt auf seinen Freund mit einer 80 Zentimeter langen Radmontagestange eingeschlagen, zudem mehrfach mit einem Messer oder einer Schere auf den Mann eingestochen haben. Neben sechs Stichwunden erlitt das Opfer ein Schädelhirntrauma sowie Hämatome und Prellungen am gesamten Oberkörper.
Der Grund für die brutale Attacke war laut dem Angeklagten Selbstjustiz: Seine Ex-Frau habe ihm damals unter Tränen berichtet, dass sie gemeinsam mit Andreas J. etwas getrunken habe und sie dabei plötzlich eine Substanz in ihrem Glas schwimmen gesehen habe. Ihr sei danach komisch geworden und sein Freund habe versucht, mit ihr zu schlafen. „Mir ist die Sicherung durchgebrannt. Das war damals typisch für mich“, sprach er von früheren Aggressionsproblemen. Richter Neef nickte nur wissend, es war nicht sein erster Kontakt mit dem mehrfach vorbestraften Mann.
Frühere Ehefrau hat keine Erinnerungen mehr
Amilia K. konnte zu den Vorwürfen überhaupt nichts sagen. Sie hat seit einem schweren Schlaganfall kaum noch Erinnerungen an früher. Ihr Ex-Mann sagte aber, dass er ihr nie gesagt habe, was er genau vorhabe. „Ich habe sie sofort zur Seite gestoßen als die Tür aufging. Sie hat sich dabei sogar wehgetan“, erinnerte er sich. Nach dem ersten Schlag auf den Kopf habe sich Andreas J. begonnen zu wehren. Das Kampfgeschehen habe sich anschließend in die Wohnküche verlagert, wo das Opfer die Oberhand gewann. Er habe daraufhin nach der Schere gegriffen und panisch auf ihn eingestochen.
„Ich war in Rage, aber als ich ihn am Boden liegen sehen habe, dachte ich nur, wenn du jetzt weitermachst, steht er nie wieder auf. Das habe ich so nie gewollt“, meinte der 31-Jährige, der dem Gericht mehrere Bescheinigungen vorlegte, dass er während seines Untertauchens 2017 in Berlin eine Verhaltenstherapie gemacht hat, um seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Zu seinem früheren Bekannten hatte er seit der Attacke keinen Kontakt mehr. Das Wiedersehen vor Gericht nutzte er für eine Entschuldigung.
Opfer leidet heute noch an den Folgen des Angriffs
„Zumindest siehst du es ein. Das finde ich schon mal gut“, nahm Andreas J. diese an. Er berichtete dem Gericht, dass er das Ehepaar lange gekannt habe und sie sich häufig gestritten hätten. Sie haben einmal an seiner Tür gestanden und lange mit ihm geredet, Sex habe er mit der Angeklagten aber nie gewollt. Seine Wunden mussten damals fast eine Woche im Krankenhaus behandelt werden, die kleine Wohnung war vollständig blutverschmiert. Je nach Wetter habe der 37-Jährige noch heute Kopfschmerzen, seinen Hinterkopf ziert eine dicke Narbe. Eine Gutachterin sagte aus, dass zwar keine akute Lebensgefahr bestanden habe, aber zumindest eine potenzielle.
Während das Verfahren gegen Amilia K. anschließend wegen geringer Schuld und der langen Verfahrensdauer eingestellt wurde, verurteilte das Schöffengericht Norman V. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Während der dreijährigen Bewährungszeit muss er zudem monatlich 100 Euro an seinen früheren Freund zahlen. Obwohl er diesen „auf brutale Art und Weise richtig zermatscht“ habe, beließ es das Gericht bei der Bewährungsstrafe. „Diese Tat passt zu ihrem damaligen Erscheinungsbild mit einer Toleranzgrenze im Minusbereich“, sagte Neef. Man habe dem Angeklagten aber zugutegehalten, dass er sich selbstständig um eine Therapie gekümmert, zudem das ohnehin schon viel zu lange andauernde Verfahren mit einem Geständnis abgekürzt habe.
Das Urteil entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Verteidigung hatte eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten gefordert. Der Nebenklagevertreter hatte vor allem auf der Geldauflage bestanden, zudem übte er Kritik daran, dass das Verfahren nicht vor einem Schwurgericht stattfand: „Der Angriff war heimtückisch und es bestand abstrakte Lebensgefahr. Dass hier niemand zu Tode kam, war reiner Zufall.“
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