BLAULICHT

Im Bus mit Cuttermesser auf Kontrahenten losgegangen?

lw; 23.08.2023, 13:34 Uhr
Symbolfoto: OA.
BLAULICHT

Im Bus mit Cuttermesser auf Kontrahenten losgegangen?

lw; 23.08.2023, 13:34 Uhr
Waldbröl – 48-Jähriger musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung am Amtsgericht verantworten – Mann ist schon lange alkoholkrank.

Von Lars Weber

 

Seit Jahren ist Harald K. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) sehr krank. Zum einen nimmt er starke Schmerzmittel ein, weil sein „Körper kaputt“ ist, wie er gestern bei der Verhandlung am Amtsgericht Waldbröl sagte. Zum anderen kommt er vom Alkohol nicht los. Bei sämtlichen Vorstrafen spielte seine Sucht eine Rolle – so auch dieses Mal. Verantworten musste sich der 48-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung. Er soll auf einen 56-Jährigen mit einem Cuttermesser losgegangen sein. Die Krankheitsgeschichte des Angeklagten ist ausschlaggebend dafür, dass der Prozess gestern nicht zu einem Ende gekommen ist.

 

Laut Anklage waren am 2. Mai 2022 gegen 19:35 Uhr Harald K. und der Geschädigte Karl L. in einem Linienbus Richtung Nümbrecht-Benroth unterwegs, wo sie zu dieser Zeit in einer sozialen Einrichtung untergebracht waren. Im Bus soll es während der Fahrt zum Streit gekommen sein, woraufhin der 48-Jährige ein Cuttermesser hervorgeholt habe. „Ich werde dich gleich aufschlitzen“, soll er gesagt haben, bevor sich die Auseinandersetzung an der Haltestelle nach draußen verlagert habe. Dem Geschädigten soll es dort gelungen sein, die Hand des Angeklagten zu greifen und festzuhalten. Im weiteren Verlauf des Handgemenges fielen beide eine Böschung hinunter. Es folgten weitere Angriffe des 48-Jährigen, bevor ein Zeuge den Kampf unterbinden konnte. Karl L. zog sich eine Wunde am Kopf zu, außerdem wurde seine Jacke durch das Messer zerschnitten.

 

Immerzu habe er Streit mit Karl L. gehabt, erinnerte sich der Angeklagte. Sei es wegen dem Schlüssel zur Küche oder in der Wäscherei. Der Geschädigte habe im Bus etwas in seine Richtung gesagt und gelacht, meinte der 48-Jährige. Danach habe es „Klick“ gemacht und er könne sich an nichts mehr erinnern. Nur: „Ich wollte seine Jacke kaputtmachen, weil der immer mit seinen Klamotten angegeben hat“. Später – am Abend nach der Tat - stellte die Polizei 1,87 Promille im Blut fest, der bei der Verhandlung anwesende Rechtsmediziner geht von einem Wert über 2,85 Promille zur Zeit der Tat aus.

 

Dazu hatte der Angeklagte auch starke Schmerzmittel im Blut. „Das verträgt sich gar nicht mit Alkohol, ist brandgefährlich“, sagte der Angeklagte selbst zu der Mischung. Sie habe eine dämpfende Wirkung zur Folge, auch Verwirrtheit und Schwindel seien möglich, spezifizierte der Rechtsmediziner. Mehr noch: „Bei Menschen, die die Schmerzmittel und einen regelmäßigen Alkoholkonsum nicht gewöhnt sind, ist die Gefahr für einen Atemstillstand bei einer noch höheren Alkoholkonzentration hoch“.

 

Die Betreuerin von Harald K. bezeichnete diesen als einen angenehmen Menschen – solange er keinen Alkohol konsumiert habe. „Dann wird er unangenehm.“ Seine Fehltritte seien auch nicht zu beschönigen und hätten ihn bereits den Platz in mehreren Unterkünften gekostet. Seine Sucht und sein Verhalten hatten auch schon einige Verurteilungen zur Folge: wegen Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Diebstahl und – im Jahr 2008 - auch versuchten Mords in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Immer sei laut Richter Dr. Peter Glaubach Alkohol im Spiel gewesen.

 

Der Geschädigte, ein Zeuge und einer der hinzu gerufenen Polizisten bestätigten weitestgehend den Ablauf, wie er in der Anklage steht. „Ich musste seine Hand mit meinen beiden Händen festhalten, er wollte mir ins Gesicht stechen“, gab Karl L. an. Den betrunkenen Zustand des Angeklagten hatten sowohl der Zeuge als auch der Polizist bemerkt. Er sei aber klar zu verstehen gewesen, wenn auch motorisch eher langsam unterwegs.

 

Aufgrund der Geschichte des Angeklagten und seiner Sucht rückte die Frage nach der Schuldfähigkeit in den Mittelpunkt. Aus rechtsmedizinischer Sicht sei der 48-Jährige sicherlich vermindert schuldfähig gewesen zum Zeitpunkt der Tat, so der anwesende Experte. Doch er wollte nicht ausschließen, dass ein psychiatrisches Gutachten zu einem Ergebnis kommen könnte, wonach der Angeklagte vielleicht gänzlich schuldunfähig gewesen sein könnte.

 

Genau ein solches Gutachten hat Dr. Peter Glaubach nun in Auftrag gegeben, bevor er die Verhandlung aussetzte. Ohne diese Einschätzung sei ein Urteil nicht möglich. Sowohl die Frage nach der Schuldfähigkeit als auch jene nach der Sinnhaftigkeit einer weiteren Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus solle die Untersuchung beantworten.

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