BLAULICHT

"Ich habe 72 Jahre keinen Psychologen gebraucht"

ls; 23.06.2021, 15:50 Uhr
BLAULICHT

"Ich habe 72 Jahre keinen Psychologen gebraucht"

ls; 23.06.2021, 15:50 Uhr
Waldbröl - Wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und des Besitzes von kinderpornografischen Bildern musste sich heute ein Nümbrechter vor dem Amtsgericht verantworten - Angeklagter zeigt kein Unrechtsbewusstsein - Gutachten angeordnet.

Von Leif Schmittgen

 

Wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und dem Besitz von kinder- und jugendpornografischen Bildern musste sich heute Erwin H. (Anm. der Red.: Namen geändert) vor dem Waldbröler Schöffengericht verantworten. Unter anderem soll er vor einigen Jahren den damals neunjährigen Michael zu einer Fahrt in seinem Cabrio eingeladen haben, mit dem Ziel, von ihm Nacktaufnahmen anzufertigen. Das Kind kannte er aus dem Eisenbahnmuseum in Dieringhausen. Als Michael das Angebot abgelehnt hatte, soll er dem Jungen eine Woche später eine Gummivagina geschenkt haben.

 

Außerdem wurden von der Polizei Hunderte pornografische Bilder auf seinen Smartphones gefunden, die er auch dem Jungen gezeigt haben soll. Die Existenz der Bilder räumte der Angeklagte ein, die besagte Autofahrt habe sich aber aus seiner Sicht anders dargestellt. Demnach habe er lediglich die Autobegeisterung von Michael stillen wollen, der ihm „wegen seines zerrütteten Elternhauses“, so behauptete der Angeklagten, leid tat. Aus dem gleichen Grund hätte er Michael ein Kindermotorrad geschenkt, das aber nicht als „Bezahlung“ für geforderte Handlungen des Kindes gedient haben soll. Ein Angebot, Aufnahmen zu machen, habe es von ihm nicht gegeben.

 

Das Sexspielzeug stamme nicht von ihm. Michael habe ihm vielmehr eine Plastiktüte mit dem prekären Inhalt gezeigt. Auf die Nachfrage von Strafrichter Dr. Fabian Krapoth , warum H. nicht den Vater des Jungen darüber informiert habe, entgegnete der Nümbrechter, dass er Michael vor Repressalien der Eltern habe schützen wollen. Zugang zu den Nacktbildern auf dem Handy habe sich das Kind eigenmächtig in einem unbeobachteten Moment verschafft und die Fotos dann einem Freund zeigen wollen.

 

Der bereits einschlägig vorbestrafte H. verbüßt derzeit eine Haftstrafe in Rheinberg und wurde in Handschellen vorgeführt. „Das alles ist ein abgekartetes Spiel“, erklärte er. Nur die heutige Verhandlung habe seine vorzeitige Haftentlassung verhindert. „Unglaubliche Geschichten“ hätten Bewährungshelfer, Mediziner und Polizisten über ihn verbreitet. „Ich habe 72 Jahre keinen Psychologen gebraucht“, so der Nümbrechter weiter. Er zeigte offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein wegen des Besitzes der illegalen Fotos, die er, vermischt mit Erwachsenenpornos, von einem russischen Anbieter „ohne Bezahlung“ geschickt bekommen habe.

 

Eine Antwort auf die Frage, ob er überhaupt wisse, dass er wegen Kinderpornografie vor Gericht stehe und den Opfern durch den Konsum Leid zufüge, blieb H. schuldig. Seine pädophile Neigung habe er im vergangenen Oktober hinter sich gelassen, als er eine wohlhabende Südtiroler Weingutsbesitzerin kennenlernte. „Sie wäre genau die Richtige für mich." Dorthin - oder in sein Geburtsland Österreich - wolle er nach seiner Haftentlassung übersiedeln.

 

In seinem Heimatdorf könne er sich nicht mehr sehen lassen. „Man hat mich dort verprügelt“. Richter Krapoth ordnete ein Gutachten an, um die Schuldfähigkeit von Erwin H. prüfen zu lassen. Ihm wurde seitens des Gerichts nahegelegt, sich auf ein Psychologengespräch einzulassen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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