BLAULICHT

Herausgerissene Toilette in Mülleimer entsorgt – inklusive Fäkalien

lw; 20.10.2022, 14:54 Uhr
BLAULICHT

Herausgerissene Toilette in Mülleimer entsorgt – inklusive Fäkalien

lw; 20.10.2022, 14:54 Uhr
Gummersbach – 34-Jähriger musste sich aufgrund diverser Delikte vor Gericht verantworten – Alkoholmissbrauch führte zu Psychosen.

Von Lars Weber

 

Gestriegelt und gebügelt, mit feinem Seitenscheitel und gepflegter Kleidung trat heute Boris O. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) vor die Schöffen und den Vorsitzenden Richter Ulrich Neef am Gummersbacher Amtsgericht. Das Bild wollte zunächst nicht so recht zur Anklage passen. Denn der 34-Jährige musste sich unter anderem wegen Einbruchdiebstahls, Diebstahls mit Waffen, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten. Bei fast sämtlichen Vorfällen war nachweislich Alkohol im Spiel. Zwei Jahre liegen die Taten inzwischen zurück, in denen der Angeklagte viel dafür getan hat, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Eine Tatsache, die das Gericht am Ende bei der Einstellung des Verfahrens berücksichtigen sollte.

 

2020 schien Boris O. keine gute Zeit gehabt zu haben, stellte Richter Neef kurz nach dem Verlesen der Anklageschrift fest. Fünf Fälle trug die Staatsanwaltschaft vor, die sich zwischen Juli und Oktober 2020 in Köln, Overath und Bergneustadt zugetragen hatten. Im ersten Fall soll sich der Angeklagte in einem Eisladen selbst an der Zapfanlage für Softeis bedient haben. Dabei hatte er auch zwei Messer in seiner Tasche mit dabei. Nur zehn Tage später nahm er laut Anklage eine gesicherte Mülltonne eines Seniorenheims mit und entsorgte darin eine herausgerissene Toilette – inklusive Fäkalien. Wenig später schlug er barfuß und oberkörperfrei mit einer Eisenstange das Fenster eines Bergneustädter Kiosks ein und schnappte sich eine Dose Tabak. In den letzten beiden Fällen soll er aus zwei Läden Alkohol gestohlen haben, einmal bewarf er den Filialleiter mit einer Sektflasche, die diesen aber verfehlte.

 

„Meine Erinnerung an die Zeit ist getrübt“, sagte der Angeklagte selbst mit Hinweis auf den Alkoholeinfluss. „Meistens endete es für mich im Krankenhaus“, womit der die Ausnüchterung beziehungsweise die Psychiatrie meinte. Den Vorwürfen trat er nicht entgegen, darüber erzählen konnte er aber auch nichts mehr. Die Zeugen hätten das bestimmt nicht erfunden, meinte er. Dass Boris O. in der Tat „keine gute Zeit“ gehabt hatte, zeigen weitere Anklagen ähnlicher Natur. Unter anderen verurteilte ihn das Amtsgericht Gummersbach im Juli 2021 für 20 Taten. Gutachten aus dieser Zeit legten eine schizophrene Psychose in Verbindung mit seiner Abhängigkeit zu Alkohol und Cannabis nahe.

 

Bei einem Gespräch diesen Sommer durfte der anwesende Gutachter einen anderen Boris O. kennenlernen. Nach einer Haft in der JVA war der 34-Jährige bereits seit 18 Monaten clean. Das Oberbergische hat er verlassen, um neu zu starten. Er hat seit einigen Wochen einen Job, wohnt in einer Wohngemeinschaft und bemühte sich selbstständig, wenn auch bisher erfolglos, um eine weitere therapeutische Behandlung bei der Diakonie. Eine weitere Suchtberatung legt der Gutachter dem Angeklagten auch nahe. „Er ist sehr gefährdet und gut beraten, abstinent zu bleiben.“ Seine Handlungen in den vorliegenden Fällen seien „mehr als schräg“ gewesen. „Das war krankhaft psychotisch.“

 

Die „schrägen“ Handlungen wurden nochmals von Zeugen beziehungsweise zitierten Zeugenaussagen untermauert. Zweimal war der Angeklagte deutlich schuldunfähig. Bei dem Angriff auf den Kiosk hatte er etwa 2,5 Promille Alkohol im Blut. Zweimal sei die Schuldunfähigkeit zumindest nicht auszuschließen. Der Eisklau – der Schaden: 4,50 Euro - würde das von der letzten Verurteilung vorhandene Strafmaß nicht maßgeblich erhöhen, stellte die Staatsanwaltschaft fest, weshalb sie einer Einstellung des Verfahrens zustimmte. Da die Bewährung beim Urteil 2021 auf insgesamt fünf Jahre festgesetzt wurde und die Zusammenarbeit des Angeklagten mit seiner Bewährungshelferin zu funktionieren scheine, hoffte das Gericht, dass Boris O. den eingeschlagenen Weg fortsetzen kann.

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