BLAULICHT

Fast sicheren Freispruch in letzter Sekunde noch kassiert

lw; 21.03.2024, 16:23 Uhr
BLAULICHT

Fast sicheren Freispruch in letzter Sekunde noch kassiert

lw; 21.03.2024, 16:23 Uhr
Gummersbach – Vor sechs Jahren wurde bei einem Brand in der Gummersbacher Brückenstraße eine Drogenplantage gefunden – Nun stand ein Verdächtiger vor Gericht.

Von Lars Weber

 

Es mag schon sechs Jahre her ein: Vielen Gummersbachern wird der Brand in der Brückenstraße am damaligen Ostersamstag aber noch in Gedächtnis geblieben sein (OA berichtete). Über sechs Stunden kämpfe die Feuerwehr gegen das Feuer im Obergeschoss und unter dem Dach. Spektakulär war aber weniger der Brand, als vielmehr das, was die Einsatzkräfte in einer Wohnung vorfanden: eine professionelle Cannabisplantage, die sich über zwei Zimmer erstreckte. Heute hat sich einer der beiden Verdächtigen vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Ulrich Neef verantworten müssen. Demir J. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) wurde die Herstellung und gemeinschaftlicher Handel mit Drogen in nicht geringer Menge vorgeworfen, außerdem fahrlässige Brandstiftung. Nach den Plädoyers schien der Freispruch nur noch Formsache – doch das Gericht möchte auf Nummer sicher gehen.

 

Laut Anklage hätten der 30-jährige Aachener mit dem gesondert verfolgten, aber gerade erkrankten Erdal F. spätestens im Oktober 2017 zwei Zimmer in der Mietwohnung in der Brückenstraße zur Plantage mit 80 Pflanzen umfunktioniert. Ein professionelles Bewässerungssystem und einen extra Generator inklusive. Letzterer soll dann auch ursächlich für das Feuer gewesen sein. Die Feuerwehr fand aber nicht nur die Plantage, sondern auch unter dem Dach 20.000 Euro in bar. Sichergestellt wurden zudem Saatgut, Feinwaagen und andere Accessoires für den Handel mit Marihuana. Die Ernte der Pflanzen ergab ein Kilo.

 

Der Verteidiger des Angeklagten machte es kurz: Sein Mandant habe nichts mit den Drogen zu tun gehabt, weil er zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr in der WG gelebt habe. Dementsprechend sei er auch bei der Brandstiftung unbeteiligt gewesen.

 

Der zuständige Brandermittler der Polizei schilderte, wie er die Wohnung in Erinnerung hat. "Das war schon spektakulär", sagte der 62-Jährige. Der Generator sei in einem extra Raum untergebracht gewesen, der sehr gut isoliert war. Schließlich war das Gerät laut und sollte möglichst nicht auffallen. Die Abgase wurden mit einem Kupferrohr unter das Dach geleitet. Dabei wurde der Fehler begangen, das Rohr nicht ausreichend zu isolieren. Mit laufendem Betrieb wurde es immer heißer und heißer - und schließlich fing es im Übergang zum Dachboden an zu brennen.

 

Zwei Feuerwehrmänner erinnerten sich, wie sie einen in Alufolie eingewickelten Umschlag mit Geld bei ihrer Arbeit unter dem Dach gefunden hatten, als sie gerade die Glaswolle ins Freie beförderten. Beide wurden vorsorglich vom Rechtsanwalt des Nebenbetroffenen, dem Hauseigentümer, darauf angesprochen, dass es eigentlich zwei Umschläge gewesen sein müssten. Warum das wichtig war, zeigte die Frau des Hauseigentümers, die ebenfalls im Zeugenstand Platz nahm. Demnach soll das Geld nicht den Drogengeschäften zuzuordnen sein. "Es gehört meinem Mann, er hat es dort versteckt."

 

Dies soll geschehen sein, noch bevor die Mieter in die Wohnung einzogen. Bis 2015 hatte nämlich das Paar mit ihrer Familie noch selbst in dem Haus in der Brückenstraße gewohnt, bevor sie nach Köln gezogen sind. Der Mann habe es dort in Sicherheit bringen wollen, weil im Haus häufiger etwas weggekommen war, nachdem sie Besuch hatten. Als Händler auf dem Großmarkt in Köln hatte er häufiger mit höheren Bargeldsummen zu tun. "Ich wollte nicht, dass er es dort versteckt, wir haben auch darüber gestritten." Später habe er offenbar vergessen, dass er das Geld unter der Glaswolle zwischengelagert hatte. Nun möchte er das beschlagnahmte Geld zurück.

 

Handfestes für oder gegen den Angeklagten hörte man so gut wie nicht im Prozess. Auch ein vermeintlicher Mitbewohner in der WG, der dort aber nur von Mai bis Juli 2017 gewohnt hatte, habe den Angeklagten kaum zu Gesicht bekommen. Er war sich nicht einmal sicher, ob Demir J. dort überhaupt richtig gewohnt habe. Häufiger habe es mal nach Gras „gestunken“, er habe aber nicht mitgeraucht, so der Zeuge. Auch andere Hinweise auf die Plantage gab es demnach nicht.

 

Entlastend für den Angeklagten wurde als Beweis noch der Mietvertrag zwischen dem anderen Angeklagten Erdal F. und Mietüberweisungen an den Hauseigentümer eingeführt. Der Name des Angeklagten tauchte nicht auf.

 

Da Demir J. auch keinerlei Vorstrafen aufzuweisen hat, ging es in die Plädoyers, wo sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig waren: Es kann nur einen Freispruch geben. Der Verteidiger ergänzte noch, dass Demir J. bereits seit etwa August 2017 wieder bei seiner Mutter wohne und diese das auch bezeugen könnte – und auch der andere Angeklagte Erdal F. vorhabe, entlastend auszusagen.

 

Offenbar haben diese Hinweise das Schöffengericht nochmal ans Nachdenken gebracht. Denn statt den Freispruch verkündete Richter Neef, dass er die Beweisaufnahme wieder aufnehmen wird. Es soll nun gewartet werden, dass Erdal F. wieder gesund ist, dann sollen er und Demir J. gemeinsam vor Gericht auf der Anklagebank erscheinen. Kommen sollen dann nicht nur die Zeugen von heute, sondern zusätzlich die Mutter von Demir J. und auch die damaligen Bewohner des Gebäudes. „Es sind schwerwiegende Vorwürfe, um die es hier geht“, so Neef. So wolle das Gericht alle Möglichkeiten nutzen, die zur Verfügung stehen, bevor ein Urteil gefällt wird.

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