Waldbröl – Die Staatsanwaltschaft wirft einer 52-jährigen Frau aus Nümbrecht und ihrem 58-jährigen Expartner Insolvenzverschleppung vor – Verbindlichkeiten in Höhe von rund 130.000 Euro.
Geschäftsführer zu sein klingt erstmal recht schick, doch leichtfertig sollte man mit einer derartigen Position nicht umgehen. Verbunden damit sind nicht nur Rechte, sondern auch diverse Pflichten. Das scheint einigen Beteiligten eines Falls, der gerade am Amtsgericht Waldbröl verhandelt wird, aber nicht klar gewesen zu sein. Am Dienstag mussten auf der Anklagebank Anne E. (52) aus Nümbrecht und Peter B. (58) aus Siegen Platz nehmen (Anm. d. Red.: Alle Namen geändert). Die beiden haben in der Vergangenheit nicht nur in einer Beziehung gelebt, sondern sollen in Nümbrecht auch für eine UG, eine Unternehmergesellschaft, tätig gewesen sein. Koscher lief die ganze Sache aber nicht, mit dem Ergebnis, dass die beiden sich nun vor Gericht wegen einer Insolvenzverschleppung verantworten müssen.
Konkret geht es der Staatsanwaltschaft zufolge um einen Zeitraum von Ende 2018 bis zum 11. März 2024. Die Staatsanwaltschaft wirft Anne E. als Geschäftsführerin der UG und Peter B. als „faktischen Geschäftsführer“ vor, weder einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt noch Handelsbücher geführt sowie in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022 auch keine Bilanz aufgestellt zu haben. Die letzte vollständige Bilanz des Betriebes soll 2015 erstellt worden sein – und damit im Jahr der Gründung der UG. Darüber hinaus sollen auch Steuern wie die Umsatzsteuer und die Körperschaftssteuer nicht gezahlt worden sein. Ende 2022 wurde der Betrieb eingestellt; zur Insolvenzeröffnung kam es im März 2024.
Im Gegensatz zu Anne E. machte Peter B. von einem rechtlichen Beistand Gebrauch. Dessen Rechtsanwalt gab zu Beginn eine Stellungnahme für den 58-Jährigen ab. Demnach soll Anne E. das Unternehmen geleitet haben; die Vorwürfe gegen seinen Mandanten würden aber nicht zutreffen. Zwar habe er ausgeholfen, wenn Not am Mann war, etwa an einer Theke, und er soll auch bei der Buchhaltung geholfen haben, dabei Botengänge übernommen und auch mal Belege gesammelt und diese weitergegeben haben, aber „er war nicht faktischer Geschäftsführer“, sagte der Verteidiger. Verdient habe sein Mandant dabei im Übrigen auch nichts.
Dazu wollte Richterin Becher mehr wissen und fragte Peter B., wovon er denn gelebt habe. Der wiederum antwortete darauf ziemlich schleierhaft, sagte: „Ich habe von anderen Sachen Gelder bekommen, mit denen ich klarkam.“ Ob er bei dem Betrieb in Nümbrecht einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, wisse er nicht mehr. Er habe aber den Kontakt zu zwei Frauen hergestellt, die dann für den Betrieb gearbeitet hätten – zunächst zu Claudia T. und später zu Monika Z. Er selbst sei dann „quasi der Ping-Pong-Ball“ zwischen Anne E. und den anderen beiden Frauen gewesen. Ende 2019 soll er jegliche Tätigkeit für den Nümbrechter Betrieb eingestellt haben, ab 2020 hauptsächlich für einen ähnlichen Betrieb in Freudenberg tätig gewesen sein.
Anne E. blickt gänzlich anders auf die gemeinsame Arbeit zurück. Bis zum 18. März 2020, als sie den Betrieb aufgrund des ersten Corona-Lockdowns nicht mehr öffnen durften, hätten sie versucht, das Geschäft zu entwickeln. Dabei habe Peter B. eine „vollumfängliche Handlungsvollmacht und Zugang zu allen Geschäftskonten“ gehabt. Für den Betrieb in Nümbrecht habe es ein Konto gegeben. Auch da sei es Peter B. gewesen, der immer den Überblick über das Konto gehabt habe. „Er war faktischer Geschäftsführer“, sagte Anne E. und ergänzte, dass sie Claudia T., die für das Unternehmen gearbeitet hat, nicht mal persönlich kennen würde. Außerdem soll ihr Expartner auch den Kontakt zu den Lieferanten des Betriebs gehabt haben.
Im Besitz von Unterlagen der besagten Jahre sei sie nicht. Über Briefe des Finanzamtes, die im Geschäft angekommen seien, hätten sie und ihr Expartner zwar gesprochen, doch sei sie davon ausgegangen, dass Peter B. oder Claudia T. sich darum gekümmert hätten. „Aus den ganz finanziellen Sachen war ich raus“, sagte die 52-Jährige. Sie wisse nicht mal, was Handelsbücher sind. Jahresabschlüsse habe sie auch nicht erhalten. „Ich kenne mich mit Geschäftsführungen nicht aus. Ich hätte mich besser vorbereiten müssen, mir war das nicht alles klar“, sagte sie schließlich. Mitte 2019 hätte der Betrieb eine Gewerbeuntersagung erhalten, der Einspruch lief bis Ende 2022. Ende 2022/Anfang 2023 hätte sich das Paar dann auch privat getrennt.
Als Zeuge sagte zunächst ein Notar und Rechtsanwalt aus, dessen Kanzlei ein Insolvenzgutachten zu dem Betrieb erstellt hat. Was dabei auffiel, seien offene Forderungen vom Bundesjustizamt. „Das ist atypisch“, sagte der Fachanwalt. Die Analyse habe ergeben, dass es keine Einnahmen mehr gab, keine Vermögenswerte, stattdessen habe eine Überschuldung und eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Im Ergebnis sprach der Fachanwalt von einer „materiellen Insolvenz“. Im Rahmen des Gutachtens wurde auch eine Forderungsaufstellung erstellt. Heraus kamen hierbei Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von rund 130.000 Euro. Bei über 83.000 Euro habe es sich dabei um Steuerverbindlichkeiten wie nicht gezahlte Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer gehandelt.
Ebenfalls im Gerichtssaal war die 67-jährige Monika Z. „Ich habe da mal ausgeholfen, war als Geschäftsführerin von zwei Firmen tätig“, schilderte die Gummersbacherin. Eine der beiden Firmen – mit dem Begriff „Leasing“ sowie dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens des Angeklagten im Namen – habe dem besagten Nümbrechter Betrieb Darlehen gewährt. „Auf Rückzahlungen wurde aber verzichtet“, sagte Monika Z. Sie hätte ausführen müssen, was Peter B. ihr vorgegeben habe. „Ich war da 'ne Witzfigur. Die ganze Buchhaltung ist nicht abgewickelt worden. Die brauchten einen Geschäftsführer, und ich wollte denen gerne helfen, um die Sachen abzuwickeln, damit man steuerlich wieder klar war“, erzählte sie. Mehrere Firmen seien miteinander verkettet gewesen, alles ein ziemliches Durcheinander gewesen. Nicht zuletzt seien auch der Vater und der Bruder von Peter B. involviert gewesen.
Eigentlich hätte auch Claudia T. als Zeugin aussagen sollen. Sie hatte sich allerdings einen Tag vor der Verhandlung krankgemeldet. Ein Attest lag zu der Verhandlung aber noch nicht vor, wie Richterin Becher sagte. Reicht Claudia T. das Attest, aus dem eine Verhandlungsunfähigkeit hervorgeht, nicht innerhalb von einer Woche nach, hat sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro zu zahlen, ersatzweise hat die Richterin eine dreitätige Ordnungshaft angeordnet. Die Verhandlung wird am Dienstag, 19. August fortgesetzt.
