BLAULICHT

Bewährungsstrafe nach tödlicher Alkoholfahrt

pn; 24.07.2022, 22:00 Uhr
Foto: Polizei OBK ---- Für einen 28-Jährigen endete die Heimfahrt aus einem Biergarten in Windeck im vergangenen Sommer tödlich.
BLAULICHT

Bewährungsstrafe nach tödlicher Alkoholfahrt

pn; 24.07.2022, 22:00 Uhr
Morsbach - 24-jähriger wird vom Amtsgericht Waldbröl zu neunmonatiger Haftstrafe auf Bewährung verurteilt - Morsbacher war betrunken und barfuß gefahren.

Von Peter Notbohm

 

Neun Monate auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs lautet das Urteil des Waldbröler Amtsgerichts gegen den 24-jährigen Morsbacher, der im vergangenen Sommer betrunken einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat (OA berichtete). Eine zwei Stunden nach dem Unfall genommene Blutprobe hatte damals einen Alkoholwert von 1,36 Promille ergeben.

 

Nachdem am ersten Prozesstag völlig überraschend drei Handyvideos der Todesfahrt aufgetaucht waren, auf denen auch zu sehen war, dass die Männer Cocktailgläser aus dem zuvor besuchten Biergarten in der Hand hatten, (OA berichtete), vernahm Richter Carsten Becker am zweiten Verhandlungstag drei weitere Zeugen, die detaillierte Angaben zum Unfallgeschehen machten.

 

[Foto: Peter Notbohm ---- Rund 300 Meter nach dem Ortsausgang Holpe verlor der 24-jährige Morsbacher vor dieser Kurve die Kontrolle über seinen Wagen.]

 

Die beiden Wagen der drei jungen Männer waren in der verhängnisvollen Nacht von Stefan P. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) kurz hinter der Ortsausfahrt von Holpe in Richtung Appenhagen überholt worden. Vor der anschließenden nicht einsehbaren Linkskurve hatte der Morsbacher beim Wiedereinscheren die Kontrolle über sein Cabrio verloren und war in den Graben gerutscht, wo sich das Auto mehrfach überschlug. Für den nicht angeschnallten Ahmed J., den 28-jährigen besten Freund von Stefan P., endete der Unfall tödlich. Der ebenfalls nicht anschnallte Stefan P., der am ersten Prozesstag ein Geständnis abgelegt hatte, sowie der auf der Rückbank angeschnallte Martin T. kamen mit Verletzungen davon.

 

Fahrer war betrunken und barfuß

 

Die Aussagen der drei Zeugen glichen sich fast vollständig. Sie seien mit etwa 60 bis 70 Stundenkilometer an der Stelle unterwegs gewesen, als sie das Cabrio in einem Zug überholt habe. Sie schätzten, dass der Wagen etwa mit 90 Stundenkilometern gefahren sei. Beim Überholvorgang habe man laute Musik gehört, zudem ausgelassene Stimmung in dem Wagen gesehen. „Ich habe noch gedacht, mit dieser Geschwindigkeit kann das nicht gut gehen“, erinnerte sich einer der Männer. Nach dem Unfall hätten sie sofort angehalten und Erste Hilfe geleistet.
 

Stefan P. sei selbstständig aus dem Wagen geklettert und habe panisch reagiert. „Er wirkte geschockt und rief mehrfach 'das war so dumm'“, sagte einer der Zeugen, der zudem noch weitere Details berichtete: „Der Fahrer des Wagens war nach dem Unfall barfuß und der später ankommende Motorradfahrer schrie ihn an, dass er nie wieder fährt, wenn er getrunken hat.“ Schuhe wurden von der Polizei während der Unfallaufnahme damals nicht gefunden.

 

Staatsanwältin, Nebenklage und Verteidigung beantragen sehr unterschiedliche Strafen

 

Wie die Todesfahrt zu bewerten sei, darüber waren sich die Staatsanwältin, der Vertreter der Nebenklage und der Verteidiger des 24-jährigen Morsbachers allerdings uneins. „Wir haben hier einen Fall, der emotionaler und schlimmer kaum sein kann“, führte die Staatsanwältin aus. Sie forderte eine neunmonatige Bewährungsstrafe, 120 Stunden gemeinnützige Arbeit sowie eine 18-monatige Sperre für den Führerschein. Der Nebenklagevertreter sprach von einem „wahnsinnigen Überholmanöver“, das sehr grob fahrlässig gewesen sei. Strafschärfend war für ihn vor allem, dass Stefan P. barfuß gewesen sei und den Alkohol aus dem Biergarten mitgenommen und während der Fahrt weiter getrunken habe. Die Familie des Verstorbenen leide bis heute an den Folgen des Unfalls und befinde sich teilweise immer noch in psychologischer Behandlung. Auf einen konkreten Antrag verzichtete er, betonte aber, dass eine Bewährungsstrafe hier nicht mehr ausreichen könne.

 

Der Verteidiger sah hingegen mehrere vorgeworfene Details der Unfallnacht nicht bewiesen und argumentierte zudem, dass sein Mandant zum Unfallzeitpunkt nach seiner Rechnung sogar 2,16 Promille gehabt haben könnte – wodurch er vermindert schuldfähig gewesen wäre. Er beantragte ein mildes Urteil ohne Sozialstunden. Richter Carsten Becker überzeugte das nicht: Er verurteilte den Morsbacher neben der neunmonatigen Bewährungsstrafe zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer 16-monatigen Führerscheinsperre, die Ende Oktober ablaufen wird. Zudem muss er die Kosten des Verfahrens tragen.

 

Sie werden mit dieser Schuld leben müssen“

 

„In Deutschland passiert es 100.000-fach, dass man gemeinsam Alkohol konsumiert und man anschließend nach Hause kommen muss. Sie haben es nicht geschafft, ohne Straftat nach Hause zu kommen“, richtete sich Becker an den Morsbacher. Er glaube ihm zwar seine Reue, allerdings könne kein Urteil der Welt den Verunfallten wieder lebendig machen: „Sie werden mit der Schuld leben müssen, einen Tod verursacht zu haben.“

 

Erledigt hat sich die Todesfahrt für Stefan P. damit aber noch längst nicht. Zum einen ließ der Nebenklagevertreter offen, ob er Rechtsmittel einlegen wird, zum anderen kommen vermutlich noch Regressforderungen auf den 24-Jährigen zu, da Ahmed J. einen kleinen Sohn hatte. „Ob sie finanziell ruiniert sind, wird an ihrer Haftpflichtversicherung hängen“, so Becker.

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