BLAULICHT

Bei Fluchtversuch fast Polizist über den Haufen gefahren

lw; 10.08.2022, 06:00 Uhr
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Bei Fluchtversuch fast Polizist über den Haufen gefahren

lw; 10.08.2022, 06:00 Uhr
Waldbröl – 29-Jähriger muss für zehn Monate ins Gefängnis – Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis und weitere Vergehen.

Von Lars Weber

 

Erst im September 2021 durfte Stefan O. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) das Gefängnis nach einem Jahr und zehn Monaten verlassen. Der Grund für die Haftstrafe unter anderem: Wiederholtes Fahren ohne Fahrerlaubnis. Ein knappes Jahr später hat der 29-Jährige aus Neuwied schon wieder auf der Anklagebank Platz nehmen dürfen und steht nun kurz vor dem nächsten Haftantritt. Auch vor dem Amtsgericht in Waldbröl ging es gestern um Fahren ohne Fahrerlaubnis. Allerdings soll Stefan O. bei seiner Flucht vor einer Polizeikontrolle auch noch einen Beamten fast überfahren haben. Deshalb wurde er zusätzlich zum Fahren ohne Führerschein unter anderem wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und dem tätlichen Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten angeklagt.

 

Routiniert bis teilnahmslos, so trat Stefan O. gestern vor dem Schöffengericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker auf. Er ahnte schon, wie der Tag für ihn enden würde. „Ich würde gerne draußen bleiben bei meinen Kindern und mir Arbeit suchen, auch wenn es vermutlich auf eine Haft hinausläuft“, schätzte er ganz richtig seine Perspektive ein, als er von Becker im Laufe der Verhandlung danach befragt wurde. Was auch deutlich machte: In der Theorie hätte er eine familiäre Motivation, an seinem Leben etwas zu ändern. Zumal gerade sein zweites leibliches Kind unterwegs ist und er die Geburt seiner Tochter bereits verpasste.

 

In der Praxis wiederum scheint die Theorie nicht mehr viel wert zu sein. Schon seit 2009 kommt der Mann aus Neuwied hauptsächlich wegen Verkehrsdelikten immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz, meist hat es etwas mit dem Fehlen der Fahrerlaubnis zu tun. Die Zeit im Gefängnis scheint an seiner Einstellung nichts geändert zu haben. Neben dem Verfahren gestern in Waldbröl erwarten ihn bereits weitere. Alles Delikte, die nach seiner Haftentlassung passiert sind. Allein zehn Mal wurde er beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischt, die er noch nie besessen hat.

 

Der Vorfall in Morsbach am 13. Dezember 2021 sticht aber heraus. An diesem Tag war der Angeklagte auf der Morsbacher Straße Richtung Lichtenberg unterwegs, als er ein Stoppschild überfahren haben soll und von der Polizei gemeinsam mit zwei weiteren Verkehrssündern zu einer Kontrolle gebeten wurde. Zunächst reihte sich Stefan O. mit seinem Beifahrer ein und kam an einer Bushaltestelle zum Stehen. Statt aber auf die Kontrolle zu warten, scherte er wieder aus und fuhr los. Ein Polizist trat auf die Straße und wollte ihn zum Anhalten bewegen, der Angeklagte sei jedoch unbeirrt weitergefahren in der Annahme, dass der Beamte schon zur Seite geht, so die Staatsanwaltschaft. Dies tat der Beamte auch, er musste aber zur Seite springen.

 

Der 29-Jährige versuchte gar nicht, um den heißen Brei zu reden. Es sei so gewesen wie in der Anklageschrift. Der Grund, warum er plötzlich die Flucht ergriffen habe, sei sein Beifahrer gewesen. Der habe ihm eröffnet, dass er Amphetamin und Gras in der Tasche hatte. Den Polizisten wollte er nicht überfahren. Bei diesem entschuldigte er sich später, als der Beamte seine Aussage machte.

 

Dabei ging es vor allem um die Geschwindigkeit, mit der Stefan O. auf ihn zufuhr. „Er war mit langsamer Geschwindigkeit unterwegs, wir konnten uns in die Augen sehen.“ Er habe noch leicht mit seinen Händen auf die Motorhaube geschlagen, als er einsehen musste, dass der Angeklagte nicht stoppen werde. Dann sei er zur Seite gesprungen. Verletzt habe er sich nicht, in einer ähnlichen Situation würde er sich aber nicht wieder auf die Straße stellen. Das besondere Problem am Tatort: Durch eine Straßenbegrenzung war es Stefan O. nicht möglich, an dem Polizisten vorbeizufahren. Trotzdem hatte der Kollege des betroffenen Beamten den Eindruck, dass der Angeklagte um diesen herumfahren wollte. Richtig beschleunigt habe der Angeklagte seine Geschwindigkeit jedenfalls erst, nachdem der Polizist aus dem Weg gewesen sei.

 

Nach dem vollumfänglichen Geständnis blieb keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft forderte ein Jahr und zwei Monate Haftstrafe – ohne Bewährung. „Wo soll die auch herkommen?“, sagte der Staatsanwalt mit Bezug auf die Vorstrafen und die Delikte, die sich schon seit der Haftentlassung wieder angesammelt haben. Noch dazu habe sich der Angeklagte im vergangenen Jahr nicht um eine Arbeit bemüht. „Sie machen einfach weiter dort, wo sie aufgehört haben.“ Stefan O.‘s Verteidiger versuchte noch, aus dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und dem tätlichen Angriff eine Nötigung zu machen – ohne Erfolg.

 

Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: In allen Punkten wurde Stefan O. schuldig gesprochen. Mit einer Haftstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung fiel das Urteil etwas milder als gefordert aus. Allerdings erwartet Richter Becker, dass bei einem weiteren Verfahren in Rheinland-Pfalz den Angeklagten noch einige Monate mehr erwarten. „Das Rückfalltempo ist bei ihnen erschreckend hoch“, mahnte der Richter. Am Ende habe er Glück gehabt, dass dem Polizisten nichts passiert ist, sonst wäre es unter Umständen um versuchte gefährliche Körperverletzung gegangen – oder gar um versuchten Mord.

 

Übrigens: Den Führerschein wird Stefan O. mindestens zwei Jahre nicht machen dürfen. Das Gericht verhängte eine Sperre. Und auch danach wird Stefan O. erst eine charakterliche Eignung nachweisen müssen.

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