BLAULICHT

Ausgerastet: Angeklagter entblößt sein Geschlechtsteil vor Gericht

pn; 08.01.2021, 17:30 Uhr
BLAULICHT

Ausgerastet: Angeklagter entblößt sein Geschlechtsteil vor Gericht

pn; 08.01.2021, 17:30 Uhr
Gummersbach – 23-jähriger Mann stand wegen Diebstahls, Beleidigung und Widerstands gegen die Polizei vor Gericht – Angeklagter spricht von Dämonen und lässt die Hosen runter.

Von Peter Notbohm

 

Die Anklage gegen Djibril T. (Anm.d.Red.: Name geändert) ließ eigentlich ein harmloses Verfahren erwarten. Was sich in den folgenden knapp 100 Minuten am Freitagmittag in Saal 110 des Gummersbacher Amtsgerichts ereignete, dürfte allen Prozessbeteiligten aber wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

 

Mann führte bei Diebstahl Messer mit langer Klinge mit sich

 

Die Staatsanwaltschaft warf dem 23-Jährigen vor, am 5. August des vergangenen Jahres im Rewe in Bergneustadt neben mehreren Dosen Red Bull auch Socken und ein Paar Sportschuhe (Warenwert von insgesamt 46,20 €) in seinen Rucksack gepackt zu haben. Anschließend soll er versucht haben, ohne zu Bezahlen den Kassenbereich zu passieren. Zudem soll er ein Küchenmesser mit einer 18 Zentimeter langen Klinge mit sich geführt haben, ein Ladendetektiv hielt ihn auf. Bei der anschließenden Durchsuchung durch die Polizei in den Büroräumen des Supermarktes hatte sich der Mann massiv gewehrt und die Beamten ununterbrochen aufs Heftigste beleidigt. So weit, so vermeintlich unspektakulär.

 

Dass es sich dann aber doch um keinen ganz alltäglichen Fall handelte, machte sich schon beim Betreten des Gerichtssaals bemerkbar: Fünf Justizbeamte, ein psychiatrischer Gutachter und zwei Bewährungshelfer sorgten dafür, dass der Raum in Corona-Zeiten fast schon ungewöhnlich gut gefüllt war. Djibril T. saß nahezu vermummt durch ein blaues Kopftuch, ein Basketballcap sowie einen Mundnasenschutz in Handschellen neben seinem Verteidiger. Nur seine Augen musterten immer wieder ruhelos den Saal. Auch das lange Vorstrafenregister offenbarte, dass der Mann nicht zum ersten Mal in Kontakt mit der Justiz war. Besonders in Waldbröl sorgte sein Verhalten in den vergangen Jahren fast schon für einen Dauereinsatz von Ordnungsamt und Polizei. Zwischenzeitlich häuften sich 16 Ermittlungsverfahren innerhalb von drei Monaten an.

 

Gutachter hält Angeklagten für gefährlich

 

Er sei ein Monstrum und werde das Spiel, das mit ihm gespielt werde, nicht mitmachen. Er wohne überall und nirgendwo und habe auch getötet. Aber einzig das „Oberste Amtsgericht der Vereinigten Staaten von Amerika“, dürfe über ihn urteilen, waren nur der Beginn vieler wirrer Aussagen des 23-Jährigen, der sich mit dem Erzengel Gabriel verglich. Strafrichter Ulrich Neef reagierte zunächst noch gelassen, den Angeklagten kannte er schon aus früheren Verfahren und vernahm anschließend die Zeugen. Dabei berichtete unter anderem ein Polizist, dass es damals zwei Beamten erst nach einem gezielten Faustschlag ins Gesicht und mit Hilfe eines Praktikanten gelungen war, den Mann überhaupt zu Boden zu bringen.

 

Anschließend erklärte ein Gutachter, ein Facharzt für Verhaltens- und Psychotherapie, dass Djibril T. diagnostisch aufgrund fehlender Daten zwar schwierig zu beurteilen sei, unbehandelt halte er ihn aber für „hoch psychotisch und erheblich gefährlich für die Allgemeinheit“. Bei dem 23-Jährigen würden sich Psychose und klare Momente immer wieder abwechseln. Auch bei ihrem Gespräch im Gefängnis sei der Mann vollkommen ausgerastet. Vermutlich ist seine Krankheit aus massiven Drogenmissbrauch entstanden, als Jugendlicher war der Mann noch auf bestem Weg das Abitur am Gymnasium in Gummersbach abzulegen. Der Gutachter empfahl eine Unterbringung in einer Fachklinik anstelle einer Gefängnisstrafe.

 

Dem pflichtete auch der Bewährungshelfer bei. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Siegburg sei der gebürtige Kenianer nicht nur aus einer Wohngemeinschaft in Waldbröl wegen asozialen Verhaltens rausgeflogen, auch in mehreren Kliniken schmiss man den Mann immer wieder raus. In seinen 30 Berufsjahren habe er selten so einen Fall erlebt.

 

Ausgerastet und blank gezogen

 

Hatten sich die wirren Aussagen und Scharmützel mit dem Richter bis zu diesem Zeitpunkt noch einigermaßen im Rahmen gehalten, folgte nun der erste große Auftritt des Angeklagten. Djibril T. wurde immer ungehaltener und lauter, stand auf und zog als Höhepunkt seine Hose herunter und präsentierte allen Anwesenden seinen Penis, verbal unterlegt mit einer weiteren Schimpftirade. Auch nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die beide eine Verweisung des Verfahrens an das Landgericht beantragten, um dort über eine mögliche Einweisung urteilen zu können, ließ sich der Mann nicht mehr beruhigen. Er beschimpfte die Anwesenden als Dämonen, ließ mehrere antisemitische Aussagen fallen und sprach von satanischen Machenschaften des Gerichts.

 

Überraschendes Urteil

 

Mittlerweile war auch der Geduldsfaden von Richter Neef gerissen. War er den Aussagen des Angeklagten lange Zeit mit viel Ironie und noch mehr Sarkasmus begegnet, ignorierte er diese inzwischen völlig und verlas geradezu stoisch sein Urteil. Unter dem lautstarken Beleidigungsorkan des 23-Jährigen verwies er das Verfahren nicht etwa an das Landgericht in Köln, sondern verurteilte den Mann zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten. „Ich schiebe ihr Verhalten nicht auf die Psychoebene. Sie sind voll schuldfähig“, sagte er.

 

Ein überraschendes Urteil, hinter dem allerdings Kalkül stecken könnte. In einem anderen Verfahren hatte ein Landgericht eine Verweisung bereits einmal abgelehnt. Rechtsanwalt Stephan Kuhl kündigte gegenüber OA unmittelbar nach dem Prozess an, Berufung einzulegen, wodurch das Verfahren auf jeden Fall an das Landgericht verwiesen werden muss. „Alle Sachverständigen sprechen eindeutig von einer Erkrankung. Selbst wenn er nach der Haftstrafe wieder freikäme, ist er unbehandelt nicht ungefährlich.“

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