BLAULICHT

Angeklagte redet sich fast um Kopf und Kragen

lw; 24.01.2024, 15:47 Uhr
Archivfoto: OA.
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Angeklagte redet sich fast um Kopf und Kragen

lw; 24.01.2024, 15:47 Uhr
Waldbröl – 56-Jährige musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung am Amtsgericht verantworten – Angeklagte sah sich selbst als Opfer.

Von Lars Weber

 

Beinahe hätte die 56-jährige Petra R. (Anm.d.Red.: Name geändert) die Vorarbeit ihres Verteidigers zunichte gemacht. Vorgeworfen wurden ihr in der Verhandlung am Amtsgericht Waldbröl am Dienstag gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung. Ein Video bewies dabei zumindest Teile der Anklage. Geradezu widerwillig akzeptierte sie, dass das Verfahren gegen eine Wiedergutmachungszahlung über 750 Euro eingestellt wurde. Genau diese Zahlung an den Geschädigten war das Problem der 56-Jährigen. Denn sie sah sich mehr als Opfer, denn als Täter.

 

Im Mittelpunkt der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft stand der Silvesterabend 2022 in einer Ortschaft in der Gemeinde Reichshof. Gegen 22 Uhr sollen die Nachbarn der Angeklagten bereits Pyrotechnik abgebrannt haben, was die 56-Jährige geärgert haben soll. Sie habe zunächst ein Schild aus ihrem Vorgarten gerissen und es auf das Grundstück der Nachbarn geschmissen, dann soll sie mit einem Stein eine Statur bearbeitet haben. Dies soll die Nachbarn auf den Plan gerufen haben, man geriet aggressiv aneinander. Die Angeklagte soll zunächst einen Besen auf einen Mann geworfen haben, dann entstand ein Gerangel, in dem sie ihn geschlagen und auch mit einem Porzellanuntersetzer geworfen und getroffen haben soll. Sie selbst wurde bei der Auseinandersetzung getreten. Bei den Nachbarn entstanden mehrere Verletzungen, einer verletzte sich am Augapfel. Während der Tat hatte Petra R. etwa 1,5 Promille Alkohol im Blut.

 

Was im Prozess schnell klar wurde: Der Streit schwelte schon länger. Dabei ging es auch um den Auszug der Angeklagten aus der Wohnung, den die andere Seite herbeiführen wollte, wie Petra R. es darstellte. Die Nachbarn waren nämlich ihre Vermieter. So seien diverse Provokationen dem Abend vorangegangen, zum Beispiel hatten sich die Nachbarn auf der Terrasse der Angeklagten mit ihren Stühlen bequem gemacht. Sie berichtete weiter von „Lärm und Krach“. Zudem wurde auf dem Schild, das sie an Silvester aus ihrem Vorgarten unsanft entfernte, ihre Wohnung zur Miete angeboten: "Frei ab 1.1.2023".

 

Doch obwohl Richter Kevin Haase die Provokationen gar nicht anzweifelte, machte er ebenso deutlich, dass es bei der Verhandlung eben nur um das Verhalten der Angeklagten am 31. Dezember vor zwei Jahren ginge – und das mehrfach, denn die Angeklagte war emotional sehr geladen und stellenweise nur schwer vom Richter und Verteidiger zu beruhigen. Auch ein Ordnungsgeld drohte. Dabei machte ein Video von einer Überwachungskamera des Vermieters deutlich, dass zumindest Teile der Anklage so passiert waren – allen voran der harte Wurf des Porzellanuntersetzers. Das Video wurde beim Rechtsgespräch zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richter voll abgespielt.

 

Nach diesem Gespräch wurde der Angeklagten eine Einstellung des Verfahrens in Aussicht gestellt. Die Voraussetzung, die Zahlung von 750 Euro als Wiedergutmachung an den Nachbarn, brachte die Angeklagte aber so in Rage, dass sie die Vorteile dieses Vorgehens für ihre eigene Person eine Weile vergaß: Eine lange, mühselige Verhandlung mit sämtlichen Nachbarn als Zeugen bliebe ihr erspart. Und an deren Ende hätte höchstwahrscheinlich aufgrund des Videos eine Verurteilung und ein Eintrag im Vorstrafenregister auf sie gewartet. „Der kriegt keinen Cent von mir! Seit 2017 hat der nur rumgestänkert und uns schikaniert! Der lacht sich doch jetzt kaputt!“

 

Die Vorteile einer Einstellung des Verfahrens drangen schließlich aber doch noch zu ihr durch – und sie akzeptierte diesen Weg und auch die Wiedergutmachungszahlung. In der Wohnung lebt Petra R. mit ihrem Mann übrigens schon länger nicht mehr. Inzwischen ist sie in Bergneustadt wohnhaft. Dass sie ihre Nachbarn und ehemaligen Vermieter trotzdem nochmal wiedersieht, ist möglich, denn auch gegen diese läuft ein Strafverfahren.

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