BLAULICHT

"In Krisen Köpfe kennen, das ist unheimlich wichtig"

lw; 13.04.2024, 07:00 Uhr
Fotos: Lars Weber --- Kreisbrandmeister Wilfried Fischer blickt zufrieden auf die vergangenen sechs Jahre zurück.
BLAULICHT

"In Krisen Köpfe kennen, das ist unheimlich wichtig"

lw; 13.04.2024, 07:00 Uhr
Oberberg - Ende des Monats endet die Amtszeit von Wilfried Fischer als Kreisbrandmeister - Im Gespräch mit OA spricht er über Krisen, Trends und seine Zukunft.

Von Lars Weber

 

OA: Herr Fischer, sechs Jahre sind Sie nun Kreisbrandmeister, davor waren Sie insgesamt zwölf Jahre schon Vertreter, für Frank-Peter Twilling und davor für Uwe Lomberg. Gab es überhaupt noch etwas, was Sie da überrascht hat?

 

Wilfried Fischer: Ich kannte die Zusammenhänge, ich kannte die Aufgabe, von daher gab es nichts, was mich da noch überrascht hat. Überrascht haben mich dafür die Szenarien, die wir seit 2018 erlebt haben. Angefangen vom Waldbrand auf dem Hömerich 2020 über die Corona-Krise oder das Starkregenereignis 2021. Das hat mich überrascht und auch gefordert.

 

OA: Mehr Waldbrände, mehr Unwettereinsätze. Das sind ja zugleich die Trends, die sich in den vergangenen Jahren durch den fortschreitenden Klimawandel in der Arbeit der Feuerwehr durchgeschlagen haben…

 

Fischer: Auf jeden Fall. Wir haben feststellen müssen, wie ein Waldbrand auch mal schnell außer Kontrolle geraten kann. Oder dass ein andauernder Starkregen nicht nur Keller volllaufen lässt. Nicht zuletzt haben wir auch durch Corona gemerkt, dass wir uns hier und da anders aufstellen müssen. Wir wurden von der Pandemie ein Stück weit entschleunigt. Und das hat uns sogar gutgetan, mal runterzukommen von dem immer mehr, immer schneller, immer höher. Nach dem Motto: Jetzt stellen wir mal fest, was wirklich wichtig ist. Und das ist die Gesundheit! Weiterhin gefordert werden wir auch derzeit noch von dem aufgekommenen Thema Energiemangellage. Da geht es nicht um das ob, sondern wann so etwas einmal passiert.

 

OA: Was wurde diesbezüglich unternommen?

 

Fischer: Ich glaube, mit unseren erarbeiteten Konzepten sind wir gut aufgestellt, alle gemeinsam: mit der Kreisverwaltung, mit den Gemeinden, mit den Feuerwehren und Hilfsorganisationen. Vor allem wurde das Bewusstsein für das Thema geschaffen, in den Kommunen zum Beispiel Objekte mit Notstrom versorgen zu können, dass wir die Kommunikation untereinander aufrechterhalten können. Zudem wurde das Notfall-Informationspunkte-System (NIP) aufgestellt, wo die Feuerwehren dran beteiligt waren. Diese Konzepte würden im Ernstfall greifen und wurden in Übungen auch geprobt. Ein Schwerpunkt ist weiterhin, die Warnung der Bevölkerung noch weiter zu verbessern. Da sind auch die Kommunen gefordert, die Sirenen aufzustellen.

 

Der Neue

 

Sieben Bewerbungen für das Amt des neuen hauptamtlichen Kreisbrandmeisters gab es: Durchgesetzt hat sich der aktuelle Leiter der Feuer- und Rettungsleitstelle Julian Seeger. Einstimmig ist der 44-Jährige am Donnerstag vom Kreistag zu Fischers Nachfolger gewählt worden. Das Amt tritt er am 1. Mai an. Seeger ist ein „Kind Oberbergs“. Geboren und aufgewachsen ist er in Marienheide-Siemerkusen. Im Jugendalter tritt er in die Jugendfeuerwehr Marienheide ein, seinen aktiven Dienst beginnt er in der Löschgruppe Kempershöhe. 2001 sammelt er im Zivildienst erste Erfahrungen in der Rettungswache Gummersbach. Anschließend beginnt er seine Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann in Köln. 2011 kehrt er in die Heimat zurück, zum Oberbergischen Kreis in die Feuer- und Rettungsleitstelle, die er seit 2019 leitet. Als Kreisbrandmeister sieht er sich selbst als Schnittstelle zwischen dem Ehrenamt und der Verwaltung.

 

OA: Lassen Sie uns nochmal kurz in der Zeit zurückgehen. Wenn Sie an den Waldbrand auf dem Hömerich denken, an den Beginn der Pandemie oder das Starkregenereignis 2021, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

 

Fischer: Beim Waldbrand war es das Ausmaß. Dass auf einmal eine Ortslage gefährdet ist, dass Bewohner in Gefahr kommen, dass ein Landwirt um seine Existenz bangen muss. Hier hat uns Corona sogar geholfen, die Situation in den Griff zu bekommen. Weil das gesellschaftliche Leben lahmgelegt war, standen die Polizeiwasserwerfer oder auch die Fahrzeuge der Flughafen- und Bundeswehrfeuerwehr in den Hallen rum und wir konnten sie unbürokratisch einsetzen. Das war unorthodox, hat aber geholfen. Außerdem hat der liebe Gott den Wind drehen lassen (lacht). Bei Corona ging es darum, unsere Kameraden bestmöglich zu schützen. Weil wir in Reichshof einen frühen Ausbruch hatten, sind wir schnell sensibilisiert worden und haben gut und diszipliniert reagiert. Wichtig war in diesem Zusammenhang das frühe Impfen der Einsatzkräfte, auch anderer Hilfsorganisationen, und die zur Verfügung gestellte Schutzkleidung. Außerdem gab es keinen kompletten Stillstand bei Aus- und Weiterbildung. Beim Hochwasser 2021 haben wir früh gehandelt. Besonders beschäftigt hat uns die über das Ufer getretene Wupper, der drohende Dammbruch beim Beverteich. Bei allen materiellen Schäden, gerade für viele Firmen, und Schäden für die Umwelt, gab es bis auf den Unfall eines DLRG-Tauchers in Hückeswagen keine Personenschäden, das ist das A und O. Wir haben sehr viel Glück gehabt.

 

OA: Was sind Lehren oder Konsequenzen, die aus diesen Situationen gezogen wurden?

 

Fischer: In Krisen Köpfe kennen, das ist unheimlich wichtig. Und wir kennen uns untereinander, die Verwaltungen, die Hilfsorganisationen, der Austausch ist enorm wichtig. Außerdem natürlich: Wo müssen wir uns noch besser aufstellen? Wir sind zum Beispiel der Kreis mit den meisten Talsperren, bei zukünftigen Ereignissen könnten wir noch mehr gefordert sein. Vielleicht brauchen wir noch neues Equipment für Hochwasserlagen, vielleicht brauchen wir aber auch neues Equipment für die Bekämpfung von Waldbränden. Zum Glück haben wir schon sehr früh angefangen, uns mit Forstbehörden und mit dem Landesbetrieb Wald und Holz auszutauschen. Das ist viel passiert, muss sich aber noch weiterentwickeln.

 

OA: Was nehmen Sie aus ihrer Zeit als erster hauptamtlicher Kreisbrandmeister überhaupt und den Jahren zuvor in ehrenamtlicher Funktion nun mit?

 

Fischer: Ich komme aus dem Ehrenamt, hab mich dann entwickelt, habe mein Hobby zum Beruf machen dürfen und viele, viele Leute kennengelernt, die mich begleitet haben. Hätte ich diese Menschen nicht gehabt, wäre ich, wären wir, niemals so weit gekommen. 1975 bin ich in die Jugendfeuerwehr eingetreten, 1985 habe ich eine kleine Löschgruppe übernommen, 1997 wurde ich Leiter der Feuerwehr Radevormwald, 2003 hauptamtlicher Wachleiter, ab 2006 dann stellvertretender Kreisbrandmeister, 2012 ging ich zum Kreis in die Brandschutzdienststelle, dann – als krönender Abschluss – die Aufgabe als Kreisbrandmeister. Ich kann nur sagen: Das hat mir Spaß gemacht! Und da waren vor allem die Kameradinnen und Kameraden wichtig, die mich bei jedem Schritt begleitet und mich auch mal auf Spur gehalten haben.

 

Zur Person

 

[Archivfoto: Michael Gauger --- Fischer bei einem Workshop des Kreisfeuerwehrverbands auf dem Übungsgelände in Brächen.]

 

Wilfried Fischer ist 63 Jahre alt und echter Radevormwalder. Mit seiner Frau Karin wohnt er in Ümminghausen, er hat zwei erwachsene Kinder. Seine Feuerwehrkarriere beginnt 1975 mit dem Eintritt in die Jugendfeuerwehr. Im gleichen Jahr startet auch seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. 1980 wird er bei der Stadt Radevormwald zum Feuerwehr-Beamtenanwärter eingestellt. Seine erste Löschgruppe übernimmt Fischer 1985. Bis 1994 führt er die LG Landwehr an. Ab 1997 ist er ehrenamtlicher Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Radevormwald. 2000 wird er zum Geschäftsführer des Kreisfeuerwehrverbands gewählt. Von 2003 bis 2012 bekleidet Fischer die Position des Wachleiters in der Feuer- und Rettungswache Radevormwald, von 2006 bis 2018 ist er stellvertretender Kreisbrandmeister des Oberbergischen Kreis. 2018 übernimmt er als erster hauptamtlicher Kreisbrandmeister diese Position.  

 

OA: Was geben Sie ihrem Nachfolger auf den Weg?

 

Fischer: Dass Julian Seeger die gleichen Erfahrungen macht, dass er auch Mitstreiter bekommt, die die Leitplanken bilden und dass er gute Freunde hat, die ihm auf dem Weg helfen. Das Allerwichtigste ist eine starke Familie, die einen begleitet.

 

OA: Wie geht es für Sie nun weiter?

 

Fischer: Ich habe im Ehrenamt angefangen und höre auch ehrenamtlich in meiner Löschgruppe auf. Aber auch hier im Kreis werde ich noch unterstützend tätig sein. Abseits von der Feuerwehr freue ich mich am meisten auf das Wohnmobil und gemeinsame Ausflüge und Reisen mit meiner Frau und den Enkelkindern.

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