BLAULICHT

„Ein Schlaraffenland für Betrüger“

ks; 12.10.2023, 16:56 Uhr
Symbolfoto: Alexandra_Koch auf Pixabay.
BLAULICHT

„Ein Schlaraffenland für Betrüger“

ks; 12.10.2023, 16:56 Uhr
Gummersbach – Wegen des Betrugs mit Bürger-Coronatests musste sich heute ein 27-jähriger Gummersbacher vor dem Amtsgericht verantworten.

In den ersten Monaten der Corona-Pandemie schockten zahlreiche Bilder die Welt. Ob auf dem Bauch liegende regungslose Körper in Intensivstationen, überfüllte Leichenhallen oder auch ein Konvoi von Militärlastern im italienischen Bergamo: „Keiner wusste, was zu machen ist – selbst die Leute, die unser Land führen sollten“, sagte Richter Ulrich Neef heute nach seiner Urteilsverkündung, und ergänzte: „Wenn man die Zeit nicht erlebt hätte, hätte man gesagt: ‚Das kann ja wohl nicht wahr sein!‘“

 

Mittlerweile liegt der Ausbruch des Coronavirus fast vier Jahre zurück. Um die Pandemie einzudämmen, entschied sich der Staat für eine recht unkonventionelle Variante. So wurde die Möglichkeit geschaffen, dass (sogar) Leute, die beruflich rein gar nichts mit dem Gesundheitswesen zu tun hatten, ein Testzentrum eröffnen konnten. Der ein oder andere sah darin jedoch die Gelegenheit, schnell zu Geld zu kommen. „Das war ein Schlaraffenland für Betrüger“, kommentierte Neef.

 

Vor dem Gummersbacher Schöffengericht musste sich heute Yassin H. (Anm. d. Red.: Name geändert) verantworten. Vorgeworfen wurde dem 27-jährigen Gummersbacher der Betrug mit Bürger-Coronatests. Im April 2021 soll der junge Mann vom Gesundheitsamt eine sogenannte Teststellennummer erhalten haben, die ihn dazu berechtigt habe, eine Teststelle zu eröffnen. Angesiedelt war diese im Eingangsbereich einer Gummersbacher Shisha-Bar.

 

Anschließend soll Yassin H. bis November 2021 sechsmal versucht haben, mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein abzurechnen. Dazu musste er der KV unter anderem nennen, wie viele Abstriche durchgeführt worden sind. So habe der Angeklagte im Juni über 5.000, im Juli über 6.000 und im August über 11.000 Abstriche gemeldet. Insgesamt sollen über 32.000 Tests durchgeführt worden sein. Die Staatsanwaltschaft war laut Anklage hingegen der Auffassung, dass in dem Testzentrum keine Testungen vorgenommen worden sind.

 

Nach der ersten Abrechnung sollen Yassin H. insgesamt 49.503,41 Euro ausgezahlt worden sein; weitere Auszahlungen soll es nicht gegeben haben. Bereits Ende Juli habe die KV die Staatsanwaltschaft über ihren Betrugsverdacht informiert. Darüber hinaus soll es hinsichtlich der Teststelle auch Beschwerden beim Gesundheitsamt gegeben haben. Genannt wurden unter anderem fehlerhafte oder gefälschte Testzertifikate, das Fehlen von Schutzkleidung, eine mangelnde Belüftung sowie zu geringe Abstände.

 

Yassin H. machte von seinem Schweigerecht Gebrauch. Erst, nachdem Richter Neef sich durch die Aktenlage gearbeitet hatte, griff der 27-Jährige in seine Jackentasche und zückte einen USB-Stick. Angeblich seien auf dem Datenträger notwendige Unterlagen wie Angaben zu den Testpersonen, Rechnungen über den Kauf von Testkits sowie Arbeitsverträge zu finden. Zugreifen ließ er auf den Datenträger aber niemanden, sagte: „Da sind auch private Sachen auf dem Stick.“

 

Sein Verteidiger meinte dazu: „Wir sind hier nicht in der Bringschuld.“ So hätte seiner Meinung nach die Staatsanwaltschaft nachweisen müssen, dass die Tests nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Anders sah das der Staatsanwalt. Auch wenn Testungen durchgeführt worden seien, würde es dabei nicht um deren Qualität gehen, sondern darum, dass der Angeklagte seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen sei. „Nun gibt es wohl eine Dokumentation, aber wir kennen sie nicht“, sagte der Staatsanwalt nach der Präsentation des Stickes.

 

Während die Verteidigung für Yassin H. einen Freispruch forderte, sprach der Staatsanwalt von einem besonders schweren Fall des Betrugs, forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung sowie den Einzug des ausgezahlten Betrags. Das Schöffengericht folgte der Staatsanwaltschaft, sprach die Freiheitsstrafe allerdings nicht zur Bewährung aus.

 

„Sie haben sich strafbar gemacht“, sagte Richter Neef zu dem Angeklagten, sprach von einer „Vermischung von kriminellem Verhalten und völliger Ahnungslosigkeit“. Zweifel daran, ob in der Teststelle überhaupt Testungen durchgeführt worden sind, hatte der Vorsitzende nicht: „Sie werden Tests durchgeführt haben, aber nicht in dieser Größenordnung.“ Yassin H. hat nun eine Woche Zeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

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