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VfL dreht Hammerspiel Sekunden vor dem Ende

bv; 7. May 2016, 22:08 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- So bissig wie auf diesem Bild der heute gut aufgelegte Magnus Persson agierte der gesamte VfL Gummersbach in der zweiten Hälfte.
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VfL dreht Hammerspiel Sekunden vor dem Ende

bv; 7. May 2016, 22:08 Uhr
Gummersbach - Simon Ernst umjubelter Matchwinner beim 31:30 (14:17) gegen den TSV Hannover-Burgdorf - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Bernd Vorländer

VfL Gummersbach - TSV Hannover-Burgdorf 31:30 (14:17).

Wenn verschwitzte, blau gewandete Leiber plötzlich in einer Menschentraube versinken und damit ihrer Freude Ausdruck geben, wenn einer der Akteure in einer Halle von seinen Mitspielern schier erdrückt und geherzt wird, wenn die gegnerische Mannschaft kopfschüttelnd nach dem nächsten Ausgang sucht und in Agonie zu versinken scheint - dann ist Außergewöhnliches geschehen. Vom Ablauf und Ende dieses Handballspiels in der ausverkauften SCHWALBE arena werden die 4.132 Zuschauer, die Offiziellen und Spieler sicherlich noch geraume Zeit sprechen. Zu dramatisch war das Finale einer Partie, die zwar nicht hochklassig, aber ungemein emotionsgeladen und spannend war.


[Nur selten hat man einen stärkeren Florian von Gruchalla als gegen Hannover gesehen.]

Rund acht Minuten vor dem Abpfiff des unsicheren Schiedsrichter-Duos Fabian Baumgart und Sascha Wild deutete rein gar nichts auf ein Happyend für den VfL Gummersbach hin. Die ohne Mark Bult, Raul Santos und Gunnar Steinn Jonsson angetretenen Gastgeber hatten bis dahin ein kämpferisches, aber auch fehlerbehaftetes Spiel geboten. 0:4 lag man hinten, ehe VfL-Coach Emir Kurtagic schon nach 3:36 Minuten die erste Auszeit nahm. Gummersbach kam danach besser ins Spiel, glich zum 5:5 aus und ging mit 8:6 in Front. Doch Sicherheit gab die Führung nicht. Mehrere Fehlwürfe auf Seiten der Gastgeber brachten den TSV wieder in Vorhand, der mit einem Drei-Tore-Polster in die Pause ging.


Nach dem Wechsel legten die Niedersachsen gar auf 15:19 vor, ehe der VfL vor allem durch den bärenstarken Florian von Gruchalla im Spiel blieb. Der Rechtsaußen verwandelte nicht nur seine Siebenmeter sicher, sondern nutzte die sich bietenden Gelegenheiten eiskalt. Sicherlich die beste Saisonleistung, die er mit zehn Toren krönte. Die Blau-Weißen bissen sich allmählich zurück ins Spiel. Die erste Schlüsselszene dann nach 41 Minuten, als VfL-Trainer Emir Kurtagic eine Entscheidung der Referees auf die Palme brachte und sein Team daraufhin eine Hinausstellung hinnehmen musste.


[Mit seiner feinen Einzelleistung brachte Simon Ernst dem VfL den Sieg.]

Die Emotionen schlugen hoch, die Halle kochte. Ab diesem Zeitpunkt war es kein normales Handballspiel mehr. Carsten Lichtlein, der nach 38 Minuten für Matthias Puhle im Tor Platz gemacht hatte, erging es wie seinem Trainer, als es ihn nach einem Pfiff nicht mehr auf der Bank hielt. Jetzt knisterte es richtig.

Immer wieder konnte der VfL auf ein Tor verkürzen, doch die Gäste gaben postwendend die Antwort. Dann kam die 52. Minute: Zwei Hannoveraner mussten beim Spielstand von 26:29 binnen weniger Sekunden Zeitstrafen hinnehmen. Der VfL bedankte sich für dieses Angebot, dreieinhalb Minuten vor dem Abpfiff stand es 29:29. Der Rest war Nervensache. Olsen legte für seine Farben vor, von Gruchalla versenkt seinen dritten Siebenmeter im Netz.

Hannover will nun den letzten Angriff ausspielen, doch Rückraumschütze Mait Patrail nimmt sich 17 Sekunden vor dem Ende einen Wurf, der neben das Tor geht. VfL-Coach Kurtagic ruft die Seinen zur Auszeit, die Sekunden verrinnen, als Simon Ernst zum "Man of the match" wird. Er bekommt den Ball in der Kreuzbewegung und wuchtet das Runde ins Eckige. Die Fans sind aus dem Häuschen, die Halle tobt, Ernst muss um seine Gesundheit fürchten, so viele Leiber begraben ihn. Das Spiel wird nochmals angepfiffen, doch in den restlichen zwei Sekunden passiert nichts mehr.


[Erst war es nur die Gelbe Karte, die VfL-Coach Emir Kurtagic sah, später erhielt er noch eine Zeitstrafe - Julius Kühn hatte heute nicht seinen besten Tag und hatte neben drei Toren auch zahlreiche Fahrkarten zu verzeichnen.]

Wer als Zaungast dabei war, kann nun erzählen, was Handball eigentlich ausmacht und manchmal zwei Sekunden die vorherigen 59:58 Minuten in den Schatten stellen. Für den VfL war es ein Sieg des Willens und der Moral. In der Tabelle überholt der Sieger den Verlierer der Partie und belegt jetzt den 8. Platz.

VfL Gummersbach
Florian von Gruchalla (10/3)
Simon Ernst (5)
Magnus Persson (5)
Julius Kühn (3)
Evgeni Pevnov (3)
Andreas Schröder (2)
Kevin Schmidt (2)
Christoph Schindler (1)

TSV Hannover-Burgdorf
Casper Mortensen (5)
Runar Karason (4)
Timo Kastening (4)
Erik Schmidt (3)
Morten Olsen (3)
Lars Lehnhoff (3/2)
Mait Patrail (2)
Joakim Hykkerud (2)
Sven-Sören Christophersen (2)
Csaba Szücs (2)



Hinausstellungen: (10:12 Minuten/Lichtlein, Kühn, Pevnov, von Gruchalla, Kurtagic - Christophersen (2), Hykkerud, Patrail, Szücs, Schmidt)

Beste Spieler: von Gruchalla, Ernst, Persson - Mortensen, Kastening

Spielfilm: 0:4, 5:5, 8:6, 9:11, 14:17 - 15:19, 22:23, 25:27, 26:29, 29:29, 31:30



Emir Kurtagic (Trainer VfL Gummersbach): „Ich hatte mir heute vorgenommen, ruhig ein Spiel zu genießen und Spaß daran zu haben. Diese Lust ist mir heute genommen worden. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren noch nie etwas über Schiedsrichter gesagt, aber diese Leistung war unmöglich. Unverständlich auch deshalb, weil Fehlentscheidungen in gleicher Weise wiederholt wurden. Dafür habe ich kein Verständnis. Zum Spiel: Hut ab vor meiner Mannschaft. Wir haben viele Fehler gemacht, die auch knallhart bestraft wurden. Aber die Mannschaft hat Charakter gezeigt, die Fans waren unglaublich und mit einer großen Energieleistung haben wir dieses Spiel gewonnen, in dem es eigentlich nur noch um die goldene Ananas ging.“



Jens Bürkle (Trainer TSV Hannover-Burgdorf): „Das Spiel hat nicht den erhofften Ausgang für uns genommen, obwohl wir die Partie über weite Strecken dominiert haben. Beim Stande von 30:29 zum Beispiel lassen wir einen entscheidenden Konter liegen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre kann dann alles passieren. Dennoch haben wir alles gegeben.“

  

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