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„Wir kämpfen für ein Grundrecht aller Arbeitnehmer“

fj; 20. May 2015, 14:03 Uhr
Bild: privat --- Oberbergische Bahnangestellte warben heute am Dieringhausener Bahnhof für ihre Sache.
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„Wir kämpfen für ein Grundrecht aller Arbeitnehmer“

fj; 20. May 2015, 14:03 Uhr
Gummersbach – OA sprach mit dem Lokführer Dominic Eichert über den aktuellen Bahnstreik, die Forderungen der GDL und die Reaktionen der Fahrgäste.
Dominic Eichert ist Lokführer, Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und in Gummersbach-Dieringhausen stationiert. Hauptsächlich ist der 24-Jährige auf der Strecke zwischen Meinerzhagen und Köln (RB 25) unterwegs, einigen Fahrgästen dürfte er durch seine humorvollen kölschen Durchsagen bekannt sein. Gemeinsam mit rund 15 weiteren Kollegen, darunter Lokführer und Kundenbetreuer (Kontrolleure) war er seit heute Morgen um 9 Uhr am Dieringhausener Bahnhof anzutreffen. Bahnfahren stand dabei nicht auf dem Programm, sondern Kaffeekochen, Flyer-Verteilen und um Verständnis für den aktuellen Streik werben.

OA: Mit der Aktion wollten die oberbergischen Lokführer und Kundebetreuer mit Passanten und Fahrgästen ins Gespräch kommen und um Verständnis für den Streik werben, hat das geklappt?

Eichert: Teilweise. Viele sind schon ans Nachdenken gekommen, weil sie gar nicht wussten, wie unser Arbeitsalltag aussieht. Aber bei Manchen überwog die Wut. Dafür habe ich auch Verständnis, wie im Falle einer Dame, die schon vor langen eine Reise nach Berlin gebucht hat und nun nicht weiter kam.

OA: Ist man als streikender Bahnfahrer derzeit Anfeindungen ausgesetzt?

Eichert: Absolut. Beleidigungen und Drohungen gehören derzeit zum Alltag. Wenn man in seiner Dienstkleidung über den Kölner Hauptbahnhof geht, und somit als Lokführer erkennbar ist, wird man schnell zur Zielscheibe der kollektiven Wut. Die Leute verbrüdern sich regelrecht, kürzlich habe ich noch Schläge angedroht bekommen.

OA: Trotzdem stehen Sie hinter dem Streik?

Eichert: Ja! Dabei sind die 4,1 Prozent mehr Lohn, die die GDL fordert, für die meisten von uns nur eine Nebensache. Wir wollen vor allem mehr Zeit – für unsere Familien und Freunde.

OA: Können Sie die wesentlichen Forderungen kurz zusammenfassen?

Eichert: Wir wollen, dass die Tarifverträge auch für die Kundenbetreuer gelten. Vor allem aber kämpfen wir dafür, dass die Arbeitszeit von 39 auf 38 Stunden pro Woche gekürzt wird. Das ist nicht viel, würde die Deutsche Bahn aber dazu zwingen, mehr Leute einzustellen. Denn derzeit sind 55 bis 60 Stundenwochen durchaus üblich, es gibt Kollegen, die bis zu 1.000 Überstunden vor sich her schieben. Wir fordern, dass die Überstunden auf maximal 50 pro Jahr begrenzt werden, mehr dann nur auf freiwilliger Basis.

OA: Was bedeuten dieses Arbeitspensum für das Privatleben?

Eichert: Man hat kaum Zeit für Familie oder Freunde. Dadurch werden alle Beziehungen auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Hinzu kommt, dass Dienständerungen oft vorkommen. Wir kämpfen auch dafür, dass ein freies Wochenende auch bedeutet, dass man ab 22 Uhr am Freitag bis 6 Uhr am Montag frei hat – und nicht erst ab Samstagmorgen um 2 Uhr!

OA: Nach dem Rekord-Streik vor gerade einmal einer Woche wird nun erneut gestreikt? Warum wird dieser Kampf so exzessiv geführt?

Eichert: Weil wir auch gegen das Tarifeinheitsgesetz kämpfen, das besagt, dass allein die größere Gewerkschaft das Sagen hat, wenn es mehrere Gewerkschaften für eine Beschäftigungsgruppe gibt. Das Gesetz würde das Streikrecht, wie wir es heute kennen, enorm einschränken. Es geht hier um ein Grundrecht aller Arbeitnehmer! Und das geht doch alle etwas an, nicht nur die Bahnangestellten.

OA: Können Sie uns verraten, wann der Streik beendet wird?

Eichert: Nein. Auch wir haben von der GDL keine Informationen darüber, wann der Ausstand beendet wird. Wir wissen nur, dass es kein unbefristeter Streik ist.
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