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Masken aus Vorurteilen gelüftet

fj; 3. Apr 2014, 11:16 Uhr
Bilder: Martin Hütt --- Nicht nur symbolisch ließen die Schauspieler hinter die Maske aus Vorurteilen gegenüber Menschen mit Behinderungen blicken.
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Masken aus Vorurteilen gelüftet

fj; 3. Apr 2014, 11:16 Uhr
Gummersbach – Gestern feierte das Stück „Einfach LEBEN“ des Schauspielkurses für Kinder und Jugendliche mit Behinderung Premiere und rückte das gängige Bild über Menschen mit Behinderungen ordentlich zurecht.
Eine Rollstuhlfahrerin verlässt ein Geschäft mit einem neuen Paar Schuhe. Bezahlt hat sie nicht. Die Verkäufer sehen sich ratlos an. Was tun? Hinterher! Bei einem gebehinderten Menschen im Rollstuhl? Wohl eher nicht – nachher hat man selbst den Ärger, Rollstuhlfahrer klauen doch nicht. Die Szene sorgt für Gelächter im Publikum, doch während man sich noch über das scheinbar komische Verhalten der Verkäufer amüsiert, schleicht sich hinterrücks die Frage auf, ob man in dieser Situation nicht genauso gehandelt hätte. In einer nur wenigen Minuten dauernden Szene hat der Schauspielkurs für Kinder und Jugendliche mit Behinderung mit dem Klischee, Rollstuhlfahrer seien immer lieb und bemitleidenswert, kräftig aufgeräumt.


[Sind Witze über Behinderungen erlaubt? Ja, finden die Schauspieler und geben auch gleich ein paar Beispiele zum Besten.]

Ich habe eine Krankheit. Macht mich das zu einem anderen Menschen? Mit dieser Frage setzt sich das Stück „Einfach LEBEN“, eine Produktion des Schauspielkurses für Kinder und Jugendliche mit Behinderung der Kulturwerkstatt 32 auseinander, das gestern Premiere feierte. „Suchen Sie erst gar nicht nach einem roten Faden – es gibt keinen“, riet Regisseurin Sabrina Schultheis den Zuschauer in der Studiobühne der Halle 32. Stattdessen führten die acht Schauspieler Episoden aus dem Leben eines Rollstuhlfahrers auf und schafften es so in gerade einmal 45 Minuten, dass das Bild, welches man sich von Menschen mit Behinderungen gemacht hat, ordentlich ins Wanken gerät.


Darf man Fragen stellen? Darf man Menschen mit Behinderung anstarren? Das Stück gibt die Antwort: Es kommt auf den Menschen an. Der eine mag es, mit Fremden auf der Straße zu plaudern, der andere nicht. Die Charaktere sind unterschiedlich – ob mit Rollstuhl oder ohne. „Jeder Jeck ist anders“, lautet das Fazit im Theaterstück, das gerade durch die kleinen Textaussetzer oder verspäteten Einsätze der jungen Schauspieler seinen ganz eigenen Charme entwickelte.

Und wenn man im Publikum auch so manches Mal die Ohren spitzen musste, um das Gesagte zu verstehen, verzieh man es den jungen Schauspielern doch gerne, angesichts der Freude, mit der sie am Werk waren. Und wenn ein Kind nach einer Szene die Theaterbühne verlässt und dabei über das ganze Gesicht strahlt und – ganz für sich - vergnügt in die Hände klatscht, transportiert dies die Botschaft des Stücks fast noch deutlicher, als das Geschehen auf der Bühne: Es kommt drauf an, einfach zu leben und das Leben mit seinen Freuden und Herausforderungen zu genießen. Für sein Debüt erhielt der Schauspielkurs langanhaltenden Applaus, während dem die jungen Schauspieler stolz und voller Freude, es geschafft zu haben, zu ihren Eltern und Familien liefen, um Umarmungen und Glückwünsche gleichermaßen entgegen zu nehmen.

Es spielten: Nadine Bienek, Benjamin Kaun, Jona Krispin, Lisa Lang, Larissa Müller, Kim Parfenowa, Nevina Parfenowa und Jolyn Schumacher. Eine weitere Vorstellung findet am kommenden Mittwoch, 9. April, um 18 Uhr (Einlass 17:30 Uhr) in der Studiobühne der Halle 32 statt. Weitere Informationen unter www.halle32.de.
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