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Magischer Abend gegen die Rhein-Neckar Löwen

pn; 28. Mar 2019, 23:58 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung ---- Carsten Lichtlein avancierte mit seinen 17 Paraden zum Matchwinner.
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Magischer Abend gegen die Rhein-Neckar Löwen

pn; 28. Mar 2019, 23:58 Uhr
Gummersbach – Lichtlein, Martinovic, Köpp und eine überragende Defensive verwandeln die Schwalbe-Arena in einen Party-Tempel - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


VfL Gummersbach – Rhein-Neckar Löwen 28:23 (13:11).


Noch eine Minute war zu spielen, da begann Torge Greve jeden Spieler auf der Bank innig zu herzen. Die Sensation war zu diesem Zeitpunkt längst perfekt, die Gummersbacher Schwalbe-Arena hatte sich trotz eher mauen Besuchs von 2522 Zuschauern längst in ein Tollhaus verwandelt. Was im Vorfeld wohl selbst die kühnsten Optimisten für pure Utopie gehalten hatten, war tatsächlich Realität geworden. Die abstiegsgefährdeten Oberberger sicherten sich mit einem hochverdienten 28:23-Heimsieg über die Rhein-Neckar Löwen zwei überlebenswichtige Punkte im Abstiegskampf.


[Was Selbstvertrauen ausmachen kann, zeigte Ivan Martinovic. Selbst unmöglichste Würfe des Kroaten fanden wieder ihr Ziel.]

Die VfL-Profis wussten nach dem Abpfiff selbst kaum, wohin mit den ungekannten Glücksgefühlen. Der letzte Liga-Erfolg datierte schließlich vom 13. Dezember des vergangenen Jahres, der letzte Heimsieg ist sogar bereits fünfeinhalb Monate her. Wenig verwunderlich, dass das stimmungsvolle ‚HUMBA‘ vor der VfL-Fankurve ein wenig eingerostet und verhaspelt wirkte. Den Fans war es egal, sie feierten ihr Team inbrünstig.


[Auch Pouya Norouzi spielte wie verwandelt und bekam von seinem Trainer ein Sonderlob für eine überragende Spielführung.]

Danach hatte es zunächst allerdings keineswegs ausgesehen. Die Rhein-Neckar Löwen schienen vor ihrem Champions League Achtelfinale in Nantes am Samstag, den VfL nur als kurzen Zwischenhappen zu sehen. „Uns wurde schon Angst und Bange“, gab Torge Greve nach dem Abpfiff zu und musste beim 1:5 (5.) bereits seine erste Auszeit nehmen. Die Löwen, die sich den Luxus erlaubten, auf die Flügelzange Groetzki/Sigurdsson zu verzichteten, schalteten nun zwar bereits merklich zwei Gänge zurück, beherrschten die Partie trotz hoher Fehlerquote aber weiter bis zum 4:8 (15.) durch den dänischen Nationalspieler Mads Mensah Larsen.


Der VfL biss sich aber allmählich in die Partie. Die Defensive kämpfte um jeden Zentimeter, Carsten Lichtlein zeigte das Niveau früherer Tage und vorne kam auch endlich das nötige Glück dazu. „Das hat uns natürlich Sicherheit gegeben“, meinte Greve, der zudem ein goldenes Händchen bewies. Für den offensiv wirkungslosen Stanislav Zhukov brachte er Eirik Köpp. Der vielgescholtene Norweger ließ es schnell zum 7:9 (22.) im Gehäuse von Mikael Appelgren krachen, agierte auch danach mit viel Selbstvertrauen und wurde vom umsichtigen Pouya Norouzi stets in Szene gesetzt.


Statt der fast schon traditionellen Schwächephase vor der Pause bekamen die Gastgeber Oberwasser, erzielten selbst in Unterzahl den 10:10-Ausgleich (26.) durch Moritz Preuss und hatten auch Glück, dass die beiden Unparteiischen einen Wurf von Filip Taleski wohl fälschlicherweise nicht hinter der Linie sahen. Zwei weitere Norouzi-Tore sowie ein Köpp-Aufsetzer durch die Beine Appelgrens besiegelten die völlig überraschende 13:11-Pausenführung.


Wie laut Trainer-Vulkan Nikolaj Jacobsen in der Kabine wurde, ist zwar nicht überliefert, am Spiel seiner Mannschaft änderte sich aber auch im zweiten Durchgang wenig. Nationalkreisläufer Jannik Kohlbacher wurde von der überragenden VfL-Defensive völlig aus dem Spiel genommen und auch aus dem Rückraum konnte lediglich der routinierte Alexander Petersson für Überraschungsmomente sorgen. Gummersbach hatte zudem einen nach wie vor sensationellen Zwei-Meter-Hünen im Tor, der Linksaußen Jerry Tollbring geradezu abkochte und auch Andy Schmid immer mehr die Verzweiflung ins Gesicht trieb.


[Torge Greve scheint den Nerv der Mannschaft getroffen zu haben.]

Lediglich nach dem 18:15 (40.) mussten die Oberberger noch einmal zittern. Petersson und Radivojevic sorgten für den 18:17-Anschlusstreffer (42.), doch Mensah Larsen ließ den auf dem Silbertablett servierten Ausgleichstreffer sträflich liegen. „Dann haben sich die Jungs einfach für ihre tägliche Trainingsarbeit belohnt“, analysierte VfL-Coach Greve weiter. Spätestens als Ivan Martinovic per Dreher zum 23:19 (49.) erhöhte und die Löwen selbst mit dem siebten Feldspieler in doppelter Überzahl einen schlampigen Fehlpass ins Aus spielten, kannte die Party-Stimmung unter den VfL-Anhängern kein Halten mehr. Das Sportmärchen des Underdogs, der sich in einen Rausch spielt, nahm Konturen an.


Hilflose Löwen verzettelten sich dagegen in verzweifelte Einzelaktionen, während Gummersbach jeden weiteren Treffer frenetisch feierte. Torge Greve, der dem Team in den letzten drei Wochen viel Leidenschaft zurück vermittelt hat, trat nach dem Spiel allerdings sofort auf die Euphoriebremse: „Natürlich dürfen wir das jetzt ein wenig genießen, aber wir müssen auch demütig bleiben.“ Die anstehende Länderspielpause spielt dem Trainer dabei in die Karten. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns und wollen noch stabiler werden“; weiß der Norddeutsche, dass im Abstiegskampf noch längst nichts entschieden ist.


Gummersbach: Ivan Martinovic (8), Eirik Köpp (6), Pouya Norouzi (5), Marvin Sommer (4/1), Stanislav Zhukov, Moritz Preuss (je 2), Tobias Schröter (1).


Rhein-Neckar Löwen: Alexander Petersson (5), Andy Schmid (5/1), Jerry Tollbring (4), Bogdan Raivojevic, Mads Mensah Larsen (je 3), Filip Taleski (2), Max Kessler (1).


Zeitstrafen
8:2 Minuten (Schröter, Sommer, Zhukov, Becker – Petersson).


Siebenmeter
1/1 – 1/3 (Sommer sicher – Schmid und Tollbring scheitern an der Latte).


Zuschauer
2522.


Schiedsrichter
Lars Geipel/ Marcus Helbig.
 
Stimmen:
Torge Greve (VfL Gummersbach): Ich habe von meinen Jungs heute zunächst einmal nur erwartet, dass sie 100 Prozent von dem einwerfen, was sie können. Das haben sie heute auch gemacht. Die Rhein-Neckar Löwen waren heute aber auch nicht so gut, wie wir es eigentlich erwartet haben. Als es zu Beginn 1:5 stand, haben wir erst befürchtet, dass das nun so weiter geht, haben uns davon aber auch nicht verunsichern lassen. Wir haben uns ins Spiel reingekämpft und dann kamen die Paraden von Lütti dazu, der heute endlich wieder der Lütti war, wie wir ihn kennen. Wir hatten zwar in der zweiten Halbzeit ganz am Anfang wieder ein paar Probleme mit Petersson, aber man kann auch nicht jeden Ball gegen eine solche Mannschaft wie die Rhein-Neckar Löwen verteidigen. Dann kamen auch unsere Tore von Köpp und Martinovic dazu, die heute richtig aufgetrumpft haben. Ich freue mich ganz besonders für meine Jungs, dass sie sich heute endlich einmal für die gute Trainingsarbeit und all das, was sie Tag für Tag tun, belohnt haben.

Nicolaj Jacobsen (Rhein-Neckar Löwen): Herzlichen Glückwunsch an den VfL zu einem hochverdienten Sieg. Wir hatten heute eigentlich einen ganz guten Anfang, aber konnten diesen nicht nutzen. Wir haben dann das Tempo gedrosselt und Lichtlein hatte einige gute Paraden, so dass wir die Anfangsführung nicht ausbauen konnten. Wir haben danach auf einem sehr schlechten Niveau gespielt. Nach 20 Minuten hat unsere Abwehr nicht mehr gut gespielt. In der zweiten Halbzeit haben dann auch noch Köpp und Martinovic aus einer unglaublichen Weite Tore gemacht, die wir nicht verhindern konnten. Und wenn wir uns eine Chance rausgespielt haben, haben wir sie verworfen. So kann man ein Spiel eben auch nicht gewinnen. Vor dem Spiel am Samstag gegen Nantes müssen wir uns nun deutlich steigern.

Oliver Roggisch (Rhein-Neckar Löwen): Wir haben uns das komplett anders vorgestellt. Alle haben nur von Nantes geredet und wir haben den Fokus nicht auf Gummersbach bekommen. 80 Prozent reichen in der Bundesliga einfach nicht. Wir können nur an Charakter der Mannschaft appellieren, sich aus dieser Situation raus zu ziehen.


Christoph Schindler (VfL Gummersbach): Es ist relativ einfach unseren Gemütsstand zusammenzufassen. Wir sind froh und begeistert ob des Spiels. Mit Belohnen hat Torge hat genau das richtige Wort verwendet, für das was die Jungs im Training zeigen. Man hat es in den letzten Spielen schon gesehen. Wir haben uns jedes Mal gesteigert. In erster Linie war das ein großes Danke schön der Jungs an die Fans. Heute freut sich ganz Gummersbach. Bei aller Euphorie sind aber noch einige Spiele zu absolvieren. Wenn wir daran anknüpfen können, lässt das aber Hoffnung für den Rest der Saison.

Ergebnisse und Tabelle
 
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