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Zugewanderte Ärzte an das Oberbergische binden

jt; 6. Mar 2015, 15:26 Uhr
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Zugewanderte Ärzte an das Oberbergische binden

jt; 6. Mar 2015, 15:26 Uhr
Oberberg – Auf dem Land herrscht Ärztemangel - Die Gemeinden Nümbrecht, Reichshof und Morsbach haben sich jetzt einer Initiative der Otto-Benecke-Stiftung angeschlossen, die zugewanderte ausländische Ärzte ausbilden will.
Von Jana Tessaring


Der Hausärztemangel ist zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem geworden. In Nümbrecht mussten beispielsweise bereits zwei Praxen geschlossen werden, weil es keinen Nachfolger gab. Auch eine Augenarztpraxis ist aufgegeben worden. Vor allem in ländlichen Bereichen suchen die Kommunen händeringend nach neuen Hausärzten. Viele Mediziner aus der Region stehen kurz vor dem Rentenalter und finden keine Nachfolger. Da sie ihre Patienten nicht im Stich lassen wollen, arbeiten sie oft über ihr Ruhestandsalter hinaus weiter. Laut dem Hausärzteverband Oberberg werden bis 2030 im Oberbergischen Kreis 40 Hausarztpraxen neu zu besetzen sein.

Die Kommunen versuchen mit verschiedenen Projekten dem Mangel entgegenzusteuern. So setzen einige Gemeinden auf eine mobile Versorgung in Form einer Praxis auf Rädern. „Das ist meiner Meinung nach aber nur ein Pflästerchen auf einer großen Wunde“, erklärt der Nümbrechter Bürgermeister Hilko Redenius. Gemeinschaftspraxen wie die in Nümbrecht sind laut Redenius für Ärzte attraktiver, da dort bessere Arbeitsbedingungen möglich sind als in einer Ein-Mann-Praxis. Die Ärzte können sich einfacher Urlaub nehmen und den Wochenenddienst auf mehrere Schultern verteilen.

Die Gemeinden Morsbach, Nümbrecht und Reichshof versuchen schon seit einigen Jahren, der drohenden ärztlichen Unterversorgung in Oberberg-Süd mit verschiedenen Initiativen entgegenzuwirken. „In Morsbach war bereits ein Berater aktiv, der sich um Nachfolgeregelungen in den Arztpraxen bemühte“, sagt Morsbachs Rathauschef Jörg Bukowski. Viele Bemühungen verliefen jedoch im Sande oder boten keine dauerhafte Lösung. Auch eine Starthilfe über 50.000 €, die von der Kassenärztliche Vereinigung und den Krankenkassenverbänden zur Verfügung gestellt wird, konnte die Ärzte nicht auf das Land locken.


Redenius ist dann schließlich durch eine Internetrecherche auf die Otto-Benecke-Stiftung aufmerksam geworden. Zusammen mit Morsbach und Reichshof hat sich Nümbrecht nun dem Ärzteprojekt NRW dieser Stiftung angeschlossen. Die Stiftung bildet zugewanderte Ärzte aus. Diese haben ihr Medizinstudium bereits in einem Land außerhalb der EU abgeschlossen und sind hierzulande arbeitssuchend, da ihr Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Mithilfe der Stiftung durchlaufen sie eine Ausbildung und können anschließend als Arzt praktizieren.

Ein Schwerpunkt der Ausbildung ist die Verbesserung der Deutschkenntnisse der Teilnehmenden auf einen hohen Standard. Denn Missverständnisse aufgrund mangelnder Ausdrucksfähigkeit können im Gesundheitssystem fatale Folgen haben.  Die Bewerber absolvieren außerdem ein mehrmonatiges Praktikum in Praxen oder Krankenhäusern. Die insgesamt elfmonatige Ausbildung schließt mit einer Prüfung und der Approbation (staatliche Zulassung zum Arzt) ab. Das "Integrationsprojekt für zugewanderte Ärztinnen und Ärzte" wird mit rund 110.000 € vom Land gefördert. Hinzu kommen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (ESF-BAMF-Programm).

Wenn es gut läuft, können die Gemeinden eventuell im Herbst die ersten zugewanderten Ärzte im Oberbergischen begrüßen. Laut Redenius würden sie aber dann erst frühestens nach zwei Jahren, nach Ablegung der Prüfung, eigenständig praktizieren können. Auch Dr. Ralph Krolewski vom Hausärzteverband des Oberbergischen Kreises findet es sinnvoll, ausländische Ärzte nach Oberberg zu holen, „wenn die fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen gegeben sind.“ Es müsse aber dagegen gekämpft werden, dass sie als Billigarbeitskräfte hierzulande ausgenutzt werden, so Krolewski.

Im Laufe des Monats wollen sich die Vertreter der drei Gemeinden aus dem Kreissüden noch einmal zusammensetzen und Rahmenbedingungen schaffen, die das Oberbergische für die ausländischen Mediziner attraktiv machen sollen. „Sie sollen die Möglichkeit bekommen, sich hier mit ihren Familien zu verwurzeln. Dann kann dieses Projekt zu einer langfristigen Lösung werden“, so Redenius. Auch Bukowski hält es für wichtig, die zugewanderten Ärzte emotional an das Oberbergische zu binden, sie in die Gemeinde aufzunehmen und ihnen die Vorzüge der Gegend aufzuzeigen.  Bukowski hält es außerdem für sinnvoll, „bereits im Ausland bei den Ärzten für Oberberg-Süd zu werben“.

Sogar bis zum Bundestag ist das Problem der ärztlichen Unterversorgung in ländlichen Regionen vorgedrungen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will das Problem des Ärztemangels auf dem Land mit dem Versorgungsstärkegesetz lösen. Die Verteilung der Ärzte in Deutschland soll verändert werden. Die Überversorgung in Ballungsräumen soll entzerrt, die Unterversorgung in ländlichen Regionen behoben werden. Es soll stärkere Anreize wie eine bessere Vergütung geben, damit Ärzte sich auch in den unterversorgten Gebieten niederlassen.

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