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Herbstsynode: 'Mehr Gott wagen'

Red; 19. Nov 2018, 12:13 Uhr
Bilder: Kirchenkreis An der Agger/ Vera Marzinski --- Auf der Herbstsynode lud Superintendent Jürgen Knabe (vorne) zu neuen Begegnungen mit dem Glauben ein.
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Herbstsynode: 'Mehr Gott wagen'

Red; 19. Nov 2018, 12:13 Uhr
Oberberg - Die Synodalen beschlossen, die Position des Superintendenten künftig mit einem hauptamtlichen Stelleninhaber zu besetzen - Diakonisch-Missionarische Charakter der Kirche soll durch neue Stelle „Kirche auf dem Markt“ neue Kraft bekommen.
Was soll und kann die evangelische Kirche heute leisten? Wie kann sie auf die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels im ländlichen Raum reagieren? Diese grundsätzlichen Fragen standen am vergangenen Wochenende im Zentrum der Herbstsynode des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger. Im evangelischen Gemeindehaus in Gummersbach fassten die rund 100 Vertreter der 25 Kirchengemeinden zwischen Wipperfürth und Rosbach in dieser Hinsicht wegweisende Beschlüsse.


[Im evangelischen Gemeindehaus in Gummersbach versammelten sich die rund 100 Vertreter der 25 Kirchengemeinden.]

Zum einen haben die Synodalen mit deutlicher Mehrheit beschlossen, die Position des Superintendenten künftig mit einem hauptamtlichen Stelleninhaber zu besetzen und bundesweit auszuschreiben. Zum anderen folgten die Gemeindevertreter dem Vorschlag des Kreissynodalvorstands und der Arbeitsgruppe Transformation, bis zur nächsten Herbstsynode die Einrichtung einer neuen Stelle „Kirche auf dem Markt“ für Inspiration, Mission und Kooperation vorzubereiten: Der diakonisch-missionarische Charakter der Kirche soll neue Kraft bekommen - ausgerichtet auf das Ziel einer aktuellen Begegnung mit dem Evangelium von Jesus Christus. Die Stelle soll den Austausch über Verkündigung, Diakonie und Bildung mit den Sozialpartnern und Kommunen fördern.


[Superintendent Jürgen Knabe.]

Zur Eröffnung der Synode hatte Superintendent Jürgen Knabe in seinem 18. Superintendentenbericht den kirchlichen Auftrag von der Jahreslosung 2018 abgeleitet: „Ich will dem Durstigen geben von dem Wasser des Lebens umsonst.“ Auch und gerade in der Gegenwart suchten die Menschen Antworten auf existenzielle Fragen wie „Was erwartet mich im und nach dem Tod?“ Doch auch die aktuellen politischen Verwerfungen - Knabe benannte „menschenverachtende Provokationen und gewalttätige Demonstrationen“ - erforderten eine Stellungnahme der Kirche. „Als Kirche kann es uns nicht um institutionelle Selbstbeschäftigung gehen“, betonte der Superintendent. Die Kirche habe den Auftrag, Menschen auf ihren Lebenswegen zu begleiten und Grunderfahrungen des Glaubens zu bieten. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, seien unter veränderten Bedingungen - etwa durch losere Verbindungen der Menschen zur Kirche - neue Formen der Gemeindearbeit und eine Weiterentwicklung der Sonntagsgottesdienste nötig.



Die Zahl der Kirchenmitglieder geht dauerhaft zurück. Das belegen die Kirchenmitgliedschaftsstudien der Evangelischen Kirche in Deutschland. Knabe lud dazu ein, in diesen Herausforderungen der Kirche „auch Chancen und kreative Freiräume“ zu erkennen und zu nutzen. Das Evangelium rufe dazu auf, „in die gesellschaftliche Wirklichkeit hinein zur Aufnahme und Pflege von Beziehungen mit unseren Nachbarn, unseren Kommunen, den Vereinen, den Verbänden, den Nachbargemeinden, den Menschen insgesamt“.


[Gastreferentin Juliane Kleemann.]

Dieser Gedanke stand auch im Mittelpunkt des Impulsvortrags der Gastreferentin Juliane Kleemann. Die Pfarrerin vom Dortmunder Zentrum für Mission in der Region formulierte eine Reihe von Thesen unter dem Titel „Netzwerk Kirche im ländlichen Raum“. Neben den gewachsenen Strukturen müsse die Kirche die Möglichkeit eröffnen, dass sich engagierte und interessierte „Schlüsselpersonen“ in offenen Verbindungen für kirchliche Zwecke einsetzen, forderte die Theologin.

Die örtliche Kirchengemeinde müsse über den bisherigen Anspruch von Allversorgung und Allzuständigkeit hinauskommen. Über ein profiliertes Gemeindeangebot hinaus solle sie offen sein für gemeindeübergreifende Initiativen. Man müsse sich lösen vom Gegensatz von Drinnen und Draußen. In mehreren Arbeitsgruppen diskutierten die Synodalen angeregt über Kleemanns Thesen. Die Arbeit soll in Pfarrkonventen und Begegnungsforen weitergehen.


[Kreiskantor Hans-Peter Fischer geht in den Ruhestand.]

Auf der Tagesordnung stand neben der Haushaltsplanberatung und Formalien wie Ausschusswahlen schließlich auch die Verabschiedung des langjährigen Kreiskantors Hans-Peter Fischer in den Ruhestand und die Vorstellung seiner Nachfolgerin Dr. Annemarie Sirrenberg. Fischer hatte den Eröffnungsgottesdienst in der Kirche an der Orgel zusammen mit dem Blechbläserensemble Tuba Mirum begleitet. Die Kreissynode mit ihren ernsten Debatten sei für ihn immer der Höhepunkt des kreiskirchlichen Lebens gewesen, sagte Fischer. Dieses „Kraftfeld der Synode“ zu begleiten im Gottesdienst und in den Andachten, habe ihm immer Respekt abgenötigt, aber auch immer große Freude bereitet. 

Im Eröffnungsgottesdienst hätte Pfarrer Thomas Seibel aus Waldbröl gesagt: „In einer Zeit der Veränderungen geben wir die theologische Antwort: das Vertrauen auf Gott. Gott ist Liebe und die ist frei von Angst.“ Die Bibel sei voller Geschichten von Veränderungsprozessen, daraus könne man lernen: „Das wirklich Schlimme ist nicht die Veränderung, sondern die Angst vor der Veränderung.“ Das zu vermitteln, sei Aufgabe der Kirche.
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