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Plötzlich im Fegefeuer

bv; 20. Oct 2017, 20:40 Uhr
Archivbild --- Die vergangenen Wochen haben bei Ulrich Stücker Spuren hinterlassen, doch er will sich auch künftig nicht verbiegen lassen.
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Plötzlich im Fegefeuer

bv; 20. Oct 2017, 20:40 Uhr
Wiehl - Die vergangenen Wochen mit Anfeindungen und Diffamierungen haben beim Wiehler Bürgermeister Ulrich Stücker Spuren hinterlassen - Doch er ist mehr denn je im Zusammenhang mit dem AfD-Parteitag überzeugt, korrekt gehandelt zu haben - 'Ich würde alles wieder genauso machen'.
Von Bernd Vorländer

Nach außen hin wirkt der Mann eigentlich wie immer - beschwingt und mit optimistischem Grundton. Doch wenn man mit ihm etwas länger spricht, sich die Tore zu seiner Seele öffnen, wird er sehr, sehr nachdenklich. Es ist dann eine Stimmung zwischen ehrlicher Empörung, Unverständnis und auch Traurigkeit. Eine Woche lang ist es her, dass ein Parteitag im beschaulichen Wiehl stattfinden sollte. Doch dann kamen nur die Demonstranten, weil die AfD ihren Landeskonvent absagte. Während der Alltag die meisten Bürger längst wieder eingeholt hat, wirken die Ereignisse der vergangenen Wochen für Ulrich Stücker noch nach. Der 51-Jährige ist durch ein Stahlgewitter von Anfeindungen gegangen, weil er nach Recht und Gesetz gehandelt hat. Das Ganze hat ihn mitgenommen - aber auch in seinen Überzeugungen bestärkt.


"Ich würde alles wieder ganz genauso machen. Unsere Demokratie lebt davon, dass man auf die Grundlagen vertrauen kann - und zwar ohne Ansehen der Person oder Institution." Stücker sagt dies mit Nachdruck. Dabei hätte er Anlass gehabt zu zweifeln, weil er in diesem Herbst plötzlich viele Facetten menschlichen Verhaltens und Umgangsformen erlebt hat, die er so nicht kannte und auf die er gerne verzichtet hätte. Seinen Glauben in den Rechtsstaat konnte dies nicht erschüttern, ganz im Gegenteil.

Was war geschehen? Als klar war, dass der Wiehler Bürgermeister und seine Verwaltung der Alternative für Deutschland die Wiehltalhalle für einen Parteitag zur Verfügung stellte, war es zunächst Unverständnis, das sich in den Kommentarspalten der Zeitungen und in Hintergrundgesprächen entlud. "Wie kann der nur", war eine oft gehörte Frage. Gegen Windmühlen habe er argumentiert, wenn es in vielen persönlichen Kontakten darum gegangen sei, den Menschen zu erklären, dass das Gesetz kein Hintertürchen dafür biete, eine Genehmigung zu versagen, sagt Stücker.

Doch aus Unverständnis wurden allmählich Schläge unter die Gürtellinie. "Manches war diffamierend und beleidigend, ging ins Persönliche", erinnert sich Stücker. Am Rathaus hingen Schriftzüge, dass der Bürgermeister eine Schande für die Stadt sei und zu verantworten habe, dass man Entwicklungen Vorschub leiste, wie sie schon vor 80 Jahren in Deutschland zu beobachten gewesen seien. Subtiler waren andere, oft 'gut gemeinte' Ratschläge, die Stücker erhielt. Er möge doch die Genehmigung für die Nutzung der Wiehltalhalle zurückziehen, empfahl man ihm. Ein Gericht würde dann zwar diese Entscheidung kassieren, aber der Bürgermeister stünde besser da, hieß es. Ein solches Denken erzeugt bei Stücker noch heute Kopfschütteln. "Es darf kein taktisches Moment geben, Recht zu brechen. Das wird es auch künftig mit mir niemals geben." 

Stücker blickt jetzt nach vorne, hofft, dass sich die Wogen glätten und Platz geschaffen wird für verständiges Miteinander. Brücken will er bauen, darauf drängen, dass Menschen zunächst ihre Worte wägen, ehe sie sie aussprechen. Und manchem müsse man offenbar auch noch mal das Wesen von Demokratie deutlich machen. "Wir alle müssen uns gegen eine Verrohung der Sitten wenden. Das kann gefährlich werden für unsere Gesellschaft", sagt der Wiehler Bürgermeister, der gespürt hat, wie schnell man in den Fokus einer unerbittlichen Öffentlichkeit geraten kann. "Zwischen dem 'Steinigt ihn' und einem "Feiert ihn" lagen genau drei Sätze auf der Homepage der Stadt, in denen ich meine persönliche Meinung zu den Demonstrationen kundgetan habe", weiß Stücker. Gefreut hat er sich über persönlichen Zuspruch in den vergangenen Wochen. "Das hat gut getan in einer schwierigen Zeit."
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